Der unterschätzte Balancespieler: Marcel Ziegl und seine Rolle im Rieder Mittelfeld
Bundesliga 22.März.2015 Alexander Semeliker 0
Mit einem verdienten 1:0-Sieg bei der Wiener Austria brach die SV Ried gestern die schwarze Serie der sieglosen Gastspiele in der Bundeshauptstadt. Siegtorschütze in der 80. Minute war Denis Thomalla nach Vorarbeit von Marcel Ziegl. In diesem Artikel analysieren wir dessen Rolle im Rieder System.
Ziegl ist erst 22 Jahre alt, dennoch verfügt er über sehr viel Bundesligaerfahrung. Obwohl er zwischendurch ab und zu wochenlang ausfiel stand er in der höchsten Spielklasse Österreichs bereits in 120 Partien am Rasen – das erste Mal mit 15 Jahren an der Seite seines heutigen Trainers. Schnell etablierte sich der gebürtige Oberösterreicher in der heimischen Liga und ist ein weiteres Beispiel für die hervorragende Nachwuchsarbeit der SV Ried.
Allrounder im zentralen Defensivbereich
Als Stammspieler kristallisierte sich Ziegl in der Saison 2011/2012 heraus. Damals agierten die Innviertler noch im 3-3-3-1-System, dem Markenzeichen des damaligen Trainerteams Paul Gludovatz und Gerhard Schweitzer. Ziegls Fähigkeiten wurden variabel eingebunden. Er spielte teilweise auf einer der drei Positionen im Mittelfeld vor der Abwehr oder wurde als Halbverteidiger hinten in der Dreierkette aufgeboten. Als Mittelfeldspieler kam insbesondere seine starke Physis zum Tragen, dank der er weiträumig agieren konnte. In der Verteidigung bestach er schon damals durch gut getimtes Herausrücken.
In den darauffolgenden Saisonen, in denen Michael Angerschmid das Traineramt bekleidete, wechselte die Grundformation der Rieder zwischen dem erwähnten 3-3-3-1 und dem weitverbreiteten 4-2-3-1. Ziegl spielte dabei meist entweder als linker Halbverteidiger oder als defensiver Part der Doppelsechs. Vereinzelt wurde er auch als Innenverteidiger eingesetzt, was aufgrund seiner Spielweise eine durchaus moderne Interpretation – vermehrtes Herausrücken, nach vorne gerichtetes Passspiel – zur Folge hatte. Nachdem er weite Teile der letzten Saison verletzungsbedingt verpasste, kam es in der laufenden Saison zu einem großen Entwicklungsschritt.
Neuer Trainer, neue Rolle, neue Aufgaben
Oliver Glasner wollte die Mannschaft zunächst ähnlich spielen lassen, wie er es zuvor bei Red Bull Salzburg an der Seite von Roger Schmidt tat: ein enorm vertikal ausgerichtetes Offensivspiel mit hohem, kompaktem Pressing. Diese Implementation ist ihm jedoch nicht gelungen, sodass er neben der Spielphilosophie auch die Grundordnung umstellte. Die Rieder spielen nun wieder mit einer Dreierkette und agieren gegen den Ball abwartender. Ziegl kommt dabei eine sehr wichtige Rolle zu.
Im nunmehrigen 3-4-3 bekleidet der ehemalige ÖFB-Nachwuchsteamspieler die defensive Position im zentralen Mittelfeld, was zunächst nichts Neues ist. An seiner Seite agiert in aller Regel jedoch ein eher offensivausgerichteter Akteur – meist Dieter Elsneg. Dieser bewegt sich hauptsächlich im hohen zweiten Drittel, driftet zuweilen auch nach außen. Auf den Seiten rücken die Außenverteidiger im Offensivspieler sehr schnell und weit auf. Das bedeutet, dass Ziegl sehr viel Platz abdecken muss. Eine Aufgabe, die er dank seiner guten Positionsfindung, taktisch intelligentem Herausrücken und geschicktem Ziehen von Fouls meistert.
Im Wesentlichen entspricht das der Rolle, die Anel Hadzic besonders im 3-3-3-1 prägte. Auch er musste defensiv große Räume sichern. Im Vergleich zu damals agiert die Dreierabwehr mittlerweile viel antizipativer, was Ziegl wichtige Rückendeckung gibt. Insbesondere die Herausrückbewegungen von Gernot Trauner, der ursprünglich ebenfalls im defensiven Mittelfeld zum Zug kam, seien an dieser Stelle hervorgehoben. Anders als Hadzic ist Ziegl in die erste Phase des Aufbauspiels jedoch weniger eingebunden. Er konzentriert sich vielmehr auf das Verteilen des Balls im Bereich des Mittelkreises – etwas, das er in den letzten Jahren seltener tat.
Anpassungsfähiger Balancespieler
Dass Ziegl nun aktiver ins Kombinationsspiel eingebunden wird, liegt unter anderem daran, dass sein Passspiel risikoreicher und vergleichsweise strukturierter wurde. So war seine erste Saisonvorlage beispielsweise ein Schnittstellenpass, den er nach gutem Aufrücken in den freien Raum mit dem ersten Ballkontakt spielte. Auch im letzten Spiel gegen die Austria sah man derartige Pässe das eine oder andere Mal: zum Beispiel sein diagonales Zuspiel auf Clemens Walch in der 46. Minute oder der Pass in den Lauf von Thomalla vor dem Tor.
Insbesondere erstgenannte Szene zeigt, dass Ziegl mittlerweile nicht mehr ausschließlich ein Defensivspezialist ist, der am Ball ängstlich agiert, sondern sich situativ so positioniert, dass er das Spiel beschleunigen kann. Sowohl die Rieder als auch die Austrianer ließen phasenweise im Zentrum große Räume. Ziegl besetzte diese konsequent, wurde aber trotz guter Position nicht immer angespielt. Wenn das Spiel auf den Seite war, sah man bei den Riedern Ballverluste oder die gewohnten Halbfeldflanken, anstatt dem Spiel über das Zentrum Dynamik zu geben.
Einen anderen Aspekt, in dem sich Ziegl weiterentwickelte und der im Spiel gegen die Austria sichtbar wurde, zeigt sein Passschema. Glasner passte in der Generali Arena die Formation und das Personal etwas an, sodass es weniger das gewohnte 3-4-3, sondern vielmehr ein 3-5-2 war. Michele Polverino spielte als zentraler Mittelfeldspieler, Thomas Murg halbrechts und Ziegl halblinks. Dadurch änderten sich auch seine Aufgaben.
Murg hatte die spielmachenden Aufgaben über, ging im Pressing diagonal nach vorne oder rückte zur Seite heraus. Polverino war für die Absicherung zuständig – eigentlich die Rolle von Ziegl. Dieser agierte daher als pendelnder Box-to-Box-Mittelfeldspieler, der die Bewegungen seiner Mitspieler sehr gut ergänzte und ausbalancierte. So sah man von ihm nicht nur die gewohnten defensivstabilisierenden Aktionen, sondern auch drei Torschussvorbereitungen und die erwähnte Torvorlage zum viel umjubelten Siegtreffer.
Alexander Semeliker, abseits.at
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