Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (63) – Lieber Didi Kühbauer!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an den Rapid-Trainer…

Lieber Didi Kühbauer!

Salbungsvolle Worte und Verständnis können sehr wichtig sein. Es gibt aber Momente im Leben, in denen man nicht neutral sein darf. Da gibt es nur schwarz oder weiß, da muss man seine Meinung sagen. Du bist jemand, der nicht verlegen ist, wenn es darum geht Tacheles zu reden. Natürlich wäre es dir vor einigen Tagen lieber gewesen, man hätte dich nicht zu dem unleidlichen Spruchband, das die Rapid-Fans vor dem Heimspiel gegen Hartberg befestigt haben, befragt. Doch der TV-Moderator kannte kein Erbarmen. Man hat dir dein Unbehagen angemerkt, trotzdem fandest du deutliche Worte: „Ich kann diese Aktion nicht verstehen. So leid es mir für die Rapid-Fans tut, aber glaub nicht, dass das das Beste ist, dass man mit diesen Worten etwas beschreibt.“ Das war eine klipp und klare Aussage und kein Herumlavieren, wie bei Rapid-Geschäftsführer Peschek, der zum Inhalt wenig bis keine Worte fand, stattdessen nur von „keinem Skandal“, Meinungsfreiheit und der Hoffnung bald wieder vor vollen Rängen zu kicken, faselte. Ich finde das traurig: Hier geht es nicht um Demokratie, sondern um Diskriminierung. Ich habe oft gesagt, dass eine Fankurve allein durch ihren Ursprung und durch ihre Sozialisation anderen Ritualen folgt als ein Damenchor, eine Faschingsgilde oder ein Schützenverein und so für gewisse Auswüchse Erklärungen gefunden und (in Maßen) Verständnis gezeigt. Es gibt jedoch Grenzen und diese sind nicht nur auf strafrechtlichem Terrain gezogen. Nein, der SK Rapid hat ein Leitbild, in dem sich der Verein für eine offene Gesellschaft ausspricht und somit seine soziale Verantwortung wahrnimmt.

Lieber Didi, an diesem Abend, nach dem Spiel gegen Hartberg, warst du einer der wenigen, die sich nicht gedrückt haben diese Werte auch so zu kommunizieren. Dafür danke ich dir. Aber, weißt du, Didi, auch du bist ein Mensch aus Fleisch und Blut, jemand, der Produkt seiner Umwelt ist, jemand der ‑ wie ich, wie wir alle – in einer männlich dominierten, rassistischen Gesellschaft aufgewachsen ist. Diese Form der Unterdrückung kann man nicht in den wenigen Jahren, die seit 1968 vergangen sind, abschütteln. So etwas braucht Zeit, das braucht viele Revolutionen, Konterrevolutionen, Backlashes, Neuanfänge, Reformen, Niederlagen, Siege. In deinem Interview mit einer Moderatorin nach dem Spiel gegen Salzburg hast du dich dünnhäutig und grantig gezeigt. Schon klar, nach einer 2:7-Klatsche ist keinem Trainer der Welt zu Scherzen zumute und wahrscheinlich hättest du auch einem JournalistEN patzig geantwortet. Aber ich hatte das Gefühl, du hättest die Frage nach der Aufregung der Mannschaft nach einem vermeintlichen Abseits-Treffer einem Mann gegenüber nicht gleich als „wertlos“ bezeichnet. Bei einer Frau kann man zornesbedingt schon mal die gebotene Höflichkeit fallen lassen. Vielleicht irre ich mich ja, das hoffe ich sogar. Aber, Didi, du bist eben ein Mensch aus Fleisch und Blut – wie ich. Da kann so etwas passieren, wichtig ist nur, dass es (mit genügend Abstand) kritisch analysiert wird. Damit sich etwas ändert, damit sich etwas ändern kann.

Es grüßt dich

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag