Didi kickt Gogo raus – und trotzdem braucht Rapid jetzt einen Fußball-Visionär…
Bundesliga 1.Oktober.2018 Daniel Mandl 2
Nach einer neuerlichen sportlichen Bankrotterklärung rutschte Rapid am Sonntagabend auf den achten Tabellenrang ab. Goran Djuricin wurde beurlaubt, Rapid befindet sich intensiv auf Trainersuche. Als möglicher Kandidat wird der am Samstag siegreiche Didi Kühbauer gehandelt.
Es lag eine seltsame Stimmung über Wien-Hütteldorf. Viele Leute waren der Meinung, dass Rapid gegen St.Pölten nur gewinnen könne. Entweder in Form von drei Punkten oder in Form einer Djuricin-Ablöse. Ganz so einfach ist es aber natürlich nicht, denn das Auswechseln einer einzelnen, wichtigen Personalie wird Rapid nicht auf Anhieb stark machen.
St.Pölten macht in Hütteldorf alles richtig
Didi Kühbauer und seine St.Pöltner machten am Samstagabend in Hütteldorf praktisch alles richtig. Während sich das Publikum über die Unbeweglichkeit und Ideenlosigkeit echauffierte, wurde wohlwollend übersehen, dass St.Pölten in einer 5-3-2-Formation antrat und im 5-4-1 tief presste, was die Räume enorm eng werden ließ. Abgesehen davon, dass sich Rapid im Zwischenlinienraum schlecht bewegte, wäre dieses Abwehrbollwerk für die meisten Bundesligateams nur sehr schwer zu knacken gewesen.
Kühbauer-Elf bissiger und immer auf 100%
St.Pölten zeigte sich zudem in den Umschaltsituationen im Vergleich zur Vorsaison deutlich verbessert. Darüber hinaus war Kühbauers Elf sehr bissig, in den Zweikämpfen und Laufduellen entschlossener als die Rapid-Spieler. Diese wiederum wirkten verkrampft, gingen nicht über ihre Mindestleistungsfähigkeit hinaus. Zu viele Bälle wurden früh aufgegeben, zu unausgeprägt waren die gruppen- und mannschaftstaktischen Automatismen.
Auch zum Ende der Ära Gogo nichts Neues
Albert Einstein sagte einmal: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“ – die Spielanlage Rapids unter Djuricin fällt in diese Kategorie. Minimale Adaptierungen, wie etwa das leichte Einrücken der Außenverteidiger Potzmann und Müldür, waren der einzige Versuch die Ordnung des Gegners zu stören. Davon abgesehen war Rapid erneut ausrechenbar wie eh und je.
…aber auch keine Überraschungen im SKN-Spiel
Und ebenso ausrechenbar waren auch die Niederösterreicher. Aber der neue Tabellenzweite war in der angenehmen Situation, sein reaktives Spiel durchziehen zu können. Für den technikverliebten Feinspitz war das freilich nichts, aber Kühbauers Mannschaft zog eine taktisch disziplinierte Partie mit hoher kämpferischer Qualität durch. Eigentlich etwas, wofür Rapid stehen sollte. Es war klar, wie St.Pölten über die 90 Minuten agieren würde und trotzdem kam Rapid nicht gegen das Überraschungsteam an.
„Fan-Lösung“ Kühbauer?
Nach Djuricins Beurlaubung ist nun ausgerechnet Didi Kühbauer ein Kandidat für dessen Nachfolge. Es wäre eine Lösung, mit der man die breite Fanbase der Hütteldorfer vorübergehend beruhigen würde. Als nachhaltig wäre die Lösung aber nicht zu bezeichnen. Kühbauer bewies mehrfach, dass er als Trainer und Persönlichkeit gereift ist. Der Burgenländer wirkt ruhiger, pragmatischer, ist offenbar im Stande einer Mannschaft seine Philosophie einzuimpfen.
Rapids „philosophische Anforderungen“ sehr komplex
Es ist jedoch ein großer Unterschied, ob man eine reaktive oder eine aktive, gestaltende Spielphilosophie installieren muss. Noch dazu eine, die im Idealfall mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte überdauert. Aggressiv gegen den Ball zu arbeiten ist wesentlich einfacher, als – teilweise in Sekundenbruchteilen – die richtigen Entscheidungen am Ball zu finden (noch dazu als Gruppe!) und eine Sicherheit und Selbstverständlichkeit im Offensivspiel aufzubauen, wie man sie derzeit eindrucksvoll in Salzburg beobachten kann.
Ergebnisfußball als kurzfristiges Heilmittel
Die St.Pöltner Spielanlage könnte Kühbauer natürlich nicht 1:1 auf Rapid umlegen. Seinen Stil zog auch schon Damir Canadi durch, der an seinen teils übertriebenen Experimenten mit einer überforderten Mannschaft kläglich scheiterte. Die Stimmung in Hütteldorf wurde damals noch schlechter, als sie ohnehin schon war. Kühbauer kennt das Rapid-Universum, wüsste wohl auch an welchen Schrauben er drehen müsste. So ist es dem 47-Jährigen sicher möglich, bei Rapid in zumutbarer Zeit eine Art Ergebnisfußball zu etablieren. Aber das spießt sich mit dem Grundproblem: Simpler Ergebnisfußball, etwas mehr Reaktion als Aktion, ist nicht die Idee, die Rapid spielerisch verfolgen sollte.
Nicht kurzfristig punkten, sondern nachhaltig!
Bei Rapid erwartet man immer ein Feuerwerk. „Kleine“ Gegner müssen mit einer „Schrauf’n“ aus Wien-Hütteldorf verabschiedet werden. Gemäß des Leitbildes soll Rapid mutig, direkt und hart auftreten. Von Mut war zuletzt wenig zu sehen, jeder Gegner war härter und bissiger und keine Mannschaft in der Liga erzielte weniger Tore als Rapid. Der Tabellenletzte aus Altach machte bereits vier Tore mehr. Rapid ist mental am Boden und man darf nicht dem Irrglauben aufsitzen, dass Einzelgespräche oder Motivationsspritzen für Schlüsselspieler die Kehrtwende bringen. Was wirklich etwas verändern könnte, sind Konzepte, die schnellstmöglich umgesetzt werden müssen.
Konzepte, Konzepte, Konzepte…
Die Probleme in Rapids Spiel sind taktischer Natur. Es mangelt an einem Pressingkonzept, an dem die gesamte Mannschaft teilnimmt. Es mangelt an einem Überladungskonzept bei eigenem Ballbesitz. Es mangelt an klaren Strukturen bei Standardsituationen, sowohl defensiv, als auch offensiv. Wenn diese Probleme aus der Welt geschafft werden, wird Rapid „automatisch“ stärker – denn Rapid würde dadurch „automatischer“ werden.
Es geht nur um gruppen- und mannschaftstaktische Automatismen
Klar hat Salzburg die mit Abstand besten Einzelspieler der Liga, was sie aber so nahe an Europas Spitze bringt, ist das spielerisch Gemeinsame. Nur wenn sich Spieler wie in einer Choreografie bewegen und sich zu hundert Prozent auf ihre gruppentaktischen Aufgaben fokussieren, wird man als Team funktionieren. Alleine durch situativ auftretende Überzahlsituationen, wäre Rapid praktisch automatisch kampfkräftiger, würde in Gruppen besser in Schnittzweikämpfe kommen, die Bälle schneller weiterverarbeiten können. Das Umschaltspiel in beide Richtungen würde gestärkt. St.Pölten zeigte im kleinen Stil, wie dies funktionieren könnte.
Fußball einfach halten vs. Fußball komplex und flexibel gestalten
Der norwegische Fußballwissenschaftler Trond Sollied meinte einmal: „Besser ein schwacher Spieler, der seine Aufgaben richtig erfüllt, als ein starker Spieler, der sie nicht erfüllt“. Hier stellt sich nun die Frage, wie komplex und zumutbar die Aufgaben in Rapids möglicher neuer Spielphilosophie definiert werden. Die Art und Weise wie Kühbauer mit St.Pölten Rapid bespielte, war relativ einfach, aber diszipliniert und konsequent. Je mehr Facetten hinzu kommen, etwa das Verhalten in längeren Ballbesitzphasen, oder das Verlagern, wenn der Gegner wieder mit der nahezu ganzen Mannschaft hinter den Ball kommt, desto umfangreicher werden die Aufgaben.
St.Pölten ist nicht Rapid
Und hier liegt das Problem: Rapid muss in vielerlei Hinsicht definieren, wo genau man hinmöchte und wie das Verhalten in einer Vielzahl von Spielsituationen sein sollte. Dies einerseits gut zu definieren und dann auch noch umzusetzen, braucht einen feinfühligen Offensivtrainer, der im Idealfall bereits mit dominanten Mannschaften gearbeitet hat. Die einfache Rechnung „der Didi hat uns geschlagen, der Didi macht’s sicher besser“ geht unter anderem deshalb nicht auf, weil die Vorzeichen in St.Pölten eben andere sind – auch wenn die Niederösterreicher gerade massiv überraschen.
Rapid braucht jetzt einen Fußball-Visionär
Irgendwann wird Rapids einstiger Spielmacher sicher seine Herzensmannschaft trainieren, aber das Ausmaß der nötigen konzeptionellen Veränderungen erfordert zum aktuellen Zeitpunkt mehr einen Wissenschaftler, als einen Einpeitscher. Zumindest, wenn man den bevorstehenden Trainerwechsel als nachhaltige Lösung verstanden wissen will. Rapid benötigt zuerst eine Spielphilosophie – und die muss so exakt definiert und durchgezogen werden, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Trainer verpflichtet werden können, die sich eben dieser unumstößlichen Philosophie unterordnen müssen. Einen Trainer zu finden, der Rapids Spiel rapid-würdig formt und prägt, ist sehr schwierig – und leider läuft ein solcher Trainer in heimischen Gefilden derzeit nicht mit einem „Wer will mich?“-Schild durch die Gegend…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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