Anekdote zum Sonntag (167) – Ein Missverständnis kommt selten allein
Bundesliga 23.April.2023 Marie Samstag
Als Frank Stronach 1999 vollmundig verkündete, die Wiener Austria in drei Jahren an die europäische Spitze zu führen, jubelten die violetten Anhänger nur verhältnismäßig kurze Zeit. Im Handumdrehen stellte sich nämlich heraus, dass Stronach sportfachmännisch beratungsresistent war und gerne – noch bevor er das Magna Racino als Goldgrube, dass dann eher Millionengrab wurde, eröffnete – auf die falschen Pferde setzte: Schätzungsweise 200 Millionen Euro verbriet der Selfmade-Milliardär während seines Engagements. Stronach legte sich mit Austria-Ikonen wie Prohaska oder Polster an, avisierte Investitionen und Erfolge blieben schließlich aus. Bald war der gebürtige Steirer bei den Fans unten durch und kam 2005 schließlich den violetten Revolutionären zuvor, indem er vor der FAK‑Generalversammlung seinen Rückzug erklärte.
Zu Beginn von Stronachs Amtszeit lief es im 10. Wiener Gemeindebezirk aber noch gut: Fanlieblinge wie Rushfeldt, Blanchard oder Didulica kickten sich in die violetten Herzen und holten am Saisonende 2002/03 das Double. Im Sommer zuvor hatte der sportliche Leiter Peter Svetits einen besonders dicken Fisch an Land gezogen: Ein Spieler, der 1996 Brasiliens Fußballer des Jahres gewesen war und 14 Länderspiele für die Seleção zu Buche stehen hatte: Djalminha.
1970 als Sohn des zweifachen Weltmeisters und Defensivspielers Djalma Dias geboren, schnürte der Kicker seine Schuhe zunächst für den in Rio de Janeiro beheimateten Klub Flamengo. Seine sportliche Hochzeit erlebte er in der Saison 1999/2000 als er entscheidend am (einzigen) Meistertitel von Deportivo de La Coruña mitwirkte. Bilder aus dieser Zeit lassen erahnen, warum man den Zuckerhut-Kicker in Spanien „El Mago“ nannte: Djalminha hatte unglaubliches Gefühl im Fuß, besaß eine enge Ballführung, trickste und zauberte und verwandelte nebenbei auch noch Freistöße.
Nachdem er jedoch im Mai 2002 seinem Trainer aufgrund einer Meinungsverschiedenheit einen Kopfstoß verpasst hatte, war Djalminhas Zeit im spanischen Galizien abgelaufen. Die Austria griff zu und dieser Königstransfer schien erfolgsversprechend, denn der Offensivspieler stand knapp vor seinem 32. Geburtstag, war amtierender Copa del Rey-Sieger und spielte regelmäßig in der Champions League. Die österreichische Liga sollte demnach Djalminhas Kragenweite sein. Doch da hatte man die Rechnung ohne den Südamerikaner gemacht.
Wer weiß schon, welche Versprechungen der Ex-Spanien-Legionär vor seinem Transfer nach Österreich gehört hatte bzw. was seine eigenen Erwartungen waren. Jedenfalls zeigte er sich wenig beeindruckt, als man ihm an seinem Ankunftstag in Wien das Franz-Horr-Stadion zeigte. Er meinte zu den Offiziellen der Austria: „Ja, netter Trainingsplatz und wo ist euer Heimstadion?“ Die FAK-Verantwortlichen blickten sich betreten um. Es sollte jedoch noch schlimmer kommen: Wenige Wochen später stieg die violette Truppe in den Bus und reiste zum ersten Ligaspiel nach Pasching. In der Kabine des Waldstadions schickte sich Djalminha an sich an der Seite von Thomas Flögel umzuziehen. Plötzlich stupste er Flögel an und fragte ihn, wann denn endlich Schluss mit den Freundschaftsspielen sei und die Saison starten würde. „Sir Tam“ wähnte sich im falschen Film: Er räusperte sich und teilte Djalminha mit, dass dies nun das erste Match um Punkte sei. Es sollte jedoch nicht die einzige Anekdote, die die beiden verbindet, bleiben: Flögel wusste über seinen Kollegen zu berichten: „Es waren nicht nur am Feld außergewöhnliche Dinge, die Djalminha machen konnte, sondern auch abseits des Platzes: Bei McDonalds bestellte er einen Cheeseburger ohne Käse und ließ ihn sich auch noch servieren.“
Es stimmte schon: Technisch war Djalminha eine Wucht, doch das zeigte er nur beim winterlichen Stadthallenturnier, wo er ganz in seinem Element war. Nach zwölf Einsätzen und drei Toren für die Veilchen verabschiedete er sich am Saisonende und heuerte (mit Unterbrechung) in Mexiko an. Dort beendete er 34-jährig schließlich seine Karriere. Ein brasilianischer Nationalspieler in Österreich – das hatte sich nur als Schlagzeile gut angehört. In Wirklichkeit war das Engagement Djalminhas aber ein großes Missverständnis für den FAK oder eine Aneinanderreihung vieler Missverständnisse für Djalminha.
Marie Samstag, abseits.at
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