Am 16. März 1992 verabschiedete sich mit Joschi Walter einer der letzten Ehrenmänner des österreichischen Fußballs für immer. Urplötzlich brach der Mister Austria in... Anekdote zum Sonntag (61) – Kommando: Stilles Örtchen

Retro Fussball_abseits.atAm 16. März 1992 verabschiedete sich mit Joschi Walter einer der letzten Ehrenmänner des österreichischen Fußballs für immer. Urplötzlich brach der Mister Austria in seiner Peugeot-Filiale zusammen. Jede Hilfe kam zu spät. Walters Ableben wurde von Wien bis Bregenz bedauert, seine Veilchen jedoch waren nicht nur schockiert, sondern verloren mit seinem Tod einen ihrer fähigsten Funktionäre.

1959 wurde der damals 34-jährige erstmals zum Vizepräsidenten der Favoritner gewählt. Ab diesem Zeitpunkt begann der steile Aufstieg des harten, aber fairen Fachmannes. Walter war einer der Ersten der die Trikotwerbung als Marketingstrategie entdeckt hatte und ließ Mitte der 60er den violetten Dress mit einer Schwechater Biertulpe beflocken. Der Wiener verfügte über die seltene Kombination kaufmännisch-genial aber trotzdem ehrlich zu sein. Bescheidene Spieler, wie den ruhigen Fredi Drabits, schlug er nicht einfach übers Ohr, sondern stellte ihm bei Vertragsverhandlungen einen Kollegen, der für ihn Fürsprache leistete, zur Seite. Walters eigene Spielerkarriere war nicht besonders erfolgreich gewesen, hauptberuflich arbeitete sich der gebürtige Ottakringer jedoch vom Mechanikerlehrling zum Autohändler hoch. Lange Zeit pendelte er beinahe täglich zwischen seinem Geschäft in der Brigittenau und dem Horrplatz. Bei jedem Heimspiel war der Ex-ÖFB-Bundeskapitän im VIP-Bereich anzutreffen, wo er mit Argusaugen das Spiel beobachtete. Es kam mehr als einmal vor, dass Joschi Walter nach einer schlechten ersten Halbzeit mit rotem Kopf Richtung Kabine stürmte um den FAK-Spielern den Kopf zu waschen. Pünktlich zum Wiederanpfiff saß er dann erleichtert und aufgeräumt auf seinem angestammten Platz und hoffte darauf, dass die Kicker seinen Worten Taten folgen lassen würden.

Bei einem Heimspiel der Austria Anfang der 90er-Jahre boten die Veilchen einen Grottenkick. Als der Schiedsrichter nach 45 quälenden Minuten zur Pause pfiff, versammelten sich zahlreiche VIPs um Präsident Walter auf der Ehrentribüne. „Joschi, das kannst du dir doch nicht bieten lassen!“, „Joschi, da musst du etwas unternehmen.“, prasselte es auf Walter von allen Seiten ein. Die gefürchteten Gönner der Austria wollten, dass der „Chef“ höchstpersönlich in der Kabine die Kohlen aus dem Feuer holte. Obwohl Walter schon sooft diesen Gang gegangen war, zögerte er dieses Mal. Der Haken an der Sache: Der damalige Austria-Trainer hieß Herbert Prohaska. Joschi kannte Schneckerl seit dieser in seiner Jugend als Automechaniker bei der Firma Ringhofer in Simmering gelernt hatte. Später beobachtete er den Aufstieg des Supertalents zu einem Spielmacher von Weltklasse. Jetzt arbeitete er mit dem Trainer Prohaska zusammen. Schon als Spieler hatte die Nummer 8 Walters Kabinenpredigten als unangenehm erlebt: Damals blieb dem Mittelfeldakteur nichts anderes übrig als mit gesenktem Kopf das Donnerwetter vorbeiziehen zu lassen. Jetzt war er jedoch der Übungsleiter, der drohte das Gesicht zu verlieren, sobald Walter seinen Burschen das Fußballspielen erklären wollte. Also hatte Schneckerl schon zu Beginn seiner Amtszeit Walter händeringend gebeten seine Auftritte in der Halbzeitpause in Zukunft zu unterlassen. Walter war einverstanden gewesen. Was also tun?

Der Präsident entschloss sich zu einer Schauspieleinlage. „Die werden was erleben!“, schnaubte er, schob die VIPs beiseite und stapfte abwärts. Selbst kurz vor der bereits geschlossene Kabinentür behielt er seinen zielstrebigen Schritt bei und ließ die Tür schwungvoll auffliegen. Kaum stand er jedoch vor den verschwitzten Kickern flüsterte Walter Prohaska nur „Lass dich nicht stören. Ich geh nur aufs Klo“ zu und huschte aufs Häusl. Irritiert setzte Schneckerl seine Ansprache fort, schaffte es jedoch nicht mehr sich vollends zu konzentrieren. „Warum zum Teufel marschierte Walter extra aufs Kabinenklo? Und was machte er so lange da drin?“, fragte sich der Ex-Italien-Legionär. Weder wurde die Spülung betätigt, noch hörte man den Wasserhahn rauschen. Die Besprechung war bereits zu Ende, da zwängte sich ein verschwitzter Walter aus der WC-Türe und verschwand wieder. Erleichtert ging er zu seinem Platz zurück, während Prohaska auf der Trainerbank nachdachte, was diese Einlage zu bedeuten gehabt hatte. Die Austria siegte schließlich 2:0 und unter vier Augen konnte Joschi Walter sein Verhalten aufklären. Beide mussten schmunzeln und Herbert Prohaska rechnete Walter hoch an, dass ihn dieser selbst in dieser hochemotionalen, kritischen Situation nicht vor der Mannschaft abmontiert hatte, sondern seinem Versprechen treu geblieben war. Joschi Walter blieb bis zu jenem Märztag wenige Monate später ein Sir, der zu seinem Wort stand.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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