Seit Lionel Messis Erscheinen auf der Fußballbühne ist Mario Kempes nicht mehr der berühmteste Kicker, der von Rosario aus die Welt des Ballsports eroberte. Im Gegensatz zum siebenfachen Ballon d’or-Gewinner wurde El Matador allerdings nicht in Santa Fé, sondern in Bell Ville in der argentinischen Provinz Córdoba geboren.
Bei Rosario Central begann sich Kempes jedoch ab 1973 als Top-Stürmer zu etablieren. Schließlich wechselte er als bester Torschütze aller Zeiten seines Klubs zum FC Valencia und wurde zum Titelhamster: Zweimaliger spanischer Torschützenkönig, spanischer Pokalsieger, Europapokalsieger der Pokalsieger und Weltmeister. Insbesondere letzterer Triumph bei der Heim-Endrunde ’78 wurde das Meisterstück des feschen Argentiniers: Der durchsetzungsstarke Angreifer führte die Gauchos zum Titel, krönte sich mit sechs Treffern zum Torschützenkönig des Turniers und avancierte zur „Hand Gottes“ indem er im zweiten Gruppenspiel einen Ball auf der Linie mit der Hand abwehrte. Den darauffolgenden (schlecht geschossenen) Elfmeter des polnischen Kapitäns parierte Argentiniens Tormann Ubaldo Fillol mit Leichtigkeit. Kempes galt als starker, athletischer Linksfuß und gehört zu den besten Stürmern der Geschichte. Anfang der 80er-Jahre überließ er seine Nummer 10 und die „Hand Gottes“ einem gewissen Diego Maradona, der als kommender Superstar mit der Albiceleste bei der Weltmeisterschaft 1986 reüssierte.
Monate bevor Argentinien den zweiten Stern holte, wechselte der 32-jährige Kempes auf die Hohe Warte zur Vienna. Foto Nettig – der damalige Hauptsponsor des Vereins – machte den Sensationstransfer möglich: Ein Weltmeister in Blau-Gelb. Wahnsinn! Für den 43-fachen Nationalspieler war der Wechsel in die kleine Liga der Alpenrepublik jedoch ein echter Kulturschock: Minusgrade statt angenehmer Wärme, nur 900 statt 30.000 Zuschauer:innen. Kempes erklärte jedoch, dass er ein Abenteurer sei und hoffe, seinen Vertrag in Wien zu erfüllen um anschließend seine Karriere zu beenden. Tatsächlich kickte er sechs Jahre in der heimischen Liga, beehrte St. Pölten und den Kremser SC, ehe er noch in Indonesien, Chile und Albanien seine Schuhe schnürte.
Die Euphorie um den Weltmeister im Trikot des ältesten Fußballvereins Österreich war anfangs groß, verpuffte aber nach den ersten Spielen: Kempes gelang es die Vienna vor dem Abstieg zu bewahren, indem er das Notwendigste auf dem Feld besorgte. Naturgemäß spielte er nicht auf demselben Niveau wie in seiner Glanzzeit. Trotzdem waren die Vienna-Fans stolz einen Weltstar in ihrer Mannschaft zu wissen, viele wollten sich beim Argentinier auch persönlich erkenntlich zeigen: Ein blau-gelber Anhänger arbeitete im Kartenbüro der Staatsoper und wollte Mario etwas Gutes tun: Er ließ seine Kontakte zu einem weiteren Fan, der im Umfeld des Vereins tätig war, spielen und sagte, er könne – bei Interesse – gratis Regie-Karten für die aktuelle Ballettaufführung für Señor und Señora Kempes hinterlegen. Der Fan übermittelte Kempes diese Einladung und der Spieler sagte zu. Der blau-gelbe Opernmitarbeiter war aufgeregt wie ein kleines Kind zu Weihnachten als El Matador die beiden Eintrittskarten direkt bei ihm an der Tageskassa abholte. Als kleines Dankeschön überreichte der Ex-Internationale dem fußballbegeisterten Angestellten eine unterschriebene Autogrammkarte, woraufhin dieser ganz selig war.
Die Kempes genossen den Abend mit klassischer Musik und Tanz, erfuhren aber nichts vom bösen Nachspiel, das dem Einfädler der Sache blühte: Die Ispro-Agentur von Josef Schulz und Rainer Ellerich vertrat Kempes in Managementangelegenheiten und hatte den Wechsel zur Vienna einst über die Bühne gebracht. Schulz bekam von Marios Opernbesuch irgendwann Wind und stellte nun erbost den Vienna-Fan, der den Kontakt zum anderen blau-gelben Anhänger in der Oper hergestellt hatte, zur Rede: Er fragte, was er sich einbilde hinter seinem Rücken eine Autogrammstunde des argentinischen Weltmeisters in der Staatsoper zu organisieren. Zwar konnte das Missverständnis rasch aufgeklärt werden, für den Fan, der sich nichts außer Nettes bei der Sache gedacht hatte, blieb ein schaler Nachgeschmack übrig. Dahingestellt blieb außerdem auch, wie Kempes Manager auf die Idee kam zu glauben, die Staatsoper würde bei so einer Veranstaltung mitmachen: Opern-Ball ist schließlich nur einmal im Jahr.
Marie Samstag, abseits.at
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