Das große Fragezeichen: Welche Möglichkeiten hat Helgi Kolvidsson bei der SV Ried?
Bundesliga 10.Juli.2015 Alexander Semeliker 0
Zum zehnten Mal in Folge startet die SV Ried nun bereits als Bundesligist in die Saison. Neben ihr gelang dies nur den vier Großklubs Austria, Rapid, Red Bull Salzburg und Sturm Graz. Trotz wesentlich weniger Mittel konnte man diese immer wieder wirkungsvoll fordern und teilweise hinter sich lassen. Heuer gelten die Innviertler jedoch als großes Fragezeichnen. Wie will Helgi Kolvidsson die Oberösterreicher auf Vordermann bringen? Und welche Optionen hat er dafür?
Ein wesentlicher Erfolgsbaustein der SV Ried in der Vergangenheit war die Kontinuität und Ruhe im Umfeld. Diese scheint nun zu wackeln. Einerseits gab es auf der Trainerebene eine Ablöse, die für viel Unruhe sorgte; andererseits verlor man erneut Leistungsträger an größere Klubs. Der einstige Vorzeigeklub, was die Arbeitsweise betrifft, droht nun endgültig das Image der grauen Maus.
Der Vorsprung wird kleiner
Die Transfertaktik der Rieder in den letzten Jahren war auf dem Papier durchaus simpel. Sie holten entweder Spieler aus unterklassigen ausländischen Ligen der großen Fußballländer oder gaben vermeintlich gescheiterten heimischen Spielern eine neue Chance. Hinzu kamen einige Talente aus der eigenen Jugend. Im Zuge der durchaus positiven Entwicklung bei den österreichischen Topklubs bzw. in weiten Teilen Europas, verloren sie ressourcenbedingt mit Fortdauer aber immer mehr Boden. „In dem Segment, in dem wir uns bewegt haben, greifen nun schon Rapid und die Austria zu“, erzählt SVR-Sportmanager Stefan Reiter, der selbst sehr viel Arbeit in die Spielersuche steckt.
Wenig Geldfluss am Transfermarkt
Diese Entwicklung macht sich nun auch am Transfermarkt bemerkbar. In den letzten Jahren konnte Ried Spieler wie Robert Zulj, Ola Kamara, Daniel Royer oder Thomas Schrammel für vergleichsweise gutes Geld verkaufen. Längere Verträge sind jedoch kaum mehr drinnen, sodass viele Spieler den Verein ablösefrei verlassen oder man aufgrund von etwaigen Leihen – wie beispielsweise bei Denis Thomalla – durch die Finger schaut.
Die immer spitzfindiger werdenden Verträge sorgen zudem dafür, dass man Spieler unter ihrem Wert hergeben muss – siehe Stefan Lainer, der nach einer bärenstarken Saison aufgrund einer Rückkaufklausel zu Red Bull Salzburg wechselte. So wird nicht nur auf der Ausgabenseite der Geldfluss immer kleiner, sondern auch die Transferumsätze bewegen sich im überschaubaren Rahmen. Die aktuelle Transferperiode dürfte also für Reiter und Ried die wohl schwierigste in der Bundesliga sein. Dennoch scheint es ihm auf den ersten Blick gut gelingen, damit fertig zu werden.
Kolvidsson, der philosophieflexible Trainer
Ein wichtiger und auf dem ersten Blick passender Schritt war die Bestellung von Kolvidsson als neuen Trainer. Einerseits weil dieser Abschluss bereits relativ früh nach dem Weggang von Oliver Glasner fixiert wurde, andererseits weil der Isländer durchaus das Zeug dazu hat, die Spielweise der Rieder fortzuführen oder gar weiterzuentwickeln. Bei seiner letzten Station in Wiener Neustadt gelang ihm beinahe der Klassenerhalt, was angesichts der Umstände außergewöhnlich gewesen wäre.
Die ersten Effekte seiner Arbeit sah man gleich nach der Winterpause, als die Niederösterreicher mit ihrem Pressing den einen oder anderen Gegner überrumpeln konnten. Als dies nicht mehr zu funktionieren schien, wechselte Kolvidsson die Ausrichtung seines Teams, ließ es vorsichtiger spielen. Insbesondere in den letzten vier Spielen stand man dadurch stabil, kassierte nur ein Gegentor. Im letzten Spiel gegen Altach sah man dann zudem wieder eine höhere Ausrichtung sowie sehr flüssige und zielgerichtete Kombinationen.
Parallelen zu Glasner
Auch Ried durchlief eine ähnliche Transformation. Zu Beginn visierte Glasner, wie einige andere Trainer, das vielzierte Offensiv-Pressing an. Bei der Umsetzung gab es aber gravierende Probleme, sodass Ried im Tabellenkeller festhing. Erst nachdem sowohl Formation als auch Ausrichtung geändert wurden stellten sich zufriedenstellende Ergebnisse ein. Glasner erweckte die, in Österreich gerade mit Ried assoziierte Dreierkette wieder zum Leben und ließ die Mannschaft passiver spielen. Bei acht der zwölf Saisonsiege erzielte man nur ein Tor mehr als der Gegner.
Übernimmt Kolvidsson die Dreierkette?
Angesichts dieser Parallelen wird es interessant, wie Kolvidsson seine Ausrichtung wählt. Bisher setzte der 43-Jährige weitestgehend auf eine 4-2-3-1-Grundformation. Der Rieder Kader bietet hierfür jedoch nicht die breite Vielfalt wie bei seinen vorherigen Stationen. Lässt man die beiden Jungprofis Jakob Kreuzer und Luca Mayr-Fälten außen vor, gib es mit Daniel Sikorski nur einen passenden Solostürmer, während man auf den Flügeln durchaus gut besetzt wäre. Insofern erscheint es realistisch, dass Kolvidsson die Dreierkettenformation übernimmt.
Ebenfalls dafür sprechen würde das Personal in der Abwehr. Gernot Trauner zeigte als zentraler Innenverteidiger einige sehr gute Leistungen. Insbesondere sein Antizipationsspiel und Herausrücken überzeugte, da seine Nebenleute diese Bewegungen gut ergänzten. Als linker Halbverteidiger kommen zudem die Stärken von Petar Filipovic am besten zum Tragen. Der 24-Jährige ist athletisch gut, hat keine Scheu davor mit dem Ball zu dribbeln. Seine strategischen Schwächen würden als etatmäßiger Außen- oder sogar Innenverteidiger aber wohl zu schwer ins Gewicht fallen.
Mögliche Aufstellungen
Abschließend wollen wir uns mit möglichen Aufstellungen beschäftigen. Im 4-2-3-1 wäre aufgrund der erwähnten Schwächen von Filipovic sowie der offensiven Ausrichtung von Oliver Kragl der spanische Neuzugang Alberto Prada – ein solider, aber keinesfalls herausragender Akteur – gesetzt. Zentral gäbe es eine klare Staffelung zwischen einem defensiven Sechser, einem kreativen Zehner sowie Marcel Ziegl als Balancespieler.
Im 3-4-3 könnte Kragl ein Schlüsselspieler sein. Der Deutsche besticht durch seine Athletik und guten Flankenläufe und ist stets bemüht den Ball in die Gefahrenzone zu bringen. Er könnte daher ohne weiteres auch als Flügelspieler zum Zug kommen um Platz für den konservativeren Prada zu machen und gleichzeitig links durchschlagskräftiger als mit Thomas Murg zu sein. Auch Patrick Möschl oder Manuel Gavilan wären Optionen für diese Position.
Der Spanier ist ein durchstechender Akteur, der in hohem Tempo die Schnittstellen attackieren kann. Als Solostürmer ist dies nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, weshalb man sich überlegen könnte, auf das zuletzt praktizierte 3-5-2 zu setzen. Gavilan könnte die weiträumige Rolle von Thomalla einnehmen, gemeinsam mit Walch ein überaus zielgerichtetes Sturmduo bilden und von außen nach innen in gewohnter Weise hinter die Abwehr kommen. In Sikorski hätte man zudem einen kombinationsstarken Stürmer im Talon.
Schlechte Vorbereitungsergebnisse
Obwohl die SV Ried auf dem Papier einmal mehr ihre Aufgaben gemacht zu haben scheint, verlief die Vorbereitung bisher nicht nach Wunsch. Einerseits zog sich die Verpflichtung von Spielern, andererseits waren sowohl Leistungen als auch Ergebnisse in den Testspielen dürftig. Kein einziges davon wurde gewonnen. Gegen Hajduk Split (0:1) und gegen ZP Sport Pobrezova (1:2) verlor man, gegen ASA Targu Mures spielte man 1:1. Besonders ernüchternd war aber die 0:5-Niederlage im letzten Test gegen FK Mlada Boleslav. „Wenn man sagt, dass alles passt“, so Reiter dazu in den OÖN, „dann lügt man sich selbst an.“
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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