Durch den Abgang von Frank Stronach muss man in Wiener Neustadt 2011/12 kleinere Brötchen backen. Insgesamt sechs Stammspieler der vergangenen Saison sind bereits weg,... Ciftci, Troyanski und "El Maestro" – Wiener Neustadt wildert bei Wiens Amateurteams

Durch den Abgang von Frank Stronach muss man in Wiener Neustadt 2011/12 kleinere Brötchen backen. Insgesamt sechs Stammspieler der vergangenen Saison sind bereits weg, auch Schicker, Simkovic, Ramsebner und Sadovic sind potentielle Abgänge. Um billig und vorausschauend einkaufen zu können, begibt sich Wiener Neustadt nun in die Regionalliga und wird dort bei den Wiener Großklubs fündig.

Die Wiener Austria angelte sich Spielgestalter Alex Grünwald, Rapid mit Guido Burgstaller und Leihgabe Christian Thonhofer gleich zwei Spieler. Der gefragte slowenische Keeper Saso Fornezzi brauchte offenbar einen gröberen Tapetenwechsel, wechselte ans Schwarze Meer zu Orduspor, das kommende Saison erstmals seit 25 Jahren wieder in der obersten türkischen Spielklasse dabei sein wird. Hansa Rostock, Aufsteiger aus Deutschlands dritter Liga, wird kommende Saison auch eine Klasse höher spielen und nach dem wohlverdienten Urlaub auf Pavel Kostal bauen können. Der 30jährige Tscheche unterschrieb einen Zweijahresvertrag in Mecklenburg-Vorpommern. Und auch auf seinen Topscorer muss Neo-Coach Peter Stöger ab kommender Saison verzichten: Hannes Aigner, Schütze von elf Ligatoren 2010/11, wechselt in die Erste Liga und soll den LASK wieder nach oben schießen.

RAPID-AMATEURBOMBER ALS AIGNER-ERSATZ

Sein Ersatzmann trug die letzten vier Jahre Grün-Weiß: Serkan Ciftci wird im August 22 Jahre alt, verpasste zuletzt den Torschützentitel der Regionalliga Ost nur um einen Treffer. 21 Tore erzielte Ciftci in 29 Saisonspielen für Rapids Amateure, gab sich im Laufe der Saison kämpferisch. Ciftci, seit jeher Stammkraft bei den Amateuren, aber noch nie in Pflichtspielen für die Kampfmannschaft auf dem Platz, gab mehrmals zu verstehen, dass er sich mit der Regionalliga nicht zufriedengeben wird, redete sich via regionaler Medien lautstark in die Nähe der Bundesliga-Elf des Rekordmeisters. Für Rapid reichte es vorerst noch nicht, doch in Wiener Neustadt ist man auf die Dienste des Austro-Türken angewiesen. Für Ciftci ist der Wechsel zu Peter Stöger ein großer Fortschritt und wie am Beispiel Thomas Schrammel unschwer zu erkennen ist, sind auch „Rückwechsel“ zum SK Rapid nichts, was auszuschließen ist. In Fankreisen hat Ciftci den Ruf eines soliden Regionalligastürmers, der wohl auch in der zweithöchsten Spielklasse seine Tore machen würde. Für ganz oben reicht es jedoch nach Meinung der Experten nicht. Ciftci bekommt seine Chance das Gegenteil zu beweisen, 38 Kilometer südlich von Wien.

VIOLETTER GAUCHO ALS FÜHRUNGSPERSÖNLICHKEIT

Austria-Urgestein Stöger holte zudem Dauer-Austrianer Fernando Troyanski nach Wiener Neustadt. Der 33jährige Argentinier, einst Liebkind Frank Stronachs, spielte über acht Jahre in Wien-Favoriten, legte Zwischenstationen in der Südstadt und Klagenfurt ein. Doch nach 140 Ligaspielen für den FK Austria Wien dürfte Troyanskis violetter Werdegang im Sommer 2011 endgültig enden. In Wiener Neustadt ist der nach wie vor laufstarke Südamerikaner mit dem in Wiener Neustadt künftig dringend notwendigen Kämpferherz, voraussichtlich sogar gesetzt. Er soll unter Stöger, unter dem er einst mit der Austria Meister wurde, einer der wenigen routinierten Eckpfeiler sein, die das junge Ex-Magna-Team im Kampf gegen den Abstieg anführen soll.

EIN „MEISTER“ FÜR DEN KLASSENERHALT?

Einer derjenigen, die noch Führung brauchen, machte bereits sehr früh auf sich aufmerksam. Nikon Jevtic, 1993 in London geboren, füllte schon im Alter von 12 Jahren Promotionvideos im Internet, wo er mit den Gegenspielern seiner Altersklasse machte, was er wollte. Mittlerweile heißt der zentral-offensive Mittelfeldspieler nicht mehr Nikon Jevtic, sondern Nikon El Maestro. Der „Meister“, der noch keine einzige Bundesligaminute in den Beinen hat, dürfte von Natur aus mit gesundem Selbstvertrauen ausgestattet sein. Oder aber dieses Selbstvertrauen ist ungesund, denn seit El Maestro in jungen Jahren derart hochgejubelt wurde, blieb auch die Entwicklung auf der Strecke. Das Ausnahmetalent, das am Ball alles kann und auch für Torgefahr und zahlreiche Assists bekannt ist, wurde aus den Nachwuchsteams des FC Valencia und Schalke 04 ausgemustert, landete bereits im Alter von 15 Jahren wieder „daheim“, bei der Austria. In den letzten drei Jahren erzielte der exzentrische Perspektivspieler 39 Tore in 55 Spielen für die Nachwuchsteams der Favoritner. Peter Stöger kommt nun als Trainer des SC Wiener Neustadt zu einer zweifelhaften Ehre: Er muss den 18jährigen zu einem Bundesligafußballer formen. Angesichts des Rufs, der El Maestro vorauseilt, keine leichte Sache. Aber vermutlich eine, bei der zumindest Stöger nur gewinnen kann. El Maestro hingegen sollte seine erste große Chance auf den Profistatus nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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