Aus der Bundesliga abgestiegen ohne Comeback (1) – Wiener Sport-Club 1993/94
Bundesliga 23.Juni.2012 Matthias Pokorny 2
Jedes Jahr muss ein Verein aus der höchsten Spielklasse in Österreich, der tipp3 Bundesliga, absteigen. Oft wurde diese Entscheidung in den letzten 20 Jahren durch Lizenzverweigerungen und Konkurse vorweggenommen. Viele abgestiegene Vereine etablieren sich wieder in der zweiten Liga und kehren irgendwann in die tipp3 Bundesliga zurück. Manche stürzen sportlich weiter ab, manche finanziell. Viele brauchen Jahre oder Jahrzehnte, um sich zu sammeln und wieder den Aufstieg in die tipp3-Bundesliga schaffen zu können. Der Wiener Sportclub ist 1994 abgestiegen und bisher nicht mehr zurückgekommen. Wie kam es damals zum Abstieg?
Die Bundesliga-Saison 1993/94 hatte zwei Überraschungen zu bieten: Erstens der erste Meistertitel von SV Austria Salzburg vor dem großen Favoriten Austria Wien. Und zweitens der überraschende 6. Platz des Aufsteigers VfB Mödling unter Trainer Hans Krankl. Weniger überraschend war, dass der WSC gegen den Abstieg spielte. Auch wenn man einen Platz im Mittelfeld angepeilt hatte – das finanzielle Desaster hat sich auf die sportlichen Leistungen ausgewirkt. Dass es dann zum Abstieg kam war aber schade, zumal der WSC bekannterweise bis heute nicht in die Bundesliga zurückkehren konnte.
Der Saisonstart
Hätte man zu Beginn der Saison gewusst, dass Salzburg Meister werden würde, wäre man mit dem 0:0 im Auftaktspiel zuhause um so mehr zufrieden gewesen. In Summe war der Saisonstart aber äußerst unglücklich für den WSC. Erst in Runde 9 konnte der erste Sieg eingefahren werden – auswärts bei VSE St. Pölten, die am Saisonende über die Relegation ebenfalls abstiegen. In der letzten Minute konnte der noch junge – und damals im offensiven Mittelfeld eingesetzte – Roman Mählich das Siegestor zum 1:0 für den WSC erzielen.
Mit Wilhelm Kaipel war da bereits der zweite Trainer des WSC auf der Bank. Johann Hörmayer musste nach sieben Runden den Sessel räumen, nachdem man bei der Austria 1:3 verloren hatte und zwei Runden vorher in Steyr komplett baden gegangen war (0:6). Wilhelm Kaipel, der Trainer des Jahres 1992, übernahm interimistisch und machte bereits nach Runde 11 Platz für Hans-Peter Schaller. Wirklich auf Touren kam der WSC im Herbst jedoch nicht mehr, lediglich ein Sieg gegen Vorwärts Steyr konnte noch erreicht werden. Noch dramatischer war die finanzielle Situation: Monatelang wurden keine Gehälter bezahlt. Einige Spieler sollen anfangs sogar ihren Einsatz verwehrt haben – aufgrund fehlender Gehaltszahlung aus der Vorsaison.
Der Kader
Roman Mählich, einst beim WSC einer der jüngsten Bundesliga-Debütanten überhaupt, war nicht der einzige WSC-Spieler der Saison 1993/94, der auch heute noch vielen ein Begriff ist. Zum Kader gehörten einige in der Bundesliga früher oder später bekannt gewordene Namen wie Christian Keglevits, Bernd Dallos, Peter Guggi, Dietmar Berchtold, Peter Paluch oder Hannes Pleva. Manche Spieler der damaligen WSC-Mannschaft kennt man heute auch aus anderen Bereichen, wie beispielsweise Gernot Zirngast von der Vereinigung der Fußballer (VdF), der spätere langjährige Bundesliga-Sprecher Christian Kircher oder Fernsehmoderator Volker Piesczek. Letztgenannter ist sich sicher, dass die Mannschaft gut genug gewesen wäre für den Klassenerhalt. Die finanzielle Situation habe aber alles überschattet. Bezeichnend, dass die Mannschaft zu einem Auswärtsspiel nach Innsbruck mit dem Zug fahren und vom Bahnhof zu Fuß zum Stadion gehen musste, da das Geld für den Bus fehlte. Die ausgebliebenen Gehälter verursachten bei manchen Spielern finanzielle Notlagen, woraufhin sich die Spieler teilweise untereinander ausgeholfen haben. Dieser Zusammenhalt und die tatsächliche Stärke der Mannschaft zeigte sich auch bei den guten Auftritten im Intertoto-Cup (u.a. 4:2-Sieg gegen Iraklis Saloniki) oder in der Wiener Stadthalle, wo der WSC in diesem Jahr das Finale erreichte. „Eigentlich waren wir damals eine super Truppe!“, meint Volker Piesczek rückblickend.
Das Frühjahr 1994
Im Frühjahr gab es einen neuen Sponsor und es übernahm mit Adolf Blutsch bereits der vierte Trainer in dieser Saison den WSC. Er brachte mit ein paar Neuzugängen, wie zum Beispiel dem Stürmer Marek Koniarek, etwas Hoffnung nach Hernals. Blutsch veränderte etwas an zwei bis drei Positionen in der Startformation, der Stamm blieb aber jener vom Herbst. Wie der Herbst, so begann auch das Frühjahr mit einem Unentschieden – dieses Mal gegen Sturm Graz. Und wie im Herbst dauerte es auch im Frühjahr ein paar Runden, bis man wieder gegen St.Pölten den ersten Sieg einfahren konnte. Diesen Coup konnte man eine Runde später sogar mit einem 1:0 Auswärtssieg gegen den späteren Meister SV Salzburg toppen. Wieder war es ein Treffer in letzter Minute, der die drei Punkte sicherte. Marek Koniarek, der erst im Winter aus Lodz geholt wurde, hatte wie schon öfter im Frühjahr 1994 getroffen und damit die Lücke von Thomas Janeschitz, dem mittlerweile nach Innsbruck gewechselten WSC-Torjäger der vergangenen Jahre, endlich geschlossen.
So war es ein Auf und Ab im Frühjahr, das immer wieder Anlass zur Hoffnung gab. Bis zur 34. Runde: Der argentinische Mittelfeldregisseur von Innsbruck, Marcelo Carracedo, beendete ein 0:6-Auswärtsdebakel im Tivolistadion mit einem herrlichen Schuss ins Kreuzeck. Diese Niederlage begrub die letzten Hoffnungen des WSC auf das Erreichen des Relegationsplatzes – auch wenn es rechnerisch noch möglich gewesen wäre. Doch um die drei Punkte auf St. Pölten aufholen zu können, hätte man beide Spiele am Schluss gewinnen müssen – schließlich galt damals noch die Zwei-Punkte-Regel. Anständig verabschiedete sich der WSC mit einem Remis in der letzten Runde von der höchsten Spielklasse in Österreich. Am Ende fehlten vier Punkte. Bedenkt man die finanzielle Situation und die nicht bezahlten Gehälter der Spieler, die nebenbei arbeiten gehen mussten, so war das rückblickend doch eine beachtliche Leistung jener WSC-Mannschaft.
Nach dem Abstieg ging der WSC aus finanziellen Gründen eine Spielgemeinschaft mit dem Zweitligisten SV Gerasdorf ein. Inzwischen spielt die „Fußball-Nachfolgeabteilung“ des WSC mit einem „K“ im Namen in der Regionalliga Ost. Sportlich hat man sich längst gefestigt – die Probleme liegen heute im Bereich der Infrastruktur. Fans und Verein kämpfen derzeit um die Sanierung der Friedhofstribüne und den Erhalt der einzigartigen Fußballseele in Dornbach. Um dann vielleicht wieder einmal in die Bundesliga zurückkehren zu können? Das würden dem WSC nicht nur seine Zuschauer auf der Friedhofstribüne wünschen, sondern viele Fußballfans in ganz Österreich – und vor allem die ehemaligen Spieler, die vor 18 Jahren ohne Gehalt bis zuletzt um den Klassenerhalt des WSC in der Bundesliga gekämpft haben.
Matthias Pokorny, abseits.at
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