Rapid präsentierte sich beim 2:2 in Wolfsberg mit zwei Gesichtern. In der ersten Halbzeit überzeugte die Barisic-Elf mit weitgehend schnörkellosem Spiel, gutem Pressing und... Bitter, aber lehrreich: Rapid holt trotz starker erster Halbzeit nur ein 2:2 beim Wolfsberger AC

Zoran Barisic (SK Rapid Wien)Rapid präsentierte sich beim 2:2 in Wolfsberg mit zwei Gesichtern. In der ersten Halbzeit überzeugte die Barisic-Elf mit weitgehend schnörkellosem Spiel, gutem Pressing und vor allem Toren. In der zweiten Halbzeit stellte man das Fußballspielen ein und verlor sich in Nervosität. Wir analysieren, wieso Rapid am Ende nicht den ersten Auftakt-Auswärtssieg seit 2004 landen konnte.

Tiefe Außenverteidiger, offensiv ausgerichtetes Mittelfeld

Zoran Barisic stellte seine Mannschaft enorm offensiv ein: Mit Wydra, Boskovic und Hofmann spielten praktisch drei Achter, der etatmäßige „Zehner“ (im System Rapids ein aktuell sehr relativer Begriff!) Louis Schaub rückte weiter nach vorne, bildete mit Burgstaller und Sabitzer die fluide Dreierreihe im Angriff. Dafür nahmen sich die Außenverteidiger Trimmel und Schrammel zurück, spielten auf einer eher tiefen Grundposition.

Probleme im Wolfsberger Spielaufbau

Wolfsberg-Coach Slobodan Grubor stellte dem eine eher unausgewogene Mannschaft entgegen. Der Spielaufbau über die Außenverteidiger Baldauf und Dunst verlief in der ersten Halbzeit bis auf die ersten zehn Minuten schleppend, auch die Innenverteidiger Sollbauer und Jovanovic spielten zu viel quer. Sechser Danijel Micic wurde in der ersten Halbzeit durch das Nachrücken Rapids im Spielaufbau aus dem Spiel genommen, Liendl und De Paula gewannen zwar ihre effektiven Zweikämpfe, kamen aber im Aufbauspiel nicht gut entgegen.

Feldüberlegenheit ohne zwingende Chancen

In der ersten Viertelstunde wirkte Rapid verhalten, hatte phasenweise Glück nicht in Rückstand zu geraten, bestimmte bis zum gegnerischen Strafraum dennoch das Spiel. Wie so oft präsentierte sich aber speziell das Flügelspiel Rapids nicht direkt genug. Das Offensivspiel wurde zu stark in die Mitte verlagert, wodurch Rapid wie schon gegen den LASK gut abgewehrt werden konnte. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase kam jedoch der Umschwung: Rapid änderte grundsätzlich nicht an seiner Spielweise (die z.B. auch schon gegen den LASK praktiziert wurde), dafür aber eine äußerst wichtige Facette im Offensivspiel: Man wurde mutiger!

Mehr Sicherheit durch Routiniers, Schaub als Beispiel an Mut

Das Spiel der Hütteldorfer ist bereits seit über einem Jahr von fehlender Initiative und Vorsicht in entscheidenden Situationen geprägt. Die letzte halbe Stunde der ersten Halbzeit war dann aber einer der besten Auftritte, die man seit langem von Rapid sah. Die Routiniers Hofmann und Boskovic beherrschten das Mittelfeld, bewiesen in einfachen, aber wichtigen Situationen gutes Auge. Wydra schob praktisch zwischen den beiden mit und wurde stark entlastet, weil immer wieder gut angespielt. Die Ballsicherheit der drei zentralen Mittelfeldspieler ermöglichte Kurzpassstafetten, die den Wolfsbergern zu schnell gingen. Überzeugen konnte zudem speziell der 18-jährige Louis Schaub, der sich immer wieder in Tempodribblings traute, starke Pässe spielte und schließlich mit seinem dritten Bundesligator belohnt wurde.

Gelungenes Rapid-Pressing vermied zahlreiche Zweikämpfe

Auch defensiv wusste Rapid nach zehn schwächeren Minuten zu überzeugen. Die Hütteldorfer gewannen in der ersten Halbzeit nur 40% ihrer Zweikämpfe, was jedoch daran lag, dass man in viele nicht mal gehen musste. Das Pressing Rapids funktionierte mannschaftlich geschlossen gut: Die offensive Dreierreihe attackierte den Ballführenden bzw. stellte unmittelbare Passwege zu, Steffen Hofmann rückte als „Manndeckung für den Sechser“ nach und dahinter ergab sich im Wolfsberger Mittelfeld ein Loch, in dem Boskovic und Wydra verirrte Bälle absammelten. Somit machten die Kärntner große Fehler im Spielaufbau. Kam der Ball doch bis ins zentral-offensive Mittelfeld spielte der WAC zu hektisch, machte neuerlich Fehler. Dies war kein Zufall, sondern der guten Raumdeckung Rapids geschuldet. Dahinter wusste vor allem der umsichtige Dibon zu überzeugen.

Fehlende Zuordnung bei einem Eckball leitete den Umschwung ein

Rapid ging mit einem komfortablen 2:0 in die Pause, gab das Spiel danach aber völlig unnötig aus der Hand. Alles begann mit einem Eckball, bei dem Rapids Abwehr schlief. Der Liendl-Corner auf lange Eck war „schneebedeckt“, äußerst lange in der Luft und es war klar, dass Topcagic der Abnehmer sein würde. Trotzdem schaffte Rapid es nicht, den 25-jährigen Bosnier bei seiner Kopfballablage zu stören. Dass Torschütze Danijel Micic trotz überwältigender grün-weißer Überzahl in zentraler Position im Strafraum frei zum Schuss kam, ist ein anderes Kapitel.

Konter nicht fertiggespielt, körperliche Überlegenheit aus der Hand gegeben

Mit diesem Tor wäre noch nicht viel verhakt gewesen, wenn Rapid die Zielstrebigkeit aus der ersten Halbzeit beibehalten hätte. Aber die Konter wurden nicht gut zu Ende gespielt und die körperliche Präsenz – gerade im Abdecken der offensiven Zielspieler in Rapids Aufbauspiel – zeigten plötzlich die Wolfsberger. Man verfiel in alte Muster: Die Rapid-Spieler wirkten so, als wollte niemand einen Fehler machen, die Nervosität stieg von Minute zu Minute.

Außenverteidiger ließen sich in die Defensive drängen

Entlastung wurde kaum geschaffen, was auch an den Außenverteidigerpositionen lag. In der ersten Halbzeit war deren offensive Präsenz kaum von Nöten, weil ihre Vorderleute speziell zentral fast alles richtig machten. In der zweiten Halbzeit wären Trimmel und Schrammel offensiv wichtiger gewesen, vor allem um die hoch aufgerückten Kärntner Außenverteidiger wieder mehr in die Defensive zu zwingen. Doch Rapid ließ sich in die eigene Hälfte drücken und hatte zu wenig Entlastung und Sicherheit im Konterspiel über die Flügel. Eben weil die Außenpositionen nicht gut herauskamen, machte man auch im zentralen Mittelfeld wieder Fehler – die Wolfsberger hatten plötzlich in zahlreichen Situationen Überzahl geschaffen.

Idee hinter Barisics Spielerwechseln gut…

Barisic hatte mit seinen Wechseln einerseits einen recht guten Plan, andererseits Pech. Pichler ersetzte Boskovic und verlagerte sich auf eine für ihn typische, rustikale Spielweise vor der Abwehr. Wenn es schon nicht anders ging, musste man dem WAC eben mit körperlicher Überlegenheit die Schneid abkaufen, was zwischenzeitlich auch halbwegs zu fruchten schien. Rapid befreite sich in dieser Phase ein wenig, aber Sabitzer vergab nach idealem Wydra-Pass eine der wenigen zwingenden Konterchancen in der zweiten Halbzeit. Der junge Lukas Denner ersetzte außerdem Schrammel und kam damit zu seinem zweiten Bundesligaspiel. Von ihm durfte man Agilität und Mut nach vorne erwarten, was er zunächst auch bewies.

…aber am Ende glücklos

Die beiden Eingewechselten verschuldeten in der 88.Minute aber den Elfmeter. Denner ging viel zu schnell in einen Zweikampf mit dem flinken Kerhe, der sich schlitzohrig durchsetzen konnte. Hätte der unroutinierte Linksverteidiger den Kärntner Flügelspieler abwartender attackiert und einfach abgedrängt, wäre nichts passiert und Rapid hätte das Spiel wahrscheinlich gewonnen. Doch Kerhe ging an Denner vorbei und nahm einen leichten Kontakt mit Harry Pichler im Strafraum dankend an. Schiedsrichter Schörgenhofer zögerte keine Sekunde, entschied auf Strafstoß – und Michael Liendl stellte den 2:2-Endstand her.

Lehrreich, wenn auch bitter

Angesichts der beiden grundverschiedenen Halbzeiten war es ein gerechtes Remis, das sich aufgrund der verspielten Führung für Rapid wie eine Niederlage anfühlte. Andererseits verhinderte Keeper Jan Novota in der zweiten Halbzeit mit Glanzparaden und guter Strafraumbeherrschung weitere Gegentreffer, wodurch sich das Remis wieder ein wenig relativiert. Nichts desto trotz war dieses flotte Spiel für beide Parteien sehr lehrreich: Einerseits was Hektik, Nervosität und Defensivverhalten anging (1.HZ: WAC, 2.HZ: Rapid), andererseits auch, weil beide Teams sehr starke Phasen hatten, auf die man aufbauen kann.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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