Man würde „die Situation analysieren“ hieß es nach dem gestrigen 0:1 der Wiener Austria zu Hause gegen die SV Ried. Sofern Franz Wohlfahrt damit... Baumgartner gefeuert! Vom Scheitern eines Trainers am fehlenden Konzept seines Vereins

FK Austria Wien - Wappen mit FarbenMan würde „die Situation analysieren“ hieß es nach dem gestrigen 0:1 der Wiener Austria zu Hause gegen die SV Ried. Sofern Franz Wohlfahrt damit die kurz- bis mittelfristige Lage in Wien-Favoriten meint, gab es in Wahrheit nicht sonderlich viel zu analysieren. Das Problem der Austria im letzten Jahr war sicher nicht die Person Gerald Baumgartner, sondern – nach wie vor – die langfristige Vision und Philosophie.

Das 0:1 gegen die SV Ried war nicht die erste sportliche Bankrotterklärung der Austria in der laufenden Saison. Ried war die bessere Mannschaft, schoss öfter aufs Tor, verzeichnete mehr Torversuche, hatte mehr Eckbälle als die Austria (11:9). Die Austria wusste mit dem engmaschigen Rieder 3-5-1-1-System nichts anzufangen, blieb uninspiriert. Mit Fortdauer des Spiels ließen auch der Einsatz und der unbedingte Siegeswille bei den Veilchen nach. Die Mannschaft wurde verkrampfter und das verdiente 0:1 durch Denis Thomalla war die logische Folge.

Einen zu feuern, ist immer leichter: Baumgartner entlassen

In der Schusslinie befanden sich nun gleichermaßen Trainer Gerald Baumgartner, sowie die Spieler des Meisters von 2013. Da es leichter ist, einen einzelnen Akteur zu entlassen, erwischte es nun den gebürtigen Salzburger – Gerald Baumgartner ist nicht mehr Trainer der Austria. Die Kluft zwischen dem in der Theorie guten Trainer und der Öffentlichkeit bzw. der Mannschaft war bereits zu groß, die Wogen waren praktisch nicht mehr zu glätten. Es fehlte die Leichtigkeit, das Selbstvertrauen und auch die gesunde Portion Schmäh, die Austrias letzter Meister-Trainer Peter Stöger in diese Mannschaft brachte.

Fehler in der winterlichen Kaderplanung

Sich zu 100% auf Baumgartner und dessen offensichtlichem Scheitern aufzuhängen, wäre jedoch falsch. Wie immer fängt der Fisch am Kopf zu stinken an. Es gibt zahlreiche Verfehlungen in Violett-Weiß, exemplarisch soll hier jedoch die Kaderplanung stehen. Im Winter verschlechterte sich die personelle Situation trotz des Damari-Geldregens deutlich. Nachdem der israelische Top-Stürmer nach Leipzig abwanderte und die Austria dies zum Anlass nahm, um die gesamte Offensive einem Lifting zu unterziehen, erhoffte sich der geneigte Austria-Fan entsprechende Ersatzleute oder sogar Upgrades für Damari, Kienast und Kamara.

Trotz Geldregens: Klar schwächer als vorher

Das Gegenteil war der Fall. Die Austria verpflichtete den zahnlosen Philipp Zulechner, den dauerverletzten Ronivaldo, der weiterhin auf sein Debüt wartet und schanzte dem hölzern wirkenden Marko Kvasina mehr Spiele und somit mehr Verantwortung zu. Man muss nicht lange herumanalysieren um festzustellen, dass die Mannschaft, die Gerald Baumgartner gegen die SV Ried aufs Feld schickte, einer Austria nicht würdig war. Dies gilt auch für die mehr als nur dünn besetzte Ersatzbank, auch wenn die Austria einige schmerzende Ausfälle zu verkraften hatte. Hier ist die Rede von einem Verein, der in der Vorsaison noch Champions League spielte, vor knapp zwei Jahren Meister wurde und finanziell durch Erfolge und Transfers gut dasteht.

Kein sportliches Detailkonzept

Die Bestellung von Franz Wohlfahrt als Sportdirektor – anstelle des „Vorstand Sport“ Thomas Parits – war der nächste unüberlegte bzw. nicht gerade zukunftsorientierte Schritt der Austria-Verantwortlichen. Wohlfahrts Kernkompetenz sollte als Sportdirektor in einer klaren Philosophie- und Konzeptfindung, sowie in der damit einhergehenden Steuerung der Transferpolitik liegen. Es scheitert jedoch schon am Konzept. Es reicht nicht, den Wunsch nach ballbesitzorientiertem Spiel zu verlautbaren. Die Austria braucht ein sportliches Detailkonzept, das sich vom Nachwuchs bis in den Profibereich zieht und klare Etappenziele auf lange Sicht verfolgt. Das „Konzept“, das die Austria derzeit verfolgt, stellt kein Alleinstellungsmerkmal dar und unterscheidet den Traditionsverein in keiner Weise von gerne belächelten Provinzklubs.

Nach „Reformer“ Stöger ging es bergab

Bei der Austria weiß man zwar, dass man Erfolg haben möchte – aber mit welchen Mitteln genau, weiß man nicht. Es wirkt wie ein Dahinarbeiten, in dem man sich von kurzfristigen Erfolgen blenden lässt und die Situation entspannter betrachtet, als man es eigentlich sollte. Trotz eines schönen Meistertitels und einer Champions-League-Teilnahme ist die Austria konzeptionell betrachtet noch nicht im 21.Jahrhundert angekommen. Peter Stöger hatte das Potenzial um geordnete Strukturen und Ideen im Austria-Kosmos zu verankern und dem Verein ein klares, markantes Gesicht zu geben. Sein Abgang nach Köln legte aber nicht nur diese einmalige Möglichkeit auf Eis, sondern war zugleich der Schlusspunkt des Stöger’schen Konzepts, das ab hier nicht mehr praktiziert oder weiterentwickelt wurde. Es kamen neue Trainer und jeder von ihnen führte die Mannschaft so, wie er sich selbst vorstellte – was wiederum extreme Auswirkungen auf die Transferpolitik hatte.

Trainer müssen sich der Austria beugen, nicht umgekehrt

Eine klare Idee, wofür die Austria stehen und welches sportliche Konzept sie verfolgen soll, muss aber jeder Trainerbestellung zu Grunde liegen. Nicht der Trainer sollte zu entscheiden haben, wie die Austria funktionieren muss. Der Trainer sollte einen vom Sportdirektor verfassten Philosophie-Leitfaden verfolgen, der dem großen Ganzen dient und dem Verein Austria Wien ein unverkennbares Gesicht gibt, das sich nicht nach jedem Trainerwechsel einer Operation unterziehen muss.

Selber Ablauf wie letztes Jahr?

Gerald Baumgartner konnte mit der Austria im Grunde nicht erfolgreich sein. Er ist kein kompletter Trainer und ihm stand keine komplette, gefestigte Mannschaft zur Verfügung. Vor allem aber fehlt das Konzept, das als Grundlage langfristigen Arbeitens dienen sollte. Nach Baumgartners Entlassung wird nun dasselbe passieren wie letztes Jahr. Ein Interimstrainer kann die Mannschaft für kurze Zeit beleben: Hier ist ein emotionaler Motivator gefragt. Das Projekt Europacup ist – zumindest über die Liga – ohnehin ein Hauruck-Unternehmen, das eher schnaufende und bis zum letzten Schweißtropfen kämpfende Kicker erfordert, als ein Konzept, das kurzfristig greifen muss (und das es im Profifußball ohnehin nicht gibt). Im Sommer kommt dann ein neuer Chef, der sich ebenfalls den schwammigen Vorstellungen der sportlichen Verantwortlichen beugen muss und – so er nicht selbst ein Revoluzzer und Gestalter wie einst Peter Stöger ist – wohl oder übel daran scheitern wird.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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