Annäherung zwischen Fans und Verein – und wieso Rapid gegen Ried kein Tor erzielen konnte
Bundesliga 4.August.2011 Daniel Mandl 0
Rapid „ohne“ Block West ist ein seltsames Gefühl. Beim 0:0 gegen die SV Ried zeigten die anderen Tribünen „englischen Support“, feuerten das Team matchbezogen an, was phasenweite zwar auch zu einigermaßen guter Stimmung führte aber dennoch einen vollmotivierten Westsektor nicht ersetzen kann. Im Laufe der Woche kam es zu Annäherungen zwischen Fans und Verein.
Am vergangenen Montag trafen sich die Vertreter einiger aktiver Rapid-Fanklubs mit Vereinsverantwortlichen und beide Seiten gaben danach bekannt, dass man sich „annäherte“, allerdings auch – verständlicherweise – dass Differenzen solch gravierender Art nicht innerhalb eines guten Meetings aus der Welt geschafft werden können. Die Fans gingen jedoch mit gutem Beispiel voran, im Vorfeld der Ried-Partie hörte und las man versöhnliche Worte der aktiven Fangruppierungen. Etwa, dass „United We Stand“ dafür eintritt, dass sich Rapid-Fans untereinander respektieren und das Handeln anderer Gleichgesinnter akzeptieren sollen. Die Anfang Juli gegründete Fanbewegung akzeptiere es, wenn nicht das ganze Stadion bei den Protesten mitmachen würde, verlange aber von den „Nicht-Protestierenden“ Respekt für ihr eigenes Handeln. Nur fair.
WARTEN DER FANS AUFS „GESCHWÜR-DEMENTI“
„United We Stand“ fand diplomatische, gut gewählte Worte – die Klubservice-Leiter Andy Marek im Vorfeld der Ried-Partie nicht unbedingt fand. In einem Interview mit dem Kurier preschte die „Stimme Rapids“ vor, forderte alle Fans, die für den Boykott kein Verständnis haben, zur vollen Unterstützung Rapids auf (wenige Tage bevor ein internes Meeting mit „United We Stand“ stattfinden sollte – kein perfektes Timing). Dies hätte sich die Mannschaft verdient. Womit Marek nicht unrecht hat, immerhin wurden die von den Fans geforderten Änderungen auf Spieler- und Trainersektor nahezu lückenlos vollzogen. Eine Rapid-Legende ist Chef auf der Trainerbank, ein gutes Drittel der Mannschaft neu, zudem bisher erfolgreich. Keine Frage, dass sich die Akteure, um die es im Fußballsport nun mal konkret geht, für diesen ansehnlichen Saisonstart Unterstützung verdient hätten. Nur geht es „United We Stand“, betrachtet man die Ziele und Forderungen dieser Bewegung, derzeit nicht um die Mannschaft, die ausgesprochenen Stadionverbote oder Rapids Maßnahmenkatalog, der teilweise nichts mit den Ausschreitungen beim Derby zu tun hat, sondern in manchen Punkten opportunistischer Populismus mit finanziellen Beweggründen ist, sondern einzig und alleine um eine korrekte Gesprächsbasis mit dem Verein. Rapid sollte zurücknehmen, dass die Fans, deren Support im Villa-Park vor einem Jahr noch als „europäische Weltklasse“ bezeichnet wurde, plötzlich „Figuren“, „sozial gescheitert“ oder „Geschwüre“ sein sollen.
NICHT JEDE MASSNAHME IST NACHZUVOLLZIEHEN
Mareks Interview liest sich überzeugend, der Rapid-Geschäftsführer wirkt entschlossen, meint jedoch auch, dass der Maßnahmenkatalog vorerst kein großes Thema ist. Das sehen die Fans freilich etwas anders. Der erste Schritt muss es sein, sich gegenseitig in die Augen sehen zu können, eine vernünftige Gesprächsbasis zu haben. Dass die Fans es mithilfe eines Stimmungsboykotts nicht schaffen werden, dass die Bundesliga Stadionverbote aufhebt oder Rapid eine allgemeine Handlungsfreiheit wiedereinführt, wissen sie selbst. Nur die unverhältnismäßigen, eigentlich zum Teil „Off-Topic“-Punkte im Maßnahmenkatalog werden die Fans durchaus noch ansprechen, auch wenn sie in der ersten Gesprächsrunde noch kein Thema waren. Dazu gehört etwa das Verbot West-Abos für einzelne Spiele auf andere Personen zu übertragen. Ein Problem, das man – wie bereits zuletzt auf abseits.at beschrieben – online problemlos und sicher lösen könnte. Zudem die Austragung der künftigen Wiener Derbies im Happel-Stadion, die definitiv finanzielle Gründe hat, auch wenn der Verein das (noch) nicht zugibt. Immerhin ist ein ausverkauftes Happel gut dreimal so viel wert, wie ein ausverkauftes Hanappi. Der Sicherheitsgedanke hinter dem Wechsel des Derby-Spielorts kann keine Begründung oder Ausrede sein. Kein Fan fühlt sich im weitläufigen Happel-Oval – und speziell rund um das Stadion – sicherer als in Wien-Hütteldorf. Man bedenke die Lage des Stadions inmitten des verwinkelten Praters bzw. der Praterauen oder die Massenabfertigung U2, mit der die meisten Besucher den Schauplatz nach Abpfiff gemeinsam verlassen müssen. Das Ganze nachdem das letzte Derby emotionsgeladener kaum hätte sein können. Derbies im Happel-Stadion haben, die gesamte Peripherie betrachtend, ein sehr hohes Aggressionspotential und sind GERADE jetzt keine Lösung für Probleme. Allerdings eine gute Okkasion für Rapid mehr Geld aus Zuschauereinnahmen zu lukrieren. Was ja auch das gute Recht des Vereins ist – nur sollte man dann auch deklarieren, wieso im Happel-Stadion gespielt wird. Die Übersiedlung für die wichtigsten Spiele des Jahres ist keine notwendige Strafe, sondern im Grunde eine willkürliche…
ÜBERGEWICHT IM MITTELFELD, ABER STELLUNGSFEHLER
Zurück zum Sportlichen: Gegen die SV Ried kam Rapid über ein 0:0 nicht hinaus, wobei das Spiel eine untypische Spielanlage für Aufeinandertreffen dieser beiden Teams aufwies. Normalerweise sind die Spiele zwischen Rapid und Ried taktisch hart umkämpft, werden nicht selten im Mittelfeld entschieden. Diesmal jedoch überließ die SV Ried das Mittelfeld weitestgehend Rapid, dessen Kreativspieler Hofmann und Prokopic, sowie der schnelle Trimmel, unverschämt viel Platz in der Mitte des Feldes hatten. Bei den Riedern wiederum ging Gefahr vor allem von Außenverteidiger Basala-Mazana aus, der davon profitierte schneller in die Offensive umzuschalten als sein direkter Gegenspieler Prokopic in die Defensive. Basala-Mazanas zweiter großer Vorteil vergangenen Sonntag: Boris Prokopic zeigte schwaches Stellungsspiel, vernachlässigte seine Positionstreue, was in einem 4-2-2-2, mit dem Spielermaterial, das Peter Schöttel dazu auf den Platz schickte, tödlich ist. Prokopic ließ sich oft in die Mitte ziehen, beendete Situationen teilweise – aktionsbedingt – auf der rechten Seite, stand bereits fast neben seinem Gegenüber Christopher Trimmel. Und zugleich zeigte Rapids linker Außenverteidiger Thomas Schrammel seinen gewohnten Offensivdrang, was im Falle eines Ballverlusts Basala-Mazanas Seite öffnete.
HANDBALLTAKTIK VOR DEM TOR
Zwar hatte Rapid fast 90 Minuten lang die Oberhand im Mittelfeld inne, doch die Defensive der Rieder bewies ebenso lange ihre große Flexibilität. Eine Art Handballtaktik brachte Rapid zur Verzweiflung, am Strafraum aufgefädelte Rieder verhinderten Rapids Angriffsbemühungen durch die Mitte. Und wenn Grün-Weiß über die Seiten kam, fehlte die Präzision. Einerseits im Abschluss, wie etwa bei Atdhe Nuhius Kopfball, andererseits beim letzten Pass, wie es Schrammel und Prokopic des Öfteren passierte. Das 0:0 geht aus rein taktischen Überlegungen in Ordnung. Rapid war spielerisch besser und setzte Ried mit Dynamik unter Druck, Ried hingegen zeigte sich taktisch diszipliniert wie immer und verdiente schon aufgrund dieser geordneten Leistungen einen Punkt.
ZU NULL UND SIEBEN PUNKTE GAB’S NOCH NIE
Ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher: Das letzte Mal als Rapid nach drei Runden sieben Punkte hatte, wurde das Team Meister. 2004/05 besiegte man Bregenz auswärts mit 5:1, den FC Wacker Tirol zu Hause mit 4:1 und danach gab es ein 1:1 im Horr-Stadion. Die ersten drei Runden ohne Gegentor zu überstehen gelang Rapid jedoch das letzte Mal in der Saison 1969/70 (0:0 gegen die Vienna, 2:0 gegen den GAK und 0:0 gegen Austria Klagenfurt), als etwa Rudi Flögel, Johnny Bjerregaard oder Leopold Grausam noch das Rapid-Dress trugen. Damals beendete Rapid die Saison allerdings auf dem sechsten Platz – Meister wurde die Austria. Drei Saisoneröffnungsspiele ohne Gegentor und mindestens zwei Siegen sind übrigens ein Novum in der grün-weißen Vereinsgeschichte.
DIE NÄCHSTEN SPIELE
Rapids nächster Gegner sind die LASK Juniors, die aufgrund des Abstiegs der LASK-Kampfmannschaft ein völlig neues Team stellen. Der Jüngste im Team ist Ersatzkeeper Himmelfreundpointner (15), der jüngste Feldspieler Okan Ekmekci (16), der älteste im Team und der einzige, der mehr als 20 Jahre auf dem Buckel hat, ist der Kroate Anto Krajina (23). Das erste Spiel der neuen Regionalliga-Mitte-Saison verlor man auswärts beim Villacher SV mit 2:6. Die SV Ried muss übrigens auswärts gegen Erstliga-Absteiger Gratkorn ran, das sein erstes Saisonspiel auswärts beim SV Allerheiligen mit 2:1 gewann.
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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