Mitten in einer der wichtigsten Saisonen der Vereinsgeschichte wurde Rapids sportliche Abteilung zur Baustelle. Fertiggebaut wird erst im Winter, da soll ein Nachfolger für... Canadi ist neuer Rapid-Trainer: Das darf man vom Altach-Erfolgscoach erwarten!

Damir Canadi - SCR Altach (2)_abseits.at

Mitten in einer der wichtigsten Saisonen der Vereinsgeschichte wurde Rapids sportliche Abteilung zur Baustelle. Fertiggebaut wird erst im Winter, da soll ein Nachfolger für Andreas Müller verpflichtet werden. Bereits unterschrieben hat Damir Canadi, den Rapid per Ausstiegsklausel aus seinem ohnehin auslaufenden Altach-Vertrag kaufte und damit als neuen Cheftrainer bestellte.

Das bisherige Kalenderjahr 2016 verlief in Hütteldorf hollywoodreif. Zoran Barisic entwickelte den Serienvizemeister bis zu einem Punkt, an dem es nicht mehr weiterging. Er übernahm eine marode Mannschaft, verbesserte sie, feierte große Siege, brachte aber praktisch nie die nötige Ergebniskontinuität ins Spiel Rapids. Paradoxerweise deshalb, weil die Spielweise unter Barisic sogar sehr kontinuierlich durchgezogen wurde. Vom international als überholt geltenden Ballbesitzspiel wich Barisic praktisch nicht ab – die Gegner stellten sich nach und nach besser auf Rapids technisch hochklassiges, aber in seiner Dynamik pomadiges Spiel ein. Schmerzliche Abgänge, wie etwa Beric‘ Wechsel zu Saint-Étienne taten ihr Übrigens, um Rapid bis zum Frühjahr 2016 zu einem Gegner zu machen, den man gerne empfing.

Kämpferische Revolution als Idee

Offiziell waren es die zahnlosen Auftritte in der Provinz, die Barisic bei Rapid das Genick brachen. An sich ein guter Grund, allerdings auch einer, der für einige andere Ungereimtheiten vorgeschoben wurde. Müllers Denke in Anbetracht des Wechsels von Barisic zu Büskens war klar: Das Team wurde bis an einen gewissen Punkt gut entwickelt und würde – noch dazu von einigen hochkarätigen Neuzugängen unterstützt – ohnehin funktionieren. Büskens sollte mit dem den Spielern vertrauten Trainerteam nun für das nötige Feuer sorgen. Der Malocher sollte vor allem mit den Köpfen der Spieler arbeiten und dafür sorgen, dass sich die Gruselpartien gegen die Kleinen nicht fortsetzen.

Nur kurze Euphorie

Büskens setzte sich ins gemachte Nest, bekam den laut Steffen Hofmann „besten Kader, seit er bei Rapid spielt“. Im ersten Bundesligaspiel der Saison gab’s ein fulminantes 5:0 gegen Ried, die durch das neue Stadion angeheizte Euphorie schien unumstößlich. Eine Woche später verlor Büskens sein erstes Auswärtsspiel gegen von Damir Canadi perfekt eingestellte Altacher mit 0:1. Es folgte die (vor allem interne) Eskalation der Causa Entrup und ab Ende August ging es mit Rapid steil bergab. Beginnend mit einem 1:1 beim späteren Trainer-Sargnagel Wolfsberg, gefolgt von der ersten Niederlage im Allianz Stadion, einem inferioren 0:2 gegen Trencín.

Zerfahrene Situation ab Ende September

Büskens und Rapid – das funktionierte einfach nicht. Der Deutsche kam mit der Komplexität des Vereins nie zurecht, präsentierte sich in der Außendarstellung überraschend lasch, wirkte des Öfteren fast hilflos. Zwischen Ende September und Ende Oktober blieben die Hütteldorfer in sechs aufeinanderfolgenden Spielen sieglos. Andreas Müller trat in dieser Phase kritisch an die Presse heran, zog den Ärger seiner Chefs auf sich. Die Kritik richtete sich an die Mannschaft, Müllers Erfindung Büskens kam hingegen nicht schlecht weg. Manche fanden den Schuss vor den Bug gut, andere überflüssig. Auch Büskens reagierte: Im Cup-Spiel gegen Blau-Weiß Linz stellte er erstmals auf ein 4-4-2-System um, brachte mit Kvilitaia und Jelic zwei Spitzen, machte aus der (teils auch personellen) Not eine Tugend.

Kuriose taktische Stilblüten gegen Ende der Ära Büskens

Dies wurde auch in der (soliden) ersten Halbzeit gegen die Admira und in der (erfolgreichen) Schlussphase bei Sassuolo fortgeführt. Spätestens als Büskens die zweite Halbzeit gegen die Admira vercoachte und im Heimspiel gegen den WAC ein 4-2-3-1-System mit klassischem 4-4-2-Personal aufstellte und es keine klaren Abkipp-Automatismen an den Flügeln gab, war klar, dass neben der offensichtlichen Erfolgslosigkeit auch latente taktische Banalität zum Problem bei den Hütteldorfern wurde.

Falsche Schrauben, dieselben Ausreden

Unter Barisic war Rapid taktisch komplexer, dafür aber nicht „dreckig“ genug. Viele Spiele waren aufgrund der Überlegenheit mühsam mitanzusehen. Büskens degradierte den einstigen Taktikentwickler Barisic‘, Thomas Hickersberger, zum Hütchenaufsteller. Der seit langem umstrittene Carsten Jancker wurde „mächtiger“. Büskens drehte genau die falschen Schrauben, verunsicherte die Mannschaft und impfte ihr weder die geforderte Härte in den „kleinen Spielen“, noch die längst nötige taktische und spielerische Variabilität ein. Die Ausreden für Misserfolge waren am Ende dieselben wie unter Barisic: Trotz „großem Aufwand“ und „zahlreicher Chancen“ hat sich die Mannschaft nicht belohnt. Es sollen einmal mehr die vielen vergebenen Chancen, das eigene Unvermögen gewesen sein, die Rapid immer wieder underachieven ließen. Allerdings gelang es schon lange keinem Rapid-Trainer mehr, seinem Team ausreichendes stilistisches und spielphilosophisches Rüstzeug mitzugeben, sodass sie sich auf dem Platz selbst befreien können.

Mangelndes In-Game-Coaching

Dies bringt uns zu einem der zwei Punkte, die unter Barisic und Büskens gleichermaßen schlecht funktionierten. Das In-Game-Coaching war bereits unter Barisic zäh – unter Büskens aber noch schlechter. Wenn der Gegner reaktiv agierte und den Rapidlern hauptsächlich Kampf entgegensetzte, fehlten die spontanen Lösungen. Gerade von außen kam zu wenig, Rapid zog immer wieder dasselbe Spiel durch, blieb übergeduldig, hoffte auf die eine Hundertprozentige, die alles verändern würde. Die kam jedoch zu selten oder wurde vergeben. Wenn sie kam, aber vergeben wurde, war man um eine Ausrede reicher.

Die lange und erfolglose Suche nach der Mitte

Der zweite Punkt war die Außenwirkung der Trainer und die Diskrepanz zwischen interner und externer Darstellung. Sowohl Barisic als auch Büskens traten nach außen kalmierend auf, ließen Biss und scharfe Worte vermissen. Nach innen hin war der Unterschied jedoch der, dass Barisic für die Mannschaft wie eine Vaterfigur war und mit ihr mitwuchs, während Büskens distanzierter war, den Draht zu den Spielern nicht fand. Gepaart mit einem nervöser werdenden Müller wurde dies schnell als „neue Kälte“ beim SK Rapid interpretiert. Barisic war zu nah dran, Büskens zu weit weg und das Gesamtgebilde Rapid scheiterte sportlich an der erfolglosen Suche nach einer gesunden Mitte.

Erfolgreicher Hackler Canadi

Frei nach dem Fan-Motto „immer vorwärts“ sind die Fachsimpeleien über die genauen Gründe der Erfolglosigkeit nun aber Makulatur, denn mit Damir Canadi als Rapid-Trainer bricht eine neue Ära an. Der 46-Jährige hatte praktisch überall, wo er das Trainerzepter übernahm, Erfolg. Er wurde zweimal Meister in der Wiener Liga mit Fortuna 05 und Simmering, zweimal Vizemeister in der Ostliga mit dem PSV Team für Wien und dem FAC, Erstligameister und Bundesligadritter mit Altach, mit denen er später auch seine Duftmarke in Europa hinterließ. Viel wichtiger ist aber, dass Canadi mit begrenzten Mitteln komplexe Systeme entwickelte.

Taktische Revolution notwendig

Dies ist zweifelsfrei etwas, das Rapid fehlte. Nicht nur zuletzt, sondern eigentlich seit den 90er-Jahren. Kaum ein Trainer implementierte in Hütteldorf etwas Neues. Zweimal wurde Rapid in den 2000er-Jahren dank Hurra-Fußballs Meister, aber richtig ausgeklügelte Systeme bauten weder Hickersberger noch Pacult ein. Sehr wohl wussten sie aber die Philosophie, für die Rapid historisch gewachsen steht, umzusetzen. Dies ist etwas, das Rapid auch gegenwärtig brauchen könnte, allerdings gespickt mit mehreren Plänen und taktischen Facetten, die es den Gegnern schwerer machen, sich auf die Grün-Weißen einzustellen. Schöttel und Barisic zeigten Ansätze und Offenheit für Neues, scheiterten aber einerseits an der Richtung, andererseits an Mentalitätsproblemen.

Rapid des Öfteren ausgecoacht

Dass der akribische Taktiktüftler Canadi das Zeug dazu hat, bewies er unter anderem gegen Rapid. Beim 2:0-Sieg Altachs gegen Rapid vor 14 Monaten hebelte er Barisic‘ Truppe etwa damit aus, dass er bei gegnerischem Ballbesitz nur zu siebent verteidigte und drei Spieler dauerhaft vorne beließ, um Rapids zentrales Mittelfeld zu überbrücken und offensiv Pattsituationen oder sogar eine Überzahl zu erwirken. Einen der federführenden Entwickler dieser Ideen, den Videoanalysten Mauricio Zoccola trifft er bei Rapid sieben Monate nach dessen Abgang aus Altach wieder.

Agieren statt reagieren

Die Mittel, mit denen Canadi Rapid immer wieder vor Probleme stellte, waren zumeist selbst reaktiv. Mit Rapid muss der Neo-Coach agieren anstatt zu reagieren und wird damit vor eine umfangreichere Konzeptarbeit gestellt. Canadi bringt großes taktisches Potential mit, kennt die Liga wie seine Westentasche und hat als oftmals siegreicher Gegner auch für die taktisch bisher schwach aufgestellten Wiener das eine oder andere Offensivkonzept. Realistischerweise muss man aber bis zum Winter warten, bis man eine Handschrift erkennen kann.

Vielversprechendes Restprogramm im Herbst

Der Zeitpunkt des Trainerwechsels war dennoch ein sehr guter. Die Länderspielpause ist ein willkommener Puffer im harten Alltag der englischen Wochen und man darf auf einen Trainereffekt hoffen. Die Woche nach den Länderspielen gilt es zu überstehen – danach kann und muss Rapid Boden gut machen. Es warten Salzburg und Genk auswärts, sowie Sturm daheim. Danach geht es auswärts gegen Mattersburg, daheim gegen St.Pölten und Ried, sowie zum Abschluss der Herbstsaison auswärts zu Canadis Ex-Klub nach Altach. Eingestreut wird zudem das hoffentlich nicht obsolete Heimspiel gegen Athletic Bilbao. Das Ziel für die nächsten sechs Bundesligarunden muss irgendwo zwischen 11 und 14 Punkten liegen, wenn man im Frühjahr noch einmal angreifen möchte.

Canadis taktische Handschrift in Altach

Alexander Semeliker analysierte am Dienstag die Entwicklung des SC Rheindorf Altach unter Canadi und speziell die Feinheiten, die Canadis Spielphilosophie charakterisieren. Diese Analyse zeigt, dass Canadis Hauptformation, ein fluides 3-5-2, mit äußerst spezifischen, zentrumlastigen Gegneranpassungen auch dafür sorgte, dass Altach aktiver wurde. Das Team, das derzeit punktegleich mit Tabellenführer Sturm auf dem zweiten Platz rangiert, ist nicht mehr nur eine Mauertruppe, wie man sie aufgrund der letzten Jahre vermuten könnte. Vor allem in Heimspielen sind die Altacher nicht nur sehr konstant, sondern auf eine durchaus komplexe Art und Weise spielführend.

Ebreichsdorf als Gegenbeispiel

Der Vollblutkicker Canadi musste heuer erst vier Niederlagen einstecken – in der Liga eine weniger als Rapid. Nicht wenige Trainerkollegen wurden vom Wiener mit kroatischen Wurzeln ausgecoacht. Die Kehrseite der Medaille war die Cupniederlage beim ASK Ebreichsdorf, als dessen Trainer Goran Djuricin die Altacher mit einer explosiven Offensiv- und einer disziplinierten Defensiv-Leistung kalt erwischte und mit einem 3:0 aus dem Cup kegelte.

Die schwierige erste große Station

Völlig offen ist die Frage, wie Canadi mit dem sensiblen Mikrokosmos Rapid zurechtkommt. Viele Beobachter befürchten ein „Zellhofer-Schicksal“, also einen Trainer, der bei einem Underdog gut funktionierte, mit dem Erfolgs- und Leistungsdruck bei Rapid aber nicht zurechtkommt. Canadi kennt sich im österreichischen und speziell im Wiener Fußball aber bestens aus, weiß um die Brisanz des Trainerpostens bei Rapid Bescheid. Zudem gilt er als Arbeiter, der sich keine Blöße geben, den Kopf nicht in den Sand stecken wird und dennoch auch mal auf den Tisch hauen kann.

Schwieriger Chef?

Nicht umsonst ist oft die Rede davon, dass seine Spieler nicht gerade gut mit ihm können. Auch Canadi wahrt eine gewisse persönliche Distanz zu seiner Mannschaft, könnte aber trotzdem charakterlich und in seiner Außendarstellung das gesuchte Mittelding aus Barisic und Büskens sein. Am ehesten wird man Canadis Wert und Entwicklungsstand als Trainer einschätzen können, wenn es mal nicht gut läuft. Da der Druck in Altach und bei seinen vorherigen Stationen ein anderer war als bei Rapid, dürfte auf mittel- bis langfristige Sicht vieles vom Krisenmanagement abhängen. Ein schlechtes Gefühl muss man diesbezüglich bei Rapid aber nicht haben. Ein nach drei sieglosen Partien polternder Kühbauer wäre für Rapid wesentlich schwieriger gewesen. Und: Auch wenn die skeptischen Stimmen in der Mehrzahl sind, gibt es Spieler, die mit dem 46-Jährigen sehr gut konnten. Dies fällt auch in Canadis Zeit in Altach.

Auch gute Trainer müssen in Österreich entwickelt werden

Die Trainerbestellung macht also inhaltlich Sinn und auch der Zeitpunkt ist – eigentlich Rapid-untypisch – gut gewählt. In Hütteldorf darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass die günstigen und verfügbaren Klopps und Tuchels dieser Welt an der nächsten Ecke Gewehr bei Fuß stehen. Ähnlich wie es die Austria mit Peter Stöger und Salzburg mit Roger Schmidt machten, müssen innovative Trainer erst entwickelt werden. Schließlich ist dies in Österreich mit dem Großteil der  Spieler nicht anders. Canadi bringt von allen Kandidaten das größte Potential mit und steht schon jetzt vor seiner größten Feuerprobe als Trainer: Rapid doch noch zu einem Titelkandidaten für 2016/17 zu machen.

Canadis Bilanz

Canadi traf als Altach-Trainer zehnmal auf Rapid und weist eine positive Bilanz auf. Vier Siege stehen je drei Unentschieden und Niederlagen gegenüber. Gegen die Austria hatte Canadis Altach in der Liga eine ausgeglichene Bilanz mit 4-2-4. Insgesamt saß er für den SCR Altach in 154 Spielen auf der Bank und holte durchschnittlich 1,71 Punkte pro Partie. Zuvor hatte er bei Donau, dem PSV Team für Wien, dem FAC und Simmering einen höheren Punkteschnitt. In Altachs Meistersaison in der sky go Erste Liga holte Canadis Team 73 Punkte und erzielte 79 Treffer. Eine noch bessere Bilanz blieb aufgrund der letzten fünf Spiele (sieben Punkte) aus, als Altach bereits als Aufsteiger feststand. Das Spiel der Altacher in der Aufstiegssaison war aktiv und nicht mit den beiden darauffolgenden Saisonen in der tipico Bundesliga zu vergleichen.

Daniel Mandl, abseits.at

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Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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