Auch Stefan Nutz wechselt von Grödig zu Rapid: Wird das grün-weiße Spiel vertikaler?
Bundesliga 31.März.2015 Alexander Semeliker 2
Erneut gibt es einen Transfer zwischen dem SV Grödig und dem SK Rapid Wien. Stefan Nutz trägt ab Sommer das grün-weiße Trikot und unterschreibt bis 2018. Wie bereits bei Philipp Huspek und Tomi müssen die Hütteldorfer für den 23-Jährigen keine Ablösesumme zahlen. Doch nicht nur deshalb wird dieser Wechsel von den meisten positiv gewertet.
Dass Nutz den SV Grödig verlassen würde, schien bereits im Winter fix. Damals gab es Gerüchte um einen Wechsel nach Deutschland – ähnlich wie bei Huspek. Nun entschied auch er sich für den SK Rapid. Aus dem Noch-Grödig-Trio dürfte Nutz die interessanteste Personalie sein, da er am flexibelsten ist und dem Spiel des Rekordmeisters eine gänzlich neue Facette geben könnte.
Sinnbild für Grödigs erfolgreiches Chaos
Mit Nutz verliert der SV Grödig nicht nur den letzten Stammspieler aus der letzten Saison, der nicht in der Abwehr spielte, sondern auch einen Spieler, der das Spiel, das die Salzburger einzigartig machte, verkörperte. Unter Adi Hütter wurden sie hauptsächlich für ihr Spiel gegen den Ball gelobt. Dieses zeichnete sich durch eine enorm hohe Aggressivität und Leidenschaft aus, mit dem sie die teils großen taktischen Defizite wettmachen konnten.
Das Gegenpressing war nur selten gut organisiert, sondern glich vielmehr einem kollektiven, extrem ballorientierten Jagen, bei dem es die verschiedensten und wildesten Staffelungen gab. Das brachte selbstverständlich ein sehr hohes Stabilitätsrisiko mit sich, das trotz des sensationellen dritten Platzes sein Tribut forderte. Insgesamt 71 Gegentore standen nach der Saison 2013/2014 zu Buche – nur beim SC Wiener Neustadt waren es mehr. Das Torverhältnis war sogar negativ. In gleich sieben Spielen erhielten sie mindestens vier Gegentore.
Verschiedene Rollen in Grödig
In der letzten Saison spielte Nutz hauptsächlich im zentralen, defensiven Mittelfeld an der Seite von Mario Leitgeb. Die beiden ergänzten sich dabei äußerst gut. Leitgeb übernahm dabei die defensiven Aufgaben, organisierte das Pressing, eroberte viele Bälle und diente als erste Anspielstation im Aufbauspiel. Nutz spielte höher, leitete dementsprechend viele Angriffe aus dem zweiten Drittel ein oder war später direkt am Abschluss beteiligt. Besonders herausstechend war dabei seine zielorientierte Spielweise. Interessant sind in diesem Zusammenhang folgende Zahlen. Huspek, Grödigs Topvorbereiter der letzten Saison, war pro 90 Minuten an 3,7 Schüssen direkt beteiligt, Nutz an 4,2.
Nachdem der Grödiger Kader im Sommer dünner wurde und sich Tomi im Laufe der Saison verletzte, kam Nutz in der laufenden Saison vermehrt auch im offensiven Mittelfeld, auf der Zehnerposition, zum Einsatz. Der Spanier ist jedoch ein gänzlich anderer Spielertyp als der gebürtige Steirer. Tomi ist ein kleinräumiger Spieler, der von seiner Technik lebt. Er ist in seinen Bewegungen äußerst statisch, sorgt aber mit seinen Dribblings immer wieder für Überraschungsmomente und kreative Impulse. Nutz hingegen punktet vor allem mit seiner Dynamik, wenngleich er ebenfalls eine gute Technik besitzt und auch schon bewiesen hat, dass er es versteht, das Spiel in den richtigen Momenten zu bremsen.
Stefan Nutz, Vertikalpassmaschine
Nutz verkörpert das Spiel der Grödiger nicht dahingehend, dass er besonders zweikampfstark ist oder viele Bälle erobert, sondern deshalb, weil er einerseits eine hohe Einsatzbereitschaft zeigt und andererseits eine markante Eigenschaft besitzt: er spielt sehr häufig beschleunigende, vertikale Pässe. Auch dann, wenn diese schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt sind. So kommt er in der laufenden Saison auf eine durchschnittliche Passquote von nur 66,4%. Im Spiel gegen die SV Ried hatte er zum Beispiel in der gegnerischen Hälfte eine Fehlpassquote von 55%.
In Grödig waren diese Pässe in der letzten Saison ausschlaggebend dafür, dass die aggressive, oft erdrückende Chaospressing-Maschine erst auf Touren kommen konnte. Spielerisch hatten sie schlicht nicht die Qualität um Räume zu öffnen. Dennoch wirken diese Zahlen auf den ersten Blick vernichtend und werfen die Frage auf, ob er es für das ballbesitzorientierte Spiel von Rapid, wo jeder Fehlpass besonders kritisch gesehen wird, überhaupt Sinn macht.
Mehr Vertikalität und verbessertes Gegenpressing?
Aus taktischer Sicht problematisch am Kombinationsspiel von Rapid ist weniger die von Fans kritisierte Monotonie, sondern, dass es den Hütteldorfern aufgrund unpassender Offensivabläufe nicht gelingt, abseits des Balls Räume freizuziehen. Dementsprechend gibt es nach vorne hin kaum sichere Anspielstation und der Ball wird hinten gehalten. Das Gegenpressing Rapids ist hingegen im ligaweiten Vergleich absolut konkurrenzfähig, wie man beispielsweise im letzten Derby sehen konnte. Es kommt aufgrund des hohen Ballbesitzfokus aber vergleichsweise selten zum Einsatz. Mit der Verpflichtung von Nutz könnte sich das ändern.
Zwar ist davon auszugehen, dass sich dieser etwas an die Spielweise seines neuen Teams anpassen wird, den Instinkt, den Ball so schnell wie möglich nach vorne zu bringen, wird er aber wohl beibehalten. Dabei könnte sein „körperloses Spiel“ auf zweierlei Arten positiv für das ganze Team sein. Nutz hält sich aus direkten Zweikämpfen meist heraus, was seine mäßige Balleroberungsstatistik erklärt. Er positioniert sich vielmehr in den umliegenden freien Räumen. Dies ist wiederum derzeit das größte Manko im grün-weißen Gegenpressing und wurde im besagten Derby von Raphael Holzhauser sehr gut ausgenutzt.
Nutz könnte sich also genau in eben diesem Raum zwischen der konservativ agierenden Vierkette und der aggressiv herausrückenden ersten Pressingreihe positionieren und gegebenenfalls absichern. So besitzt Rapid dort dann auch nach Balleroberungen und den anschließend sichernden Pässen, die oft bemängelt werden, einen Spieler, der umgehend wieder in die Tiefe spielen würde. Man würde zwar weiterhin nicht mit dem ersten oder zweiten Pass in die Tiefe spielen, aber aktuell geschieht dies bei Rapid auch mit dem dritten oder vierten eher selten.
Eine weitere Investition in die Kaderbreite?
Wie schon bei Huspek und Tomi ist es auch bei Nutz fraglich, ob er sich auf Anhieb in die Stammformation spielen wird können – geht man vom aktuellen Stand der Kaderplanung aus. Infrage käme der Neuzugang für jene Positionen, die er schon in Grödig bekleidete, also auf der Achter- bzw. der Zehnerposition. Vor allem um erstgenannte Rolle dürfte es ein hohes Gedränge geben, stehen für sie doch mit Stefan Schwab, Srdjan Grahovac und Dominik Wydra bereits jetzt drei Spieler im Kader, die Ansprüche auf einen Fixplatz stellen.
Im zentraloffensiven Mittelfeld ist der Konkurrenzkampf überschaubarer, jedoch gibt es mit Steffen Hofmann, Tomi, Deni Alar und unter Umständen Louis Schaub sowie Schwab ebenfalls einige Optionen. Was in beiden Fällen gleich und besonders interessant ist, ist, dass Zoran Barisic ein sehr breites Spektrum an Spielertypen zur Auswahl hat. Besonders dank der drei Verpflichtungen aus Grödig könnte der Kader sehr breit ausfallen und man sowohl gegner- als auch situationsbedingt entscheidende bzw. gravierende Anpassungen vornehmen.
Will man beispielsweise für ein äußerst dynamisches Spiel sorgen, könnte man mit Nutz in seiner Grödig-Rolle als Achter und Schwab als zweikampfaffinen Zehner spielen bzw. überhaupt auf ein 4-1-4-1 wechseln. Dazu gäbe es mit Schaub und Huspek ebenfalls balleroberungsstarke Akteure auf den Flügeln. In Spitzenspielen, in denen man nicht zwingend das Spiel machen muss, könnte man eine Variante mit Hofmann oder Tomi als passstarken Zehner, Nutz als umschaltstarken Achter oder dem pfeilschnellen Philipp Schobesberger auf der Außenposition überlegen.
Problemorientierte und vorausschauende Personalpolitik
Unterm Strich passt der Transfer von Nutz sehr gut zu den bisherigen Verpflichtungen Rapids. Auf den ersten Blick scheint es erneut ein „logischer Transfer“ zu sein. Nutz kommt zudem ablösefrei und belastet das Ausländerkontingent nicht. Er bringt aber auch eine neue taktische Facette mit – wie eben teilweise Huspek und insbesondere Tomi, deren Transfers wir ebenfalls schon genau unter die Lupe genommen haben. Sie passen daher zu Barisics Wunsch, taktischer variabler zu werden.
Tomi und Nutz sind zudem Spieler, mit denen man einem Kernproblem in der aktuellen Spielweise entgegensteuern kann. Sowohl Tomis Fähigkeiten am Ball, als auch Nutz‘ exzessives Vertikalpassspiel können auf ihre Art und Weise gegen tiefstehende Gegner Räume öffnen. Andererseits zeugen die frühen Transferzeitpunkte von einer vorausschauenden Personalpolitik, zumal zu Saisonende nur bei einem Spieler der Vertrag ausläuft. So könnte es der SK Rapid schaffen, zum Trainingsstart bereits den fertigen Kader für die anstehende Saison zu haben – eine Idealvorstellung für jeden Trainer.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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