Barisic vs. Vorgänger: Ein Punkteschnitt, der Fragen aufwirft
Bundesliga 2.Oktober.2023 Daniel Mandl
Rapid ist nun wohl endgültig im Mittelmaß angekommen. Und offenbar fühlt man sich dort auch wohl, andernfalls wäre man um echte Veränderungen im sportlichen Bereich bemüht. Ein „Punktevergleich“ der letzten Jahre zeigt, wie schlimm es um die Grün-Weißen steht.
Vier Siege in den letzten 20 Bundesligaspielen
Von den letzten 20 Bundesligaspielen hat Rapid vier gewonnen. In dieser Zeit betrug der Punkteschnitt der Hütteldorfer gerade mal 0,95.
Der Punkteschnitt in der laufenden Saison beträgt 1,22. Zieht man die laufende Saison und das „Meisterplayoff“ in der vergangenen Saison 2022/23 heran, so beläuft sich der Schnitt auf 1,05.
Nach dem 0:0 im Derby steht Rapid-Trainer Zoran Barisic gegen die „großen Vier“ – Salzburg, Sturm, LASK und die Austria – nach 15 Partien bei 12 Punkten und damit bei einem Punkteschnitt von 0,80.
Barisic’ kompletter Punkteschnitt in seiner zweiten Amtszeit beträgt nach 40 Pflichtspielen 1,53. Sieben seiner insgesamt 17 Siege gelangen ihm in den ersten zehn Spielen. Seitdem gewann Rapid in 30 Pflichtspielen nur zehnmal. Barisic’ Punktschnitt in der Liga beträgt 1,30.
Wie ist dies aber im Vergleich zu vorherigen Rapid-Trainern und Saisonen in Relation zu setzen?
Kühbauers verhältnismäßig starke Statistiken
Von den Rapid-Trainern der letzten 5 ½ Jahre bzw. seit dem Rauswurf des enorm erfolglosen Damir Canadi (Liga-Schnitt 0,79 in 14 Bundesligaspielen), hat Barisic mittlerweile den niedrigsten Schnitt.
Didi Kühbauer kam in 101 Bundesligaspielen auf einen Schnitt von 1,68 und spielte mit Rapid in drei europäischen Gruppenphasen. Er war damit auf dem Papier erfolgreichste Rapid-Trainer seit Barisic’ erster Amtszeit, die von 2013 bis 2016 dauerte. Kühbauer gewann in der Liga immerhin 48,5% seiner Spiele.
Auch sein Schnitt gegen die „großen Vier“ war von den letzten sechs Rapid-Trainern der beste. Rapid holte in 37 Duellen 49 Punkte und damit einen Punkteschnitt von 1,32.
Seine letzte Partie als Rapid-Trainer war ein 1:4 in Wolfsberg am 7. November 2021. Bis zu dieser 14. Runde der Saison 2021/22 holte Kühbauer 16 Punkte und damit einen Schnitt von 1,14 – also etwas weniger als Rapid in der laufenden Saison hat und etwas mehr, als man in der laufenden Saison plus Meisterplayoff 2022/23 hat.
Unterschätzter und ungeliebter Djuricin
Eine relativ ähnliche Statistik hatte sein Vorgänger Goran Djuricin, der in 53 Bundesligaspielen auf 86 Punkte und damit einen Schnitt von 1,62 kam. Sein Schnitt gegen die Top-Teams kam nach 23 Duellen auf 1,17 und wie bei Kühbauer drei Jahre später, war es ein schwacher Saisonauftakt, der seine Zeit als Rapid-Coach besiegelte. Damals holte Djuricin in den ersten neun Runden nur neun Punkte und hielt damit bei einem Schnitt von 1,00. Rapid lag nach diesen neun Runden, so wie heute, auf Rang 8 der Bundesliga.
Bei keinem anderen Trainer der jüngeren Vergangenheit gingen die Rapid-Fans so auf die Barrikaden, wie bei Djuricin. Der Coach hatte keinerlei Lobby, wurde vom damaligen Sportchef Fredy Bickel geschützt, hätte das Ruder wohl nie in Richtung „Publikumsliebling“ umschlagen lassen können – auch wegen seines Umgangs mit Fanliebling Steffen Hofmann zum Ende seiner Karriere.
Feldhofer praktisch genau auf Barisic-Level
Als Ferdinand Feldhofer im Oktober 2022 nach einem 0:1 in Ried gefeuert wurde, war Rapid Siebter. In seinen elf Spielen in der Saison 2022/23 kam er auf einen Schnitt von 1,27 und damit besser als Barisic in der laufenden Saison und nur um 0,03 Punkte schlechter als in der gesamten zweiten Amtszeit Barisic’.
Der exakte Vergleichszeitraum, also die letzten elf Bundesligaspiele von Ferdinand Feldhofer und die letzten elf Spiele von Zoran Barisic in der Bundesliga (neun in der laufenden, zwei in der vergangenen Saison) endet Unentschieden: Der Schnitt beider Trainer betrug 1,27 – in elf Partien holten beide exakt 14 Punkte.
Insgesamt kam Feldhofer auf einen Punkteschnitt von 1,31 und liegt damit knapp vor Barisic. Der Vorgänger konnte immerhin 34,6% seiner Spiele gewinnen, während Barisic nur auf 33,3% kommt. Einzig beim Schnitt gegen die großen Teams fällt Feldhofer mit einem Schnitt von 0,46 aus 13 Spielen deutlich ab. Hinzu kam das blamable Ausscheiden gegen den FC Vaduz aus dem UEFA Europa Conference League Playoff knapp zwei Monate vor seinem Ende als Rapid-Coach, das auch in der gefühlten Wahrnehmung vieles zu seinen Ungunsten veränderte.
Ein Punktschnitt fürs „untere Playoff“
Die beiden Spiele gegen Gurten und die Austria waren – nach einigen anderen schwachen bzw. zumindest erfolglosen Spielen – sportliche Bankrotterklärungen. Im bald endenden Kalenderjahr 2023 gewann Rapid nur sieben Bundesligaspiele. Der Punkteschnitt in der Liga in diesem Kalenderjahr beträgt 1,16.
Trainer | Gesamtschnitt (BL) | Schnitt gegen „große 4“ | Schnitt „gegen Ende“ |
Goran Djuricin | 1,62 | 1,17 | 1,00 (9 Spiele 18/19) |
Didi Kühbauer | 1,68 | 1,32 | 1,14 (14 Spiele 21/22) |
Ferdinand Feldhofer | 1,31 | 0,46 | 1,27 (11 Spiele 22/23) |
Zoran Barisic | 1,30 | 0,80 | 1,05 (23/24 + OPO 22/23) |
Wir zogen für diese Statistiken natürlich nur die Bundesligaspiele heran und blendeten Cup und Europacup aus. Wir stützen uns hier also auf das „tägliche Brot“. Zugleich muss konstatiert werden, dass jeder der verglichenen Trainer in Europa seine kleinen „Sternstunden“ feiern konnte – Barisic gegen die Fiorentina, Feldhofer in Genk, Kühbauer gegen Sparta Prag, Rangers und Spartak Moskau, Djuricin ebenfalls gegen Spartak Moskau. Dass alle Trainer auch sehr schwache bis blamable Europacup-Auftritte dabei hatten, lassen wir hier außen vor.
Die Spaltenbezeichnung „Schnitt gegen Ende“ trifft hier natürlich nur auf die bereits entlassenen Rapid-Trainer zu. Aktuell scheint es bei Rapid schließlich keine Bestrebungen zu geben, etwas auf dem Trainersektor zu verändern.
Dennoch scheint Barisic sakrosankt…
Die Frage, die sich stellt, ist allerdings: Wieso eigentlich nicht? Die Statistiken und der effektive Erfolg im Trainervergleich zeigt recht deutlich, dass Rapid seit Jahren eher schlechter, als besser wird. Mit einem Punkteschnitt, wie ihn Barisic in der laufenden Saison und im Meisterplayoff der vergangenen Saison holte, wären andere Trainer hochkant hinausgeflogen. Vom internationalen Vergleich mit Klubs mit ähnlichen Ansprüchen wie Rapid sie hat, ganz zu schweigen.
Der miserable Kader, den der jetzige Trainer in der Ära Feldhofer zusammenstellte, wurde ihm nie als Fehler angekreidet und stillheimlich „verziehen“ – im Grunde sogar mit der „Degradierung“ vom Sportvorstand zum Trainer „belohnt“.
Präsident unsichtbar, Lobby schweigend
Rapids Führungsetage schweigt zu den Entwicklungen. Kontinuität wird als Schlüssel zum Erfolg verkauft, der sich aber bis auf einzelne Ausreißer und gute Partien nicht einstellt. Wrabetz ist zudem als Rapid-Präsident ähnlich unsichtbar, wie Bruckner vor ihm. Oder liegt die Sicherheit, die Barisic bei Rapid genießt, doch einfach an der Lobby, die er im Gegensatz zu Trainern wie Djuricin oder Feldhofer im Klub hat?
Wie dem auch sei: Alleine das Stillschweigen zur Gesamtsituation und den vielen, aufgrund von mangelnder Struktur und Konzept abgeschenkten Spielen zeigt, dass Rapid weit davon entfernt ist, „systematisch“ die oberen Tabellenregionen anzugreifen. Stattdessen köchelt man weiterhin im eigenen Sud und redet sich jeden Rückschlag auf die einfachstmögliche Art und Weise schön. Nach Einzelspielen sowieso, aber auch das „Big Picture“ wird praktisch nie in Frage gestellt – obwohl das Scheitern statistisch im Grunde sehr einfach belegbar ist. Selbstreflexion und Reflexion sind auch 2023 Fremdwörter in Wien-Hütteldorf…
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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