Die Austria und ihre Problemfans – Eine unendliche Geschichte?
Bundesliga 1.September.2011 Daniel Mandl 0
Dieser Artikel handelt von einem komplexen, explosiven und leider auch aktuellen Problemfeld: Der Umgang der Austria mit Problemen fantechnischer Art und Weise. Neben einer Chronologie der vergangenen Jahre wird auch der Umgang vonseiten des Vereins mit jenen hinterfragt, die zu einer Verbesserung der Situation beitragen wollen.
Aber alles der Reihe nach:
24. August 2008: Im Derby gegen Rapid detoniert ein Knallkörper neben Rapidtormann Georg Koch. Ein Abbruch steht im Raum. Rapid entscheidet sich zum weiterspielen und gewinnt zwar mit 3:0 muss aber das Karriereende des Torhüters zur Kenntnis nehmen. Die Causa ist bis heute nicht restlos aufgeklärt.
Wie Mitte August 2011 bekannt wird, klagt der ehemalige Goalie nun Rapid und die Austria bei der FIFA auf über 900.000€ Schadensersatz. Darüber hinaus geht der der Deutsche zivilrechtlich gegen die Securityfirma und den Werfer vor. Eine Entscheidung steht noch aus.
Der 1. Oktober 2009 stellt gewissermaßen einen Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung der violetten Fanszene dar. Beim Europa League Match zwischen der Wiener Austria und dem portugiesischem Vertreter aus Funchal kommt es während der 2. Spielhälfte zu tumultartigen Szenen auf der Osttribüne: Nachdem die von den Vorsängern initiierten Solidaritätsbekundungen mit Ausgesperrten („Wir sind gegen Stadionverbote“) von einem Gutteil der Fans abgelehnt wird (die Mannschaft liegt 0:1 hinten und man will das Team unterstützen) kommt es zur „Abmahnung“(Dieser Begriff stammt aus dem offenen Brief der Viola Fanatics nach dem Vorfall):
Eine Abordnung des „harten Kerns“ attackiert, vom Vorsängerpodium aus dirigiert, einen Gegner der oben erwähnten Solidaritätsbekundungen mit Fahnenstangen, sodass es zu einer Minipanik kommt.
Bemerkenswert neben der Aktion an sich (die doch interessante Schlüsse in Bezug auf das Selbstverständnis der „aktiven Szene“ zulässt) ist auch das mediale Echo, das dadurch hervorgerufen wurde.
Die von Austria-Vorstand Markus Kraetschmer getätigten Ankündigungen („Der Vorsänger wird nicht mehr vorsingen. Er hat kein Hausverbot erhalten, unter gewissen Rahmenbedingungen darf er aber, weil er sich zuvor oft positiv eingebracht hat, weiterhin Spiele der Austria besuchen.“, Online Standard, 7.10.2009) weisen zwei Problemfelder auf: 1.) Die Maßnahme wurde kurz darauf wieder rückgängig gemacht und 2.) Der an dieser Stelle bereits kritisierte Kuhhandel zwischen positivem Engagement für den Verein und tolerierten Entgleisungen wird mehr als offensichtlich.
4.Oktober 2009: FK Austria Wien- SV Mattersburg
Beim ersten Spiel nach Funchal (mit allen medialen Nachbeben) verweigert die organisierte Fanszene die Unterstützung der Mannschaft (die nach Funchal getroffenen Entscheidungen wie Hausverbot für Betroffene, Mirkoanlage außer Betrieb etc. gelten bei diesem Spiel noch) und torpediert des weiteren Versuche spontane Gesänge gelingen zu lassen. Auch wenn dieses Spiel weitestgehend friedlich abläuft offenbart es doch die tiefen Gräben zwischen den Fans.
3.Dezember 2009: FK Austria- Athletic Bilbao
Das Spiel gegen Bilbao kann als das „I Tüpfelchen“ in dieser Entwicklung gesehen werden. Zu unglaublich dummen Aktionen gesellte sich schlechtes Timing. Der Platzsturm beim Stand von 0:2 wurde oftmals fälschlicherweise in kausalen Zusammenhang mit den faschistischen Entgleisungen („Viva Franco“) gebracht. Dies gilt es zurückzuweisen. Es mag stimmen, dass der Platzsturm nur gegen Bilbao möglich war, weil aufgrund diverser vergangener Aufeinandertreffen ein bis dato ungeahntes Aggressionspotential vorhanden gewesen ist. Dennoch ist eine Vermischung der beiden Themenkomplexe Platzsturm und den braunen Rülpsern unzulässig. Unstrittig hingegen ist, dass beide Aktionen aufs Schärfste verurteilt werden müssen.
Infolge des Skandals von Bilbao erarbeitete die Austria einen Maßnahmenkatalog. Die wesentlichsten (weil alle Fans betreffenden) Neuerungen waren einerseits ein Netz vor der Fantribüne, das sowohl gegen Platzstürmer als auch Faschisten wahre Wunder vollbringen kann! Zum anderen wurden personalisierte Abos eingeführt. Diese Maßnahme, so sinnvoll sie manchen erscheinen mag, bleibt bei der derzeitigen Handhabe letztlich doch nur eine Bestrafung der Mehrheit der Fans, denen es nicht möglich ist das Abo weiterzugeben (auch nicht, wenn man das vorher ankündigen und den Ersatzmann namhaft machen würde, der Autor hat dies beim Jubiläumsmatch versucht und ist gescheitert). Des Weiteren wurde die Fanarbeit komplett eingestellt.
26. August 2010: FK Austria- Aris Thessaloniki
Beim Rückspiel des Euro League Play-offs verschaffen sich Neonazis Zugang zum Vorsängerpodest und skandieren Sprüche wie „Zick Zack Zigeunerpack“ und „Hitler ist mein Freund“. Auffällig und bemerkenswert ist, dass diese Aktionen sofort gnadenlos nieder gepfiffen werden, man also nicht von breiter Unterstützung sprechen kann. Trotzdem oder gerade deshalb ist es so ärgerlich, dass dieses Problem scheinbar nicht zu bewältigen ist (auch wenn nach diesem Spiel Hausverbote ausgesprochen wurden).
Nach dem Spiel gegen Aris kündigt Markus Kraetschmer an, dass es die Austria nicht tolerieren wird, dass der FK Austria Wien als Plattform für diverse politische Parolen, die noch dazu nazistisches Gedankengut transportieren, benützt wird. (Online Standard 30. August 2010)
Nun, der erste Teil des Satzes wäre beinahe beim Spiel gegen Red Bull Salzburg knapp einen Monat später in die Tat umgesetzt worden, als man einer Gruppe die Präsentation von „politischen“ Transparenten untersagen wollte. Die Botschaft der, letztlich doch gezeigten, Spruchbänder lautet: „Wir sind echte Austrianer: Nazis raus!
Über die Beweggründe seitens der Stadionsicherheit kann nur spekuliert werden. Die Möglichkeiten (!) reichen vom Wunsch nach Ruhe im Verein bis hin zur tatsächlichen Ablehnung antifaschistischen Gedankenguts.
Ähnliche Fragen drängten sich nach dem Spiel vom 25.05.2011 auf. Beim Saisonfinale gegen Salzburg wird ein Transparent enthüllt auf dem einem verurteilten spanischen Mörder gehuldigt wird. Nun muss man dem Ordnerdienst zugute halten, dass „Josue libertad“ kein gängiger rechtsextremer Code ist, den man sofort erkennen muss. Allerdings drängt sich die Frage auf, warum ein Transparent zugelassen wird, das mit der Austria nichts, aber auch rein gar nichts zu tun hat.
Der Beweis, dass das Fanproblem bei den Veilchen nicht gelöst ist (entgegen anders lautender Behauptungen von Austria Offiziellen nach dem Abbruchderby), ist hiermit erbracht. Die letzte „Aktion“ ist etwas mehr als drei Monate her, auch wenn das Spruchband vom Salzburgspiel nicht ganz so viel Staub aufgewirbelt hat, wie der Platzsturm gegen die Basken.
Des Weiteren bleibt vieles von den Medien unerkannt: Wie zum Beispiel T-Shirt Aufschriften á la „Hasta la vista, antifascista“ (Natürlich ist sich der Autor der Möglichkeit bewusst, derartige T Shirts durch Neutrale Oberbekleidung zu verdecken), aber wer genau hinsieht, kann derlei Anzeichen entdecken – wozu gibt es Fanordner?). Auch getroffene Behauptungen, dass ein Betreten der Osttribüne über das Viola Pub unmöglich sei, stimmen de facto nicht. Gegen die Admira standen zwar Ordner an den offenen Türen zwischen Pub und Tribüne, allerdings wurde ein Betreten des Stadions über das Pub früher dezidiert ausgeschlossen.
Die Wiener Austria bekennt sich in ihrem Leitbild zu den Grundwerten der Toleranz, der Fairness und der Weltoffenheit. Allerdings ist Papier bekanntlich sehr geduldig.
Auf die Umsetzung wartet man momentan vergebens.
Die Aufzählung soll vor allem eins verdeutlichen: Fanprobleme ziehen sich bei der Austria in jüngster Vergangenheit wie ein roter Faden durch die Geschichte des Vereins, ohne dass großartige Erfolge erzielt werden konnten.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Kommunikation vonseiten des Vereins: In der Sommerpause erarbeitete eine kleine Gruppe einen Vorschlag zur Verbesserung der Situation. Nach einer kurzen Einführung, die die Probleme in aller Kürze aufgezeigt haben wurden unter anderem folgende Forderungen gestellt:
1.) Aboweitergabe zumindest an Inhaber einer ID ermöglichen (!)
2.) Konsequentes Vorgehen gegen Rechtsradikale Stadionverbote (und deren Einhaltung!)
3.) Keinerlei Zugeständnisse oder Kompromissbereitschaft ggü. den betroffenen Personen
4.) Überdenken der Personalpolitik im sicherheitstechnischen Bereich und der Fanpolitik
Wie man deutlich erkennen kann handelt es sich um Forderungen sowohl konkreter als auch allgemeiner Natur.
Dass der Verein nicht bedingungslos alles erfüllt ist selbstverständlich. Dass er nicht in der Lage oder willens ist auf das Mail zu Antworten (Eine Kurzantwort hätte zumindest gezeigt, dass das Mail zur Kenntnis genommen wurde), wirft ein schiefes Licht auf die Kommunikation und die Absichten des Vereins zumal, wie weiter oben erwähnt, schon eine Initiative von Fans beinahe untersagt worden wäre.
Zeit genug wäre jedenfalls vorhanden gewesen: Das erste Mail wurde am 18.Juli 2011 verschickt, als darauf keine Antwort kam, wurde eine Kopie am 12. August 2011 an den Verein übermittelt.
Es ist zwar verständlich, dass der Verein den Fokus auf den Sport lenken will, doch mit Augen verschließen wird man das (aktuelle!) Problem nicht in den Griff bekommen.
Patrick Redl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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