Nach einer knapp fünfwöchigen Vorbereitung geht die neue Saison für die Wiener Austria bereits am Donnerstag wieder los! Dabei stand diese Phase ganz im Zeichen des Kennenlernens zwischen Neo-Trainer Stephan Helm und seiner Mannschaft. Der Coach musste seinen neuen Schützlingen innerhalb kürzester Zeit seine Spielprinzipien und Ideen vom Fußball vermitteln. Wir werden nun den Versuch wagen, nach den Vorbereitungsspielen erste Erkenntnisse zu ermitteln, um ein besseres Bild davon zu bekommen, wie sich die Violetten in der Spielzeit 2024/25 präsentieren könnten.
Die Uhren wieder auf null gestellt?
Ein jeder Trainerwechsel bringt immer Verwerfungen mit sich und sorgt für neue Dynamiken. Im besten Fall versucht man, diese Verwerfungen so klein wie möglich zu halten, indem man mittels einer übergeordneten Philosophie ein entsprechendes Profil für jede Position erstellt – seien es Spieler, oder auch Trainer – damit man einen gewissen Prozess nicht ständig von vorne beginnen muss. Spätestens seit der Bestellung von Sportdirektor Manuel Ortlechner und des Einstiegs von Jürgen Werner, versuchen die Violetten diese übergeordnete Philosophie vorzugeben und ihr Leben einzuhauchen. Vorbei sind die Zeiten, wo auf einen ballbesitzorientierten Trainer wie Peter Stöger, ein destruktiverer und umschaltorientierter Trainer wie Nenad Bjelica folgte und damit eine exzellente Vorarbeit und eine „Meistermannschaft“ zerstört wurde. Zumindest sind diese Zeiten in der Theorie vorbei. Doch sind sie es auch in der Praxis?
Über die Bestellung von Trainer Stephan Helm waren nicht gerade wenige Beobachter überrascht. Auch wenn es die Verantwortlichen der Austria anders verkauften, um dem neuen Übungsleiter den Rücken zu stärken, ist es offensichtlich, dass es sich nach den Absagen von Gerald Scheiblehner und Rene Maric nicht um die „erste Wahl“ handeln konnte, wie es Sportvorstand Jürgen Werner verlautbarte.. Und da man auch nicht den Mut hatte, FAC-Trainer Mitja Mörec aus der zweiten Liga den Job zu geben, fiel letztlich die Wahl auf Stephan Helm. Dieser profitierte sicherlich auch von der überschaubaren qualitativen Dichte an Trainerkandidaten, ist die Austria doch durch den unglaublichen Trainerverschleiß und den finanziellen Turbulenzen längst nicht mehr so attraktiv, wie sie noch in der Vergangenheit war. Dazu kommt ein im deutschsprachigen Raum gefühlt leergefegter Trainermarkt, der nicht viele interessante Kandidaten zu bieten hatte, da im heutigen Fußballgeschäft kaum ein Trainer länger als zwei Jahre bei einem Verein übersteht.
Also dachten sich die Austria-Verantwortlichen vermutlich, dass man sich keine teuren Abenteuer leisten kann bzw. möchte und stattdessen eine Lösung an Bord holt, die man einerseits kennt, aber die andererseits auch kostengünstig ist und aus finanzieller Sicht wenig Risiko bietet, muss man doch Ex-Trainer Wimmer bis Sommer 2025 weiterbezahlen. Was für Stephan Helm aus Sicht der Austria-Führung spricht ist sicherlich, dass man weiß, was man bekommt.
Stephan Helm stand schon zu seiner Zeit in St. Pölten auf der Liste der Austria und schaffte es in die engere Auswahl der vorherigen Trainersuche, ehe Michael Wimmer den Zuschlag erhielt. Bei St. Pölten performte Stephan Helm im Gespann mit Emanuel Pogatetz solide und kam auf einen Schnitt von 1,64 Punkten pro Spiel, was aber angesichts der hohen Erwartungen und dem Ziel, in die Bundesliga aufzusteigen, letztlich dennoch alles in allem zu wenig war. Daher endete auch nach etwas mehr als zwei Jahren Helms Amtszeit bei St. Pölten und zwar auf recht turbulente Art und Weise. Keine vier Monate später übernahm Helm das Traineramt bei den Young Violets, nachdem Emanuel Pogatetz dem Ruf von Oliver Glasner folgte und zu Crystal Palace in die englische Premiere League wechselte. Ein Glücksfall für Helm, der so unverhofft zu einer Stelle bei den Wienern kam.
Bei den Young Violets versuchte Helm dann die gleiche Philosophie fortzuführen, die ihn schon in St. Pölten kennzeichnete: Dreier/Fünferkette in der Abwehr, aggressives Gegenpressing, hohe Intensität und direktes Spiel nach vorne. Der Erfolg blieb jedoch aus und in der Rückrunde holte man 0,86 Punkte pro Spiel und feierte dabei nur zwei Siege. Allerdings vollzog man im Winter auch einen Umbruch und verjüngte die Mannschaft nochmal spürbar, weshalb auch einige 16-Jährige Talente bereits erste Erfahrungen im Erwachsenfußball sammeln durften und teilweise Stammspieler wurden – ergo die Entwicklung Vorrang gegenüber den Ergebnissen hatte.
Viele Ähnlichkeiten und keine gravierenden Änderungen
Wenn man es aus der Perspektive der Vereinsphilosophie betrachtet, ist die Bestellung von Stephan Helm durchaus konsequent. Die Spielidee deckt sich in vielen Punkten zu jener, die der Verein sehen möchte und auch von seinem Vorgänger Michael Wimmer praktiziert wurde. Das war auch in den ersten Testspielen gleich zu sehen, in der man relativ wenige neue Elemente sah und viele Ähnlichkeiten zum vergangenen Jahr ersichtlich waren. Fokus auf schnelle Balleroberung nach Ballverlust, hohe Abwehrkette, direktes Spiel nach vorne und ein flacher Spielaufbau von hinten heraus über den mitspielenden Torhüter. Für etwas Aufruhr unter den Austria-Fans sorgte die Tatsache, dass man die ersten drei Testspiele ein 4-2-3-1 praktizierte, was für etwas Verwunderung sorgte. Kehrt man etwa der Dreier/Fünferkette den Rücken?
Letztlich waren diese Fragen unbegründet und hatten einen einfachen Hintergrund: Man wollte allen Kaderspielern in den ersten Testspielen die gleiche Anzahl an Spielminuten zum Zwecke der körperlichen Belastung geben und da man durch den Ausfall von Martins und Galvao nur vier fitte Innenverteidiger zur Verfügung hatte, entschied man sich für eben diese Formation. In der Phase der Vorbereitung standen ergo andere Dinge im Vordergrund, nämlich neben dem körperlichen Aspekt vor allem das Verhalten in den jeweiligen Spielphasen, sei es mit oder ohne Ball. Dennoch merkte Stephan Helm an, dass man gleichzeitig auch die Zeit nutzt, die Viererkette einzustudieren, um auch die Möglichkeit zu haben flexibel in der Formation zu sein und bei Bedarf diese umstellen zu können.
Aus dem 4-2-3-1 heraus bringt man definitiv mehr Offensivpower auf das Feld und das könnte speziell gegen destruktive Gegner oder bei Rückständen ein probates Mittel sein. Der Nachteil ist jedoch, dass man durch die hochaufrückenden Außenverteidiger besonders anfällig für Konter ist und die Absicherung wesentlich schlechter funktionierte, als mit der Dreierkette und dies deutlich auf Kosten der defensiven Stabilität ging. Dazu sah der Spielaufbau auch nicht souverän aus und die Violetten hatten vor allem Probleme mit Gegnern, die Manndeckung spielten und die Wiener hoch zustellten. Hier wird auch speziell der Abgang von Torhüter Früchtl spürbar, das sein Ersatz Sahin-Radlinger fußballerisch nicht so stark und zudem allgemein ungeduldiger ist, weshalb wesentlich mehr lange Bälle zu sehen waren.
Daher wird diese Variante wohl aus gutem Grund nur selten zu sehen sein und man spürte, dass sich die Spieler mit der Dreier/Fünferkette deutlich wohlerfühlen. In den abschließenden beiden Testspielen sah das Auftreten der Violetten deutlich runder und ausbalancierter aus, weshalb davon auszugehen ist, dass man auch weiterhin im 3-4-1-2/5-2-3 auflaufen wird.
Fokus auf Standards und mehr Durchschlagskraft im Sturm
Ein weiterer Aspekt war, dass man augenscheinlich einiges an Zeit in Standardsituationen investierte. Verschieden Varianten waren in der Vorbereitung bereits zu sehen und führten auch prompt zum Erfolg, denn man war deutlich gefährlicher nach Eckbällen und Freistößen und erzielte unter anderem gegen Paksi und Porto zwei Tore nach Eckbällen und damit fast so viele wie in der gesamten Vorsaison. Hier kann man sich sicherlich in dieser Saison mehr erwarten und dieses Thema wird nicht mehr stiefmütterlich behandelt. Gerade bei engen Spielen kann dies den Unterschied ausmachen, was vor allem Doublesieger Sturm Graz in der letzten Saison demonstrierte.
Dazu hat man versucht, die Problemzone im Angriff anzugehen und dem Kader hier frisches Blut zu injizieren. Mit Malone und Prelec holte man zwei Stürmer mit einem interessanten Profil und die bereits unter Beweis stellen konnten, dass sie in der Bundesliga Tore erzielen können. Maurice Malone hatte als Leihgabe beim WAC eine tolle Saison und kam auf 20 Scorerpunkte in 29 Spielen, was ihn auf zahlreiche Notizblöcke von namenhaften Vereinen brachte. Er landete letztlich beim FC Basel, was aber aufgrund von Verletzungen und der Turbulenzen innerhalb des Vereins (inklusive vieler Trainerwechsel) ein verlorenes Jahr war. Schafft es Malone zu seiner Form beim WAC zurückzufinden, bekommt die Austria einen Stürmer, mit einem weitläufigen Aktionsradius, der aber auch gerne die Tiefe attackiert und über einen starken linken Fuß verfügt, mit dem er in der Lage ist seine Mitspieler in Szene zu setzen.
Man sah aber auch in den Testspielen, dass er kein klassischer Zielspieler ist. Malone ist eher der Typ „Zuarbeiter“ und ist in der Lage zu kreieren, statt nur der „Vollstrecker“ zu sein und auf die Bälle zu warten. Diese Rolle des „Vollstreckers“ oder „Zielspielers“ soll vermutlich eher Nik Prelec übernehmen. Der Slowene ist in der heimischen Bundesliga mittlerweile ein bekanntes Gesicht und schaffte es in 45 Spielen für die WSG Tirol auf starke 20 Scorerpunkte. Das bescherte ihm einen Transfer nach Italien zu Cagliari Calcio, wo er sich jedoch schwertat. Der Slowene bringt ebenfalls physische Präsenz in das Sturmzentrum und lässt dies seine Gegner spüren, ist in der Lage Bälle abzuschirmen und seine Mitspieler einzusetzen, verfügt aber gleichzeitig auch über eine ordentliche Grundgeschwindigkeit, mit der er die Tiefe attackieren kann. Wenn er die Leerläufe in seinem Spiel minimieren kann, könnten die Violetten einen Goldgriff getätigt haben.
Was mit diesen beiden Neuzugängen offensichtlich ist, dass man die Problemzone identifiziert hat und das Thema Durchschlagskraft in der Offensive eine hohe Priorität genoss. In der Offensive konnte man sich definitiv qualitativ steigern, auch wenn der Abgang von Fisnik Asllani schmerzt. Dazu holte man mit Abubakr Barry einen interessanten Neuzugang für das zentrale Mittelfeld, der sich zu einer positiven Überraschung entwickeln könnte. In der Vorbereitung überzeugte der Mann aus Gambia mit einem guten Passspiel, Ruhe am Ball und mit seinen fußballerischen Fähigkeiten. Etwas überraschend setzt ihn Trainer Helm bislang eher als „Sechser“ bzw. in einer tieferen Rolle ein, was aber wohl nicht sein idealer Geltungsbereich ist.
Barry ist als klassischer „Box-to Box“ Spieler im Zentrum zu bezeichnen, dessen größte Stärke wohl seine Torgefährlichkeit und Präsenz in der gegnerischen Hälfte ist. Bei Bnei Yehuda erzielte er nicht umsonst neun Saisontreffer, da er immer wieder mit gutem Timing aus der Etappe in die Spitze stieß und mit seiner Durchschlagskraft zu überzeugen wusste. Aufholbedarf hat Barry noch in seiner Zweikampfführung, die etwas tollpatschig wirken kann und ihm viele gelbe Karten bescherte und seinem ersten Kontakt, der bisweilen schlampig ist. Richtig einschätzen wird man ihn aber erst nach den ersten Ligapartien können, wenn das Tempo und die Intensität zunehmen und die Räume enger werden. Wenn er Raum und Zeit hat, ist er in der Lage das Spiel an sich zu reißen und überzeugte gegen den FC Porto mit einigen tollen Spielverlagerungen. Jedoch spielten die Portugiesen speziell gegen den Ball mit geringer Intensität, weshalb man hier mit Einschätzungen vorsichtig sein muss.
Es gibt zudem einen Spieler, der zwar kein Neuzugang ist, aber eine bärenstarke Vorbereitung hinlegte. Hakim Guenouche scheint endlich in Wien angekommen zu sein und dürfte bereit für den nächsten Schritt in seiner Entwicklung sein. Nach anfänglichen Problemen, zeigte der Franzose zum Ende der Saison hin bereits mit starken Leistungen auf und konnte die Bayern-Leihgabe Krätzig aus der Startelf verdrängen. In der Vorbereitung knüpfte der Flügelverteidiger daran nahtlos an, präsentierte sich im Offensivspiel kreativ und spielfreudig, aber erfüllt gleichzeitig auch seine Hausaufgaben in der Defensive. Wenn Guenouche mit dieser Intensität in die Saison geht und es schafft, konstant sein Leistungsvermögen abzurufen, könnte er in der österreichischen Bundesliga zu den besten auf seiner Position gehören.
Ausblick
Was kann man sich letztlich von der Austria in dieser Saison erwarten? Das wird kaum jemand im Vorfeld seriös beurteilen können und hängt schlicht von zu vielen Faktoren ab. Die größte Frage wird sicherlich sein, ob Trainer Stephan Helm bereit für diese große Aufgabe ist und eine Mannschaft formen kann, die in der Lage ist erfolgreichen Fußball zu spielen. Sein Vorgänger Michael Wimmer hinterließ ihm eine intakte Mannschaft mit entwickelten Automatismen, die über einen längeren Zeitraum funktionierten. Gelingt es diese zu erhalten, hat man zumindest ein Grundniveau, was zum Erreichen der Meistergruppe reichen könnte. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage nach der Kaderbreite der Austria. Man hat das Gefühl, dass die erste „Elf“ in der Lage ist mitzuhalten, jedoch das qualitative Gefälle ab Position 15 doch recht gravierend ausfällt.
Das liegt auch daran, dass diese Rollen viele junge Spieler einnehmen, die zwar großes Potenzial haben, wo jedoch bisweilen noch die Konstanz ein Thema ist. Diese Kaderbreite wird gleich zu Beginn der Saison getestet werden und vor allem für den Fall, dass man länger im internationalen Bewerb verweilt. Einen gravierenden Ausfall hat man ja bereits zu verzeichnen, fällt mit Johannes Handl der wohl nach Dominik Fitz beste Spieler der Violetten für den restlichen Sommer aus. Hier ist man noch auf der Suche nach dem idealen Ersatz, da sowohl Potzmann, als auch Martins auf der Position Probleme haben. Auch im zentralen Mittelfeld ist man noch dünn besetzt und nur eine Verletzung davon entfernt, ein großes Problem zu bekommen.
Blickt man dazu auf die ligainterne Konkurrenz, wird die Aussicht nicht gerade rosiger. Salzburg und Sturm erscheinen Lichtjahre entfernt zu sein, aber selbst der LASK und Rapid haben starke Transfersommer hinter sich und sich qualitativ erheblich verstärkt. Will man diesen Unterschied wettmachen, wird dies nur über kollektive Stärke gehen und eine perfekt eingestellte Mannschaft, die konstant ihre Leistung auf den Platz bringt und für jeden Gegner unangenehm zu bespielen ist. Der Saisonstart wird es zeigen, wie weit man in der Entwicklung ist und ob es dem Trainerteam gelang, der Mannschaft das richtige Rüstzeug auf das Spielfeld mitzugeben.
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