Die Probleme des 4-4-2 der Austria im Derby: Platz zwischen den Linien und ein Riesenloch im Zentrum
Bundesliga 28.Oktober.2013 Alexander Semeliker 0
Nach zehn Derbys ohne Niederlage verlor die Wiener Austria am Sonntag wieder ein Spiel gegen den SK Rapid Wien. Vor 11.500 Zuschauern in der Generali Arena verlor der amtierende Meister aufgrund eines späten Kopfballtors von Terrence Boyd mit 0:1. Trainer Nenad Bjelica scheint nun angezählt zu sein, machte sich das Leben aber auch selbst schwer.
Die Meldungen, dass der 42-jährige Kroate im Derby auf zwei Spitzen setzen würde, die im Vorfeld der Partie durchsickerten, bestätigten sich eine Stunde vor Anpfiff. Neben Philipp Hosiner begann Roman Kienast, womit sich die Grundformation als 4-4-2 darstellte. Sein Gegenüber, Rapid-Coach Zoran Barisic, blieb bei der üblichen 4-2-3-1-Grundordnung, weswegen der Hot Spot der Begegnung schnell ausgemacht war. Auch wenn das Tor letztlich aus einer Flanke von der Seite resultierte und die Austria ihre besten Chancen nach Einwürfen vorfand, drehte sich alles ums Mittelfeldzentrum.
Wahl der Stürmertypen sehr wichtig
Die Unterschiede zwischen einer 4-4-2- und 4-2-3-1-Grundordnung sind im Allgemeinen fließend und marginal. Die Aufgaben der Viererkette sind die gleichen und auch für die Außenspieler im Mittelfeld ändert sich recht wenig. Zudem ist es sogar oft so, dass 4-2-3-1-Mannschaften im Pressing auf zwei Stürmer umschalten. Der einzige Unterschied ist, dass es im einen Fall zwei und im anderen drei zentrale Mittelfeldspieler gibt, wodurch sich spielerische Vorteile zugunsten des 4-2-3-1 ableiten lassen – zumindest am Papier. Denn, dass man in einer 4-4-2-Formation sehr wohl erfolgreich und äußerst dominant auftreten kann, zeigt aktuell Red Bull Salzburg.
Wichtig dabei ist, die beiden Stürmer, bzw. deren Aufgaben, auf die restliche Mannschaften abzustimmen. Die Salzburger verfügen mit Jonathan Soriano und Alan über zwei mitspielende und technisch starke Stürmer. Bei der Austria liefen mit Hosiner und Kienast hingegen zwei Stürmertypen auf, die es sich gerne im Angriffszentrum bequem machen. Auch das wäre an sich kein Problem, wie etwa das Duo Stefan Maierhofer und Erwin Hoffer vor einiger Zeit zeigte, allerdings bedarf es dann der entsprechenden Unterstützung der restlichen Mannschaft. Das war im 307. Wiener Derby jedoch nicht der Fall.
Mader kein Verbindungsspieler und schwache Flügel
So hatte Rapid in der angesprochenen „Maierhoffer“-Ära mit Steffen Hofmann und Branko Boskovic zwei enorm spielstarke Mittelfeldspieler, die entweder über die Seite oder auf der Zentralachse die Verbindungen nach vorne herstellten. Bei der Austria bildeten Florian Mader und James Holland die Doppelsechs. Der Australier gilt zwar als defensivstark, bringt aber nicht die nötigen Qualitäten mit um entscheidende spielerische Impulse zu setzen. So lastete viel Druck auf den Schultern von Mader, der jedoch nicht der richtige Spielertyp für diese Aufgaben ist. Er verfügt zwar über ein sehr gutes Passspiel, das allerdings nutzlos ist, wenn es keine adäquaten Anspielstationen gibt.
Vielmehr wäre ein dynamischer, dribbelstarker Spielertyp gefragt gewesen. Jemand, der den Ball auch am Fuß nach vorne treiben kann und so die Gegenspieler herauslocken würde. Diese Eigenschaften treffen eher auf Tomas Simkovic zu, der jedoch zunächst auf der Ersatzbank platznehmen musste. Eingewechselt wurde er schließlich als Flügelspieler, nachdem Tomas Jun einen weiteren glanzlosen Auftritt hinlegte. Ohne das Formtief des Tschechen zu berücksichtigen, auch er passt nicht ins Profil eines 4-4-2-Flügelspielers. Er positioniert sich meist hoch und mittig, was zusammen mit dem zaghaften Aufrücken von Mader und Markus Suttner für ein großes Vakuum auf der linken Seite sorgte.
Probleme im Umschaltspiel aufgrund fehlender Absicherung
All diese Probleme wurden vor allem im defensiven Umschaltspiel sichtbar. Die Linien der Austria standen teilweise extrem weit auseinander. So standen ganz vorne die beiden Stürmer und die Flügelspieler sowie gegebenenfalls ein Außenverteidiger, während in großem Abstand dahinter erst die beiden Sechser folgten. Nach Ballverlusten der Austria konnte Rapid so in vielen Fällen ohne Probleme durchs Mittelfeld marschieren, Mader und Holland einfach überlaufen. Ein Beispiel dafür war die Torchance von Marcel Sabitzer kurz nach dem Seitenwechsel.
Hier sieht man die schlechten Bewegungen der beiden Stürmer. Beide orientieren sich nur nach vorne, schaffen es dadurch nicht die Rapid-Verteidigung auseinander zu ziehen oder Platz für den Ballführenden zu machen. Der Angriff wird deswegen so lange verzögert, bis die Austria den Ball verliert.
Nach dem Ballgewinn kann Rapid ohne Probleme und Druck einen gefährlichen Konter setzen. Im obigen Bild erkennt man, wieso das möglich ist. Die beiden Sechser stehen zu tief und orientieren sich schon früh nach hinten, da die mannschaftliche Kompaktheit nicht gegeben ist und ein kopfloses Vorrücken Rapid noch weniger Gegenwehr entgegengebracht hätte. Besser wäre es gewesen, sich bereits bei eigenem Ballbesitz so zu positionieren um gleich ins Gegenpressing zu gehen und dem Gegner erst gar nicht so viel Zeit beim Herausspielen zu geben. Das gilt sowohl für die beiden Sechser, als auch die sehr tief stehende Abwehrkette.
Auch Holland falsch eingesetzt?
In der Meistersaion fing die Austria solche Angriffe an der Mittellinie ab. Damals sicherten die beiden Achter die erste Angriffsreihe, bestehend aus dem Solostürmer, den beiden Flügelspielern sowie unter Umständen den Außenverteidigern, ab und hielten den Druck auf die gegnerische Abwehr hoch. Dafür, dass diese nicht ein ähnlich ungutes Gefühl wie im obigen Beispiel bekamen, sorgte Holland als zusätzliche Absicherung. Der 24-Jährige blühte in der Meistersaison unter Peter Stöger auf und sein Wert wird mit dem Misserfolg der Austria zunehmend sichtbar. Holland hält die Zentralachse immer besetzt, verhindert dadurch Schnittstellenpässe und, dass der Gegner einfach durchs Zentrum spielen kann.
Als Teil der Doppelsechs verschob sich sein Aufgabenbereich etwas auf die Seite, wodurch er situativ auch nach außen hätte gehen müssen. Zwar zeugen 88% angekommene Pässe und eine positive Zweikampfbilanz immerhin davon, dass er individuell noch zu den stärkeren Spielern seines Teams zählte, aus taktischer Sicht wirkte er allerdings wie ein Fremdkörper. Er schätze manche Situationen falsch ein, versäumte es die Zentralachse auch mal zu verlassen und auf die Seite zu verschieben. Das sah man unter anderem beim Gegentor, als er den hinterlaufenden Rapid-Außenverteidiger freiließ.
Alexander Semeliker, abseits.at
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