Es war eine kurze, aber sehr wichtige Ära für die Wiener Austria. Die Beurlaubung von Trainer Nenad Bjelica zeigt wieder mal, wie schnelllebig das... Bjelica beurlaubt: Destruktive Autorität, der falsche Zeitpunkt für einen Umbruch und was die Spieler dafür können

Nenad Bjelica - FK Austria WienEs war eine kurze, aber sehr wichtige Ära für die Wiener Austria. Die Beurlaubung von Trainer Nenad Bjelica zeigt wieder mal, wie schnelllebig das Fußballgeschäft sein kann. Der kroatische Trainer qualifizierte sich erstmals mit der Austria für die Champions League Gruppenphase, muss aber nur vier Spiele nach einem 4:1-Sieg gegen Zenit St.Petersburg in ebendieser Gruppenphase seinen Platz räumen.

Wie groß der Schuldanteil Bjelicas am aktuellen Versagen der Austria in der heimischen Bundesliga ist, werden die nächsten Wochen zeigen. Fakt ist jedoch, dass der einstige Wolfsberg-Trainer als Nachfolger zu Meistercoach Peter Stöger einen zu großen menschlichen Kontrast darstellte. Während Stöger auf Ruhe, Freundschaft, eine Prise Schmäh und einen gewissen Wohlfühlfaktor in der Mannschaft setzte, zeigte sich Bjelica oft zu autoritär und sprunghaft. Bjelica nahm, völlig anders als Stöger, die Schuld kaum dezidiert auf sich, sondern kündigte noch mehr Autorität, anstatt der vielleicht notwendigen Diplomatie, an.

In Europa sehr respektabel, in der Liga zu schwach

Schon im Herbst gab es in Wien-Favoriten Probleme: Die Austria kam lange Zeit nicht über den fünften Tabellenplatz hinaus. Doppelbelastung hin oder her: Die Austria opferte sich in der Champions League auf hohem Tempo auf, feierte große, finanziell wichtige Prestigeerfolge und spielte in der Liga weitgehend schlecht. Bjelica reagierte mit Wutreden, personellen Rochaden und kurzzeitigen Denkzetteln für etablierte Spieler. Dabei nutzte Bjelica die Breite seines Kaders etwas stärker aus, als sein Vorgänger, warf im Laufe der Ligasaison 2013/14 ganze 27 Spieler ins Rennen.

Die falschen personellen Hebel betätigt?

Im Winter trennte sich die Austria nach Rücksprache mit Bjelica von einigen Spielern: Okotie, Leovac, Simkovic und Vrsic verließen die Veilchen. Parits holte unter anderem Bjelica-Schützling David de Paula, der nur zwei Spiele unter seinem alten Trainer erlebte. Personelle Veränderungen seien notwendig, meinten Parits und Bjelica einhellig – das erst zweite Spiel im Frühjahr warf jedoch die Frage auf, ob sie an den richtigen Positionen getätigt wurden.

Spielkultur

Der im Derby bereits inferiore Fabian Koch begann wieder als Rechtsverteidiger, verlor gegen Wiener Neustadt den Ball, der zum 1:1 in der Nachspielzeit führte. Lukas Rotpuller und Christian Ramsebner bildeten eine unerfahrene Innenverteidigung und die Passgenauigkeit bzw. Stabilisierungsfähigkeit der zentralsten Mittelfeldspieler Holland, Stankovic und De Paula ließen gegen den Abstiegskandidaten aus Wiener Neustadt so manchen Fan phasenweise erschauern. Die Mischung stimmte also plötzlich nicht mehr, auch wenn die Meistermannschaft der Austria, der im Herbst weitgehend aufgebotenen Elf personell sehr ähnlich war. Unter Bjelica ging jedoch die Spielkultur verloren, die die Veilchen unter Stöger auszeichnete.

Zwei Spiele und eine Wintervorbereitung zu spät

Auch die Herangehensweise der Vereinsführung an ein Problem, das sich längst abzeichnete, war unprofessionell: Nach nur zwei Spielen der Frühjahrssaison musste Bjelica gehen – nachdem er zuvor die gesamte Vorbereitung beim FK Austria Wien leitete. Im Grunde wusste man bei der Austria, dass Bjelica eine weitere Misserfolgsserie als Trainer nicht überleben würde. Nur wenn man sich dessen bereits bewusst ist, muss man zu einem clevereren Zeitpunkt, nämlich vor der Wintervorbereitung, konsequenter handeln, um einem scheidenden Trainer nicht die Möglichkeit zu geben, seine offenkundig nicht rentable Philosophie weiter voranzutreiben.

Auch Spieler verloren den Fokus

Doch es gibt auch eine zweite Seite der Medaille: Die Spieler sind natürlich auch schuld. Man hat als Profi eben manchmal Trainer, mit denen man nicht kann. Aber bei der Austria gibt es einige Akteure, deren Aufstieg rasant vonstattenging, die sich nun aber zu verkrampft an die Hoffnung Auslandstransfer klammerten und so ein wenig den Fokus darauf verloren, sich als Fußballer und Charaktere weiterzuentwickeln. Ein klassisches Beispiel hierfür ist Markus Suttner, der nach einer starken Meistersaison unter Bjelica nur noch durchschnittlich spielte. Dabei hatte Suttner, bei dem immer wieder vom Interesse deutscher Bundesligaklubs zu hören war, in der Saison 2013/14 die große Chance und auch Aufgabe sich selbst als Persönlichkeit weiter zu festigen. Doch der 26-jährige Ur-Austrianer reifte nicht zum großen Leader im Team. Auch Philipp Hosiner ist der schweren Aufgabe seine Traumsaison 2012/13 in irgendeiner Weise zu bestätigen bzw. seine Superform über zwei Saisonen mitzunehmen, (noch) nicht gewachsen.

Gagers Hauptaufgabe: Raus mit der negativen Energie

Am Ende soll es ein Disput mit Kapitän Manuel Ortlechner gewesen sein, der Bjelica auch intern das Genick brach. Aber alleine die Tatsache, dass es in der aktuellen Lage interne Grabenkämpfe gibt, spricht nicht für die einzelnen Beteiligten. Dass der völlig unbefleckte Herbert Gager die Kampfmannschaft nun interimistisch übernimmt, muss vor allem Ruhe ins Team bringen. Die allgemeine Denkweise in Wien-Favoriten muss positiver werden und jeder Spieler muss beginnen, vor seiner eigenen Türe zu kehren. Wenn Gager es schafft, die negative Energie und eine teilweise nicht zu übersehende „Scheissdrauf-Mentalität“ aus der Mannschaft zu bringen, wird die Austria wieder siegen. Die Spieler müssen sich nun aufs Wesentliche konzentrieren und allesamt kapieren, dass sie aktuell für die Austria spielen und nicht für einen deutschen Bundesligaklub.

Eine interessante Fanmeinung zur aktuellen Lage in Violett ist hier nachzulesen.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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