Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (66):  Lieber Martin Pucher!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag adressieren wir unseren Brief an den ehemaligen SV‑Mattersburg‑Präsidenten …

Lieber Martin Pucher!

Normalerweise ist es so, dass am Ende alles gut ist. Und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. Dein (vorläufiges) Ende als Vorstandsvorsitzender der von dir gegründeten Commerzialbank Burgenland und als Präsident des SV Mattersburg kann ‑ dieser Theorie folgend ‑ noch nicht der finale Cut gewesen sein. Trotzdem ist die derzeitige Lage für die Bank und ihre Arbeitnehmer, die Sparer, den Verein SVM und seine Angestellten sowie die Fußballförderung im Burgenland eine Katastrophe: Du bist zwar Sohn eines Haarschneiders, aber Bilanzen zu frisieren – das war definitiv keine gute Idee.

Lieber Martin, „was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank“? Das hat Bert Brecht gefragt, aber für dich war die Etablierung der CB Burgenland zunächst eine Erfolgsgeschichte: Seit 1995 hast du tausende Sparer erfolgreich betreut und dich nebenbei als Fußballmäzen bewiesen. Schon Jahre vorher wurdest du Obmann des SVM. Didi Kühbauer hat dich als seinen zweitwichtigsten Förderer bezeichnet, tatsächlich hast du aus dem „Dorfklub“, der anfangs in der fünften Leistungsklasse spielte, einen Bundesligaverein gemacht. Der östlich von Wiener Neustadt gelegene Klub war damals gerade eingefleischten Rapidlern ein Begriff, die die ebenfalls in grün-weiß spielenden Mattersburger als Stammverein des angesprochenen „Kühs“ kannten. Doch unter deiner Führung kam Schwung in das Projekt: Ab der Jahrtausendwende etablierten sich die Nordburgenländer in der obersten Spielklasse. Zwar blieb der Abstiegskampf das tägliche Brot und der SVM war als „Holzhackertruppe“ verschrien, trotzdem gelangte man zweimal ins ÖFB‑Cupfinale, spielte im Europacup und konnte Kicker wie Fuchs oder Onisiwo entwickeln und weiterverkaufen. Kurzum: Du, als Patriarchenboss, hattest maßgeblichen Anteil am Erfolg des SV Mattersburg und davon konnte die gesamte burgenländische Fußballwelt profitieren. Jetzt passiert, was unweigerlich passieren muss, wenn das Glück fast vollständig von einer Ursache abhängig ist. Wie ein Kartenhaus droht jetzt dein (sportliches) Lebenswerk zusammenzufallen.

Noch ist nichts Genaueres bekannt und es soll an dieser Stelle keine Schuldzuweisungen geben. Dennoch mahnt die aktuelle Situation zur Vorsicht: Es kommt aus heiterem Himmel, ist unvermeidlich und unlösbar – Mäzenentum im Fußball bleibt ein Hochrisiko. Es hing sehr viel an dir und deinem Geld. Jetzt weiß keiner, wie es weitergeht. War dir das bewusst? War das den Betroffenen bewusst? Ein Aus für den Mattersburger Profifußball würde Probleme für die Burgenländische Akademie und somit für zahlreiche Jungfußballer bedeuten. Vielleicht ist die Zeit in der allmächtige „Macher“ „ihr“ Geld hineinbuttern und im Gegenzug alles bestimmen einfach vorbei. Es gibt zahlreiche Gegenbeispiele, wie man eine demokratische Führung anlegen kann. Ja, Demokratie ist zäher und schwerfälliger, aber sie lässt Zeit für eine kontinuierliche Entwicklung ohne Angst vor worst-case-szenarios. Vielleicht können wir diesen Ansatz aus den jüngst stattgefundenen Ereignissen mitnehmen.

Das fragt sich
Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag