Gestern warfen wir einen Blick auf die Ausgangslage vor der schwierigen Transferzeit für den SK Rapid Wien und beleuchteten die Positionen des Torhüters und der Abwehrspieler genauer. Heute widmen wir uns den bevorstehenden Veränderungen in Mittelfeld und Angriff.
Im zentral-defensiven Mittelfeld wird im Sommer kräftig aufgeräumt. Wenn selbst Urgestein Stefan Kulovits keinen Vertrag mehr bekommt, sagt dies schon einiges über den Umbruchwillen in Wien-Hütteldorf, aber auch über die mangelnde Finanzkraft aus. Neben Kulovits werden auch Heikkinen und der seit längerer Zeit auf dem Abstellgleis befindliche Thomas Prager Rapid verlassen. Der Verein trennt sich also von drei Sechsern/Achtern.
Aktuell kaum Defensives im defensiven Mittelfeld
Somit bleiben vorerst nur zwei zentrale Mittelfeldspieler für den defensiven bzw. Box-to-Box-Bereich übrig. Der 19-jährige Dominik Wydra und der Montenegriner Branko Boskovic, der in einem Monat seinen 33. Geburtstag feiert. Wydra ist ein Box-to-Box-Spieler mit Problemen in der Defensivdynamik, Boskovic wurde im Laufe seiner Karriere defensiver und verfügt über hohe Spielintelligenz, denkt jedoch auch eher offensiv. Somit braucht Rapid dringend einen kampfstarken, passsicheren Abräumer. Einen Typen wie Markus Heikkinen, als dieser 2007 zu Rapid wechselte.
EIN neuer Sechser wäre riskant
Die österreichischen Namen, die man in diesem Zusammenhang immer wieder hörte waren Hadzic und Weber. Jedoch können diese Spieler nicht der Weisheit letzter Schluss auf dieser Position sein, wodurch die Verpflichtung eines Legionärs sehr wahrscheinlich ist. Dennoch hätte man mit der Verpflichtung eines defensiven Mittelfeldspielers erst drei Spieler für zwei Positionen, was wieder ein Risiko in sich birgt. Würde sich ausgerechnet der defensivste der Mittelfeldspieler verletzen, stünde man ohne echten Sechser da und müsste etwa Innenverteidiger Pichler wieder zweckentfremden, was wiederum zu Problemen in der Innenverteidigung führen würde.
Mehr Dichte im zentralen Mittelfeld
Auch die im Raum stehende Rückholaktion von Leihspieler Konstantin Kerschbaumer, der zuletzt an St.Pölten verliehen war, würde daran nichts ändern. Auch Kerschbaumer ist ein „Achter“, spielte in St.Pölten einen starken Herbst, dann aber ein schwaches Frühjahr. Der 20-Jährige wäre trotz seines großen Talents eine Notlösung bzw. die Nummer Drei auf der Achter-Position hinter Wydra und Boskovic. Da Rapid mit Steffen Hofmann nur einen Spieler in seinen Reihen hat, der definitiv als Zehner auflaufen würde und der aktuell verletzte Deni Alar diese Freigeist Rolle in Hofmanns Abwesenheit übernimmt, muss das Hauptaugenmerk im Mittelfeld auf Kaderdichte auf der zentral-defensiven Position liegen.
Drei Abgänge, aber wohl nur zwei „Neue“
Drei defensive Mittelfeldspieler werden Rapid verlassen. Einer wird verpflichtet werden, einer hochgezogen oder zurückgeholt. Da aber die Innenverteidigung zumindest nicht aufgestockt wird, läuft Rapid Gefahr in einer langen Saison Probleme im Mittelfeld zu bekommen. Normalerweise müsste Rapid die drei Abgänge im defensiven Mittelfeld mit drei Neuzugängen kompensieren, wobei einer ein typischer Sechser sein sollte, einer ein Box-to-Box-Spieler mit defensiven Qualitäten und ein Junger. Auch hier gilt: Dies wird das Budget nicht zulassen und man muss sich darauf verlassen, dass die eine tatsächliche Neuverpflichtung für die Sechser-Position sticht. Aus dem Nachwuchs kommen nur wenige Spieler für das defensive Mittelfeld nach: Osarenren Okungbowa (19) und David Drimer (20) sind noch nicht reif für die Bundesliga, Hakki Yilmaz (18) zeigt gute Ansätze, wäre aber auch nur eine Ergänzung. Von Kristijan Dobras, der zuletzt erfolglos an Grödig verliehen war, trennt man sich.
Außenposition fertig besetzt, Spieler müssen sich stabilisieren
Die einzigen Positionen, auf denen sich Rapid keine bzw. kaum Sorgen machen muss, sind die Flügel, die beinahe überbesetzt sind. Für zwei Positionen verfügt man mit Sabitzer, Grozurek und Burgstaller drei tatsächliche Flügelspieler – zudem können Alar, Schaub, der aktuell als Rechtsverteidiger eingesetzte Trimmel und sogar der junge Starkl an den Flügeln spielen. Egal was 2013/14 passiert: Dass Rapid die Flügel in der neuen Saison nicht besetzen kann, ist fast schon ein Ding der Unmöglichkeit. Hier müssen sich vor allem die Spieler selbst in der kommenden Saison an der Nase nehmen: Speziell Burgstaller muss sich merklich stabilisieren und auch Trimmel muss nach seinem schwachen Frühjahr wieder solider werden. Alar wird für längere Zeit ausfallen, mit Sabitzer plant Zoran Barisic womöglich sogar fix im Angriff. Sabitzer ist der Rapid-Spieler, der im Frühling den größten Sprung nach vorne machte.
Schaub und Starkl „stressfrei gefragt“, Grozurek braucht größeren Schritt
Einen Sprung nach vorne machen sollten auch Schaub und Starkl. Die beiden jüngsten Offensivspieler im Rapid-Kader müssen sich jedoch nicht selbst stressen und können die neue Saison in Ruhe begehen. Einerseits werden sie mehr Einsatzminuten als 2012/13 bekommen, andererseits auch mehr Verantwortung. Die kommende Saison wird für Schaub und Starkl die wichtigste in ihrer bisherigen Karriere. Anders sieht es bei Lukas Grozurek aus. Der 21-Jährige spielte in seiner zweiten Kampfmannschaftssaison mit Ausnahme einer guten Phase zu Saisonbeginn schwach. Der Linksaußen muss im Gegensatz zu seinen jüngeren Kollegen Schaub und Starkl einen riesigen Schritt nach vorne machen und endlich sein körperloses Spiel abstellen, so er eine Zukunft bei Rapid oder einem größeren Klub haben will.
Boyd trotz zahlreichen Toren noch keine Stütze
Die Verletzung von Deni Alar riss ein neues Loch ins Kadergefüge Rapids: Terrence Boyd und Dominik Starkl sind nun die einzigen echten Angreifer in Grün-Weiß. Boyd ist auf ein starkes Mittelfeld angewiesen, das ihm nicht nur die Bälle serviert, sondern auch seine technischen Fehler bestmöglich ausbessert. Die Stärken des US-Amerikaners liegen klar im Abschluss und im körperlichen Mann-gegen-Mann-Spiel in der direkten Gefahrenzone – weniger in der Etappe. Zwar erzielte der 22-Jährige in seiner ersten Saison für Rapid 16 Pflichtspieltore, von einer richtig guten Saison war er jedoch weit entfernt. Auch Boyd muss 2013/14 einen Schritt nach vorne machen, wobei der Abgang seines besten Freundes im Team, Gerson, vielleicht sogar förderlich sein kann.
Eher ein flinker Techniker als ein Nuhiu-artiger Brecher
Alar ist verletzt und Starkl wird wohl behutsam aufgebaut – nun fehlt also auch an vorderster Front ein Kadermosaik. Was einen neuen Rapid-Angreifer auszeichnen sollte, hängt stark von der Philosophie des Trainers ab. Vertraut er auf Boyd als Einserstürmer, so wäre ein Brecher wohl die beste Lösung. Dieser würde zwar nicht zu Boyd passen, wäre aber ein wertvoller Einwechselspieler in brenzligen Situationen und könnte in einem eventuellen Zweiersturm (ebenso wie Boyd) auch zu Sabitzer, Starkl oder später Alar passen. Würde die Spielanlage stärker an ein klassisches 4-3-3 rücken, so wäre das aktuelle Spielermaterial Rapids besser dafür geeignet mit schnellem Umschaltspiel zum Erfolg zu kommen. Rapid verfügt nicht über die Fußballer bzw. über die Art von Flügelspielern, die einen Gegner einschnüren können. Somit ist defensive Kompaktheit – aber auf einer hohen Feldposition – und direktes, dynamisches Umschaltspiel bei Ballgewinn das, was Rapid momentan am Besten praktizieren könnte. Somit wäre eher ein technisch guter, ballsicherer und schneller Angreifer wünschenswert. Das Kraftpaket ist mit Terrence Boyd ohnehin schon da.
Problem Österreichertopf
Nun ist die Position eines zusätzlichen Stürmers keine, über die in den Medien bisher auch nur irgendwie gemunkelt wurde. Und tatsächlich müsste man hier wohl auf eine österreichische Lösung zurückgreifen. Wären der neue Innenverteidiger und der neue defensive Mittelfeldspieler Legionäre, würde man nach Hofmann, Boskovic, Novota und Boyd bei sechs ausländischen Spielern stehen. Mit dem vierten Innenverteidiger Brian Behrendt hätte man sogar einen siebenten Legionär, der jedoch im Notfall außen vor gelassen werden kann. Wäre ein eventueller neuer Stürmer also ein Legionär, dann wäre dieser der „Entweder-Oder-Stürmer“ zu Terrence Boyd, so Barisic auf all seine Spieler zurückgreifen kann. In den letzten Jahren sträubte man sich bei Rapid gegen zu viele Legionäre, die ein „Luxusproblem“ mit den Ausländerplätzen verursachen könnten. Doch der aktuelle Amateurjahrgang ist nicht überragend, der österreichische Markt gibt nicht viel her und das liebe Geld ist ohnehin Rapids größtes Problem. Somit gibt es in Rapids Angriff zwei mögliche Szenarien: Entweder es kommt kein neuer Stürmer und man besetzt die Position intern (Sabitzer) nach, oder es kommt ein neuer Stürmer, der einen siebenten Legionärsplatz (unter Berücksichtigung Behrendts einen achten) einnehmen wird. Eine ablösefreie österreichische Lösung, die auch Sinn macht und nicht nur für die Öffentlichkeit gekauft wird, gibt es nicht.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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