Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag adressieren wir unseren Brief erstmals an einen Tormann.
Lieber Richard Strebinger!
Vorgestern war einer dieser Momente, in denen das Spiel zur Nebensache wird. Nicht nur mir rutschte das Herz in die Hose, als dich die Sanitäter vom Feld trugen. Nicht nur mir war schummrig zumute, als dein Arm von der Bahre rutschte und deutlich zu sehen war, dass du bewusstlos bist. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie sich deine Angehörigen in diesem Moment gefühlt haben. Die Rapid-Fans feierten dich mit Sprechchören, wahrscheinlich auch um das Gegentor zu übertönen. Neutrale Zuschauer waren konsterniert, denn du, Richard, bist ein Spieler, vor dem viele Respekt haben.
In den letzten fünf Jahren hat sich Rapid verändert und ist professioneller geworden. Unter Michael Krammer, einem Mann aus der Wirtschaft, entschied man sich die Grundbausteine Rapids – populärer Arbeiterverein, Underdog mit Charme – zu kapitalisieren. Die Traditionsschiene wird seither bis zum geht-nicht-mehr bedient. Religion statt Realität. Man lebt in der Vergangenheit. Das geht in eine gefährliche Richtung. Dieses moralische Moment soll hier jedoch nicht zur Debatte stehen. Sportlich haben Rapid-Fans chronisches Dauersodbrennen. Wohin das Auge reicht, befinden sich Baustellen: Trainer, Funktionäre und Spieler kommen und gehen. Bezüglich des Scouting-Systems basteln die grün‑weißen Experten unaufhörlich an einem perpetuum mobile: Utopisch. Erst kürzlich hat Mario Sonnleitner öffentlich angesprochen, dass viele Neuzugänge nur auf dem Papier und nicht im Kopf Profis waren. Mentalität und Gemeinschaft schafften es bei Rapid nur ins Leitbild und nicht in die Kabine. Eine kontinuierliche Positionierung als Salzburg-Jäger und Dauergast in Europa ist ausgeblieben.
Du, Richard, bist die Ausnahme. Du warst im Gegensatz zu Ivan oder Traustason ein richtiger Goldgriff. 2015 holte dich Andi Müller von Jahn Regensburg: Ein junger Österreicher, der bei Hertha und Werder ausgebildet wurde, und sich jetzt für höhere Aufgaben qualifizieren möchte, passte perfekt ins Beuteschema. Drei Jahre später wurdest du zum „Rapidler der Saison“ gewählt (mit 55% der Stimmen) und bist heute aus dem Tor der Grün-Weißen nicht mehr wegzudenken. Du gehörst zu den wenigen Konstanten im Kader der Wiener und bist aktuell einer der besten österreichischen Torhüter. Klar, dass es ständig Transfergerüchte um dich gibt. Du stehst für eine Rapid, wie sie sich die meisten Grünen wünschen: Ehrgeizig, tapfer, volksnah. Eine Identifikationsfigur. Da tut es dem Fan doppelt weh, wenn du k.o. gehst. Aber selbst, wenn es einen Ungustl getroffen hätte: Fußball bleibt ein Spiel und Verletzungen wünscht man niemanden. Wie gut, dass es glimpflich ausgegangen ist und wie gut, dass es Christopher Dibon gibt, der gleich versucht hat, nach deiner Zunge zu fischen.
Baldige Besserung und alles Gute wünscht dir (und Rapid)
Marie Samstag, abseits.at
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Marie Samstag
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