Rapid hat am Sonntagabend in der Südstadt über weite Strecken sehr gut funktioniert und die Admira schon in der ersten Halbzeit regelrecht an die Wand gespielt. Das Spiel der Hütteldorfer war wie die Wettersituation in der BSFZ-Arena: Viel Licht und auch ein bisschen Schatten.
Die Hütteldorfer standen in der ersten Halbzeit durchschnittlich um einige Meter höher als in weiten Teilen der Vorsaison. Dass dies möglich war, ist der noch höheren Passgenauigkeit im Mittelfeld geschuldet. Nur wenige Aktionen wirkten wie in einer klassischen „Erstpartie“, die allgemeine Passqualität bei Rapid war hoch, weshalb auch die hohe Gesamtposition der Mannschaft kein Problem bzw. keine Fehlerquelle für mögliche Konter war.
Von Passqualität und der Suche nach Key Passes
Dass die Passsicherheit der Hütteldorfer die Admira nicht zum schnellen Umschalten einlud war eine Sache. Das durch das kompaktere Angreifen auch besser funktionierende Gegenpressing eine weitere. Und schließlich ist Christoph Knasmüllner aufgrund der konkreteren Passstrukturen im letzten Drittel ein Upgrade zu Louis Schaub, der nach Köln abwanderte. Der Ex-England-Legionär verzögert in entscheidenden Situationen kaum, verschleppt das Spiel nicht in die Breite, sondern sucht Key Passes. Dass auch seine Nebenspieler passsicher und im Laufspiel ohne Ball sehr direkt agierten, tat das übrige. Prompt stand es nach diesbezüglich markanten Situationen 2:0 für Rapid.
Bolingoli als extrem offensiver Flügelverteidiger
Das 3:0 resultierte aus einem schweren Abwehrfehler des Gegners und Rapid knipste souverän. Und zwar in Person von Boli Bolingoli, der wohl am meisten von der hohen Feldposition profitierte. Der Belgier wirkte hinter seinem Freund Andrei Ivan fast schon wie ein zweiter Linksaußen und tauchte außergewöhnlich häufig im und um den Strafraum auf. Dass solch schwere Fehler des Gegners auch gleich genützt werden, war bei Rapid ebenfalls nicht immer selbstverständlich. Wenn aber offensiv derart Überzahl- oder zumindest Pattsituationen geschaffen werden und die Defensive des Gegners sich auf mehrere angreifende Spieler konzentrieren muss, werden auch die Abschlusssituationen qualitativ hochwertiger. Ein Problem, das sich bei Rapid seit der Ära Pacult wie ein roter Faden durch die Saisonen zieht.
Der unauffällige Alar und seine wichtige Rolle
Gradmesser war die ersatzgeschwächte Admira freilich keiner, aber die Mannschaft ließ dennoch mehr als nur in Ansätzen aufblitzen, wie viel Potential in ihr steckt. Nahezu jeder Positionskomplex präsentierte sich verbessert. Einzig Deni Alar blieb vorerst blass, was aber auch der Spielanlage Rapids geschuldet war. Alle gefährlichen Aktionen wurden über die Halbpositionen am Übergang vom zweiten ins dritte Drittel initiiert. Alar war dadurch auf der Zentralachse manchmal unauffällig, auch weil die Außenspieler Rapids stark selbst abschlossen. Allerdings erfüllte Alar seine Position gut, wich nicht zu weit aus, blieb gegnerbindend auf der Zentralachse. Die Notwendigkeit eines solchen klassischen Mittelstürmers ist gerade bei Rapid äußerst wichtig.
Djuricin gibt sich hart und kämpferisch
Ab der 35.Minute flaute die Partie ein wenig ab und Rapid begann sich nach und nach zu schonen. Bei hochsommerlichen Temperaturen war das mit einer 3:0-Führung im Rücken durchaus legitim. Trainer Goran Djuricin fand nach dem Spiel dennoch klare Worte, die auch etwas überraschend kamen. Zum zweiten Mal nach dem 4:2-Sieg in Mattersburg am 1.April kritisierte Djuricin die Mannschaft nach einem klaren Sieg offen. Niemand brauche glauben, dass man eine halbe Partie „in Badeschlapfen“ runterspielen kann. Angesichts der sehr starken ersten Halbzeit war mit dieser Kritik nicht unbedingt zu rechnen, allerdings spricht sie für Djuricin und seine Lernfähigkeit. Vom vielgescholtenen Rapid-Coach ist man aus der Vergangenheit unglücklichere Aussagen gewöhnt – und die Kritik an der zweiten Halbzeit seiner Mannschaft ist ein klares Statement, in welche Richtung es bei Rapid gehen soll.
Schongang mit Vor- und Nachteilen
Nüchtern betrachtet hatte der partielle Leerlauf in der zweiten Halbzeit seine Vor- und Nachteile. Die Hitze setzte beiden Mannschaften zu, Rapid konnte sich mit einer 3:0-Führung im Rücken aber passiver geben als die Admira. Das Sommer-Programm ist noch hart genug und gut dosierte Anstrengungen können später Gold wert sein. Andererseits verabsäumte man es, eine richtige Standortbestimmung abzuliefern. Mit dem nötigen Nachdruck hätte der Sieg noch deutlich höher ausfallen können und wäre ein noch deutlicheres Zeichen an die Konkurrenz gewesen. Dass dieses mit einem trotzdem souveränen 3:0 nicht ganz gesetzt wurde, kann in den nächsten Runden mit den Heimspielen gegen Altach und Wolfsberg nachgeholt werden.
„Mannschaftliche Selbstverständlichkeit“
Was man aber definitiv abstellen muss, sind tatsächliche Leichtfertigkeiten vor dem gegnerischen Tor. Veton Berisha holte sich in der zweiten Halbzeit energisch einen Ball, schloss aber zu zweit auf Leitner zulaufend selbst ab, anstatt auf den einschubbereiten Thomas Murg aufzulegen. Auch hierfür gibt es diverse Gründe: Berisha hat Ivan als neuen direkten Konkurrent im Nacken und kämpft um seinen Stammplatz, zugleich wollte der Angreifer seine selbst eingeleitete Torchance auch selbst abschließen. Alles irgendwie verständlich, schön und gut – aber nur wenn’s funktioniert. Ähnlich wie Kostic‘ Chance am letzten Spieltag der vergangenen Saison in Wolfsberg, als er vermeintlich um einen neuen Vertrag spielte. Was bei Rapid also auch noch verbesserungswürdig ist, ist eine gewisse mannschaftliche Selbstverständlichkeit. Kleine Schrauben müssen also in Wien-Hütteldorf weitergedreht werden. Die Basis für eine erfolgreiche Saison ist aber so stark, wie schon lange nicht mehr.
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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