Drei Jahre Austria-Sportdirektor: Eine Zwischenbilanz für Franz Wohlfahrt (2)
Bundesliga 28.Januar.2018 Dalibor Babic 0
Nahezu still und heimlich feierte Franz Wohlfahrt erst kürzlich sein dreijähriges Jubiläum als Sportdirektor der Wiener Austria und blickt zweifellos auf eine turbulente Zeit zurück. Vor allem der Beginn und die Bestellung zum neuen sportlichen Verantwortlichen der Veilchen war dabei alles andere als ruhig, sondern mit einigem an Kritik und Fragezeichen verbunden. Die Außendarstellung war dabei alles andere als glücklich, aber auch die mangelnde Erfahrung auf dieser Schlüsselposition wurde von vielen hinterfragt. Nicht nur die Umstände um die Bestellung, auch die sportliche Situation war zur damaligen Zeit alles andere als rosig. Drei Jahre später ist es nun Zeit für eine Bilanz, auch weil eine mögliche Vertragsverlängerung im Raum steht und in den nächsten Wochen dahingehend eine Entscheidung bevorsteht. Im zweiten Teil dieser Artikelreihe ziehen wir eine Bilanz und beantworten die Frage, ob eine Vertragsverlängerung der richtige Entschluss wäre.
Transferhistorie unter Franz Wohlfahrt
Nachdem wir im ersten Teil die letzten drei Jahre unter der Ägide von Franz Wohlfahrt Revue passieren ließen, bleibt natürlich noch die Einordnung dieser Amtszeit und die Frage offen, ob eine Vertragsverlängerung für den Sportdirektor gerechtfertigt wäre. Zunächst beginnen wir mit den Gründen, die dafür sprechen und die man Wohlfahrt positiv aurechnen kann. Dafür widmen wir uns zunächst der Transferbilanz des Austria-Sportdirektors. Folgende Spieler kamen unter Wohlfahrt zur Austria: Holzhauser, Stronati, Kayode, Windbichler, Kehat, Almer, Friesenbichler, Martschinko, Vukojevic,Venuto,Pechlivanis, Filipovic, Pires, Kadiri, Pejic, Monschein, Westermann, Klein, Demaku, Ruan, Alhassan und Lee (aktuelle Winterneuzugänge nicht inbegriffen). Auf den ersten Blick kann man sagen, dass viele davon auch funktioniert haben und eine Rolle bei der Austria gespielt haben. Als Topverpflichtung lässt sich zweifellos ein Holzhauser einordnen, den man für kleines Geld holte und der ein wichtiger Baustein in den letzten drei Jahren für die Veilchen wurde. Im Sommer lehnte man ein beachtliches Millionenangebot für den Blondschopf noch ab und ohne den auslaufenden Vertrag hätte man den Spielmacher auch für gutes Geld ins Ausland verkaufen können, selbst sechs Monate vor Vertragsende wäre dies noch möglich gewesen. Ebenfalls erfolgreich war die Verpflichtung von Kayode, den man für eine mittlere sechsstellige Summe holte, und mit einem großen Gewinn zu Manchester City transferierte. Ebenfalls mit Gewinn verkaufte man Innenverteidiger Filipovic, den vor der Verpflichtung nur wenige auf dem Schirm hatten und der im Sommer für eine siebenstellige Summe in die Türkei wechselte.
Als weitere gute Neuzugänge lassen sich darüber hinaus Venuto, Pires, Friesenbichler, Martschinko, Westermann, Klein, Almer, Kadiri und Monschein einordnen, die alle eine Rolle bei der Austria spielen und ihr Potenzial bereits zeigten. Auch Kehat könnte man noch dazurechnen, hatte dieser doch zweifellos großes Potenzial, auch wenn ihm letztlich die Konstanz fehlte und er diese nicht immer abrufen konnte. Immerhin verkaufte man den Israeli mit einer ordentlichen Rendite zurück in die Heimat und machte damit ein gutes Geschäft. Das gleiche gilt auch für Windbichler, den man ablösefrei holte und dann verkaufen konnte. Bei AkteurenwiDemaku, Ruan, Alhassan und Lee bleibt es noch abzuwarten, ob sich diese Transfers auszahlen werden. Mit Demaku holte man sicherlich eines der größten Talente des Landes an den Verteilerkreis, aber auch Lee zeigt immer wieder vielversprechende Ansätze.
Bleiben noch einige Flops auf der Liste über. Der größte wird wohl der Routine Vukojevic gewesen sein. Mit hohen Erwartungen lotste man den Kroaten an den Verteilerkreis, der reichlich internationale Erfahrung in der Nationalmannschaft und Champions League sammelte. Jedoch zeigte sich relativ schnell, dass dieser seinen Zenit längst überschritten hatte und nicht zufällig keine große Rolle mehr bei seinem vorherigen Verein Dinamo Zagreb spielte. So blieb es ein zweijähriges großes Missverständnis. Ebenfalls als Flop könnte man Stronati bezeichnen. Der Verteidiger kam für eine hohe sechsstellige Ablösesumme nach Wien-Favoriten und konnte die Erwartungen nicht wirklich erfüllen. Zwar ist der Tscheche durchaus ein ordentlicher Abwehrspieler und hatte speziell in der Europa League gezeigt, dass er auf diesem Niveau problemlos bestehen kann. Jedoch konnte er seine fußballerischen Defizite (speziell im Aufbauspiel) nicht ausmerzen und war dadurch klarerweise mit der Ballbesitz-Philosophie von Trainer Fink nicht wirklich kompatibel. So werden sich wohl spätestens im Sommer die Wege der beiden Parteien trennen und Stronatiwird seine Karriere an einem anderen Ort fortsetzen. Bleiben da noch Pechlivanis und Pejic. Während ersterer auf Empfehlung von Trainer Fink geholt wurde, war Pejic ein Wunschspieler von Wohlfahrt, der auch mit einem langfristigen Vertrag ausgestattet wurde. Die in ihn gesetzte Erwartung konnte der Kroate jedoch nicht erfüllen, auch wenn er immerhin ein wichtiger Bestandteil der Amateurmannschaft geworden ist. Nichtsdestotrotz wurde er für die Kampfmannschaft geholt und bei seinem einzigen Einsatz machte Pejic alles andere als eine gute Figur. Immerhin fallen diese beiden Akteure nicht wirklich schwer ins Gewicht, da sich das finanzielle Risiko in den beiden Fällen in Grenzen hielt.
Zusammengefasst kann man sagen, dass die Transferbilanz von Franz Wohlfahrt durchaus positiv ist. Die meisten Akteure spiel(t)en eine wichtige Rolle bei den Veilchen und mit Kayode, Filipovic und Kehat konnte die Austria eine hohe siebenstellige Ablösesumme herausholen, wobei natürlich der überwiegende Teil dank Kayode zustande kam. Die Flop-Rate blieb relativ gering und einzig bei Stronatiund Vukojevicgriff man finanziell richtig schmerzhaft daneben.
Einheitliche Philosophie und strukturelle Weiterentwicklung
Eine weitere positive Errungenschaft ist zweifellos die strukturelle Weiterentwicklung im sportlichen Bereich der Austria. Da hatten die Veilchen nach der Amtszeit von Thomas Parits einiges an Aufholbedarf und Franz Wohlfahrt brachte einige wichtige Neuerungen in den Verein. Die Wichtigste war dabei sicherlich die übergeordnete Philosophie, die man sich nun wieder an die Fahne heftete. Von Klein bis Groß sollte nun wieder Ballbesitzfußball praktiziert werden und nach diesen Kriterien die Spieler ausgebildet und in die Kampfmannschaft gebracht werden. Dafür war es auch wichtig, dass Wohlfahrt die Kommunikation zwischen Akademie, Amateuren und Kampfmannschaft verbesserte und viel Wert auf regelmäßigen Austausch zwischen den Trainern legte. Eine weitere Verbesserung war sicherlich der Ausbau der Scouting-Abteilung, für die man seit der Übernahme Wohlfahrts wesentlich mehr Aufwand betreibt. Einerseits wurde personell das Team in diesem Bereich erweitert, andererseits pflegt man nun auch eine eigene Datenbank und aktualisiert diese regelmäßig, um interessante Spieler im Blickfeld zu behalten. Dahingehend wurde das Netzwerk stark ausgeweitet und man ist nun auch in ferneren Kontinenten aktiv und behält da den Markt im Auge. Ebenfalls verbessert wurde die medizinische Abteilung, in die man ebenso investierte und auf Vordermann brachte. Mit der Rückkehr in die Generali-Arena sollte dies noch besser werden, da einige Wünsche dahingehend realisiert werden konnten und die Möglichkeiten ausgebaut wurden.
Dahingehend hat man zweifellos einiges auf die Beine gestellt und die Möglichkeiten besser ausgeschöpft. Wichtig wird es sein, dass man sich damit nicht zufrieden gibt und auch in Zukunft in viele Bereiche investiert, um da an Trends anzuknüpfen und den Anschluss nicht zu verlieren.
Was spricht gegen die Verlängerung?
Da es Perfektion bekanntermaßen nicht geben kann, gibt es natürlich auch bei Wohlfahrt Punkte, die zu bekritteln sind. Zunächst sei da einmal die Lage seit dem Sommer genannt. Dass die Kaderplanung alles andere als optimal verlief und es dem Trainer schwer machte in Ruhe zu arbeiten, monierten bereits nicht wenige Kritiker immer wieder und das nicht zu unrecht. Die späten Zu- und Abgänge im Sommer hinterließen zumindest einen eigenartigen Eindruck, auch wenn man natürlich gewissermaßen in einigen Fällen – wie der Ausstiegsklausel von Filipovic -letztlich machtlos war. Dennoch stellt sich auch da die Frage, ohne despektierlich zu sein, wieso man für einen Abwehrspieler der SV Ried eine Ausstiegsklausel vereinbaren muss? Zwar hatte man sie relativ hoch angesetzt und letztlich auch einen beachtlichen Gewinn erzielt, dennoch raubt man sich mit solchen Mitteln Handlungsspielraum und kann gegebenenfalls nur noch reagieren. Thorsten Fink hatte mit seiner Kritik an der Kaderpolitik nicht unrecht, auch wenn er sie zum Teil aus Selbstschutz äußerste.
Etwas undurchsichtig ist auch die Transferstrategie des Sportdirektors seit dem Sommer. Unter dem Schlagwort „Internationalisierung“ wollte man den Blickwinkel ausweiten und auch fernere Märkte ins Visier nehmen. Dafür verpflichtete man Spieler aus Afrika, Asien und Südamerika und lotste diese nach Wien. Nur stellt sich da natürlich die Frage, wie sich das mit dem finanziell wichtigen Österreicher-Topf vereinbaren lässt? Aktuell findet man neun Legionäre im Kader der Veilchen, obwohl letztlich nur maximal sechs davon auf dem Spielbericht stehen dürfen. Gedenkt man in Zukunft auf diesen zu verzichten? Die Strategie dahinter ist nicht ganz einleuchtend und die Kommunikation dahingehend lässt auch zu wünschen übrig. Wünschenswert wäre es da eher, wenn man in Zukunft die Vorstellungen klarer artikuliert und die Strategie dahinter preisgibt. Klar ist aber auch, dass die Zeiten vorbei sind, wo man die besten jungen Österreicher zur Austria holte, wie es in den Jahren unter Parits der Fall war. Mittlerweile hat sich überall in Europa herumgesprochen, dass die Ausbildung in Österreich auf einem guten Niveau stattfindet und dementsprechend fischen immer mehr Angler auf einem doch überschaubaren Teich. Vor allem die zweite deutsche Bundesliga macht den heimischen Topvereinen (abgesehen von Salzburg) zu schaffen und immer öfter entscheiden sich interessante Transferaktien für diesen Schritt, wie zuletzt Dovedan, Möschl oder Jäger, statt bei den heimischen Vereinen den nächsten Schritt zu machen. Aber auch in der Jugend werden viele talentierte Spieler bereits frühzeitig abgeworben und wagen den Schritt ins Ausland, statt sich in der heimischen Liga zu etablieren. Dafür bedarf es natürlich passender Gegenstrategien und der Verzicht auf den Österreicher-Topf könnte so eine sein, ohne den Fokus auf den heimischen Markt zu verlieren. Da gilt es in Zukunft die Balance zu wahren.
Eine weitere Frage die sich stellt ist jene, wo nämlich der Einfluss von Fink anfängt und die fachliche Qualität von Wohlfahrt aufhört. Es sollte kein Geheimnis sein, dass der Sportdirektor auch von dem Erfahrungsschatz und den Ideen des Austria-Trainers profitiert und dieser immer wieder gute Vorschläge einbringt, um den sportlichen Bereich zu verbessern. Natürlich ist ein homogenes Zusammenspiel zwischen Trainer und Sportdirektor sehr wichtig und sollte fruchtbar sein, dennoch wird ein sportlicher Leiter im Normalfall länger da sein als ein Trainer und da ist die Frage nicht unberechtigt, was nach einem Abgang passieren würde. Nach wie vor ist in dem Fall die „beinahe“ Verpflichtung von Felix Magath sehr präsent und hat schon damals nicht umsonst für viel Verwunderung unter den interessierten Beobachtern gesorgt. Letztlich war es im Nachhinein ein Glücksfall, dass dieser doch noch absagte und so die Verpflichtung von Thorsten Fink ermöglichte.
Fazit
Nachdem wir jetzt die letzten drei Jahre Revue passieren ließen, die Pro und Contras evaluierten, wird es Zeit für die Schlussfrage – sollte man den Vertrag mit Franz Wohlfahrt verlängern? Wenn man die Sachlage nüchtern betrachtet und analysiert, dann wäre eine Vertragsverlängerung nicht unbegründet und auch durchaus nachvollziehbar. Letztlich kann man es so zusammenfassen, dass die ersten zwei Jahre durchaus erfolgreich waren, man in diesem Zeitraum eine neue und vor allem junge Mannschaft auf den Platz brachte und vom Tal der Tränen sich wieder zurück in die Spitzengruppe der Liga etablierte, für viele Verbesserungen innerhalb des Vereins sorgte und die sportliche Abteilung insgesamt modernisierte. Einzig das letzte halbe Jahr war nicht mehr so souverän und da wurden auch zweifellos Fehler begangen, die Franz Wohlfahrt im Nachhinein wohl nicht so gemacht hätte.
Dennoch sollte trotz der Enttäuschung vieler Austria-Fans über die letzten Monate der Blick nicht verengt werden und diessollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die bisherige Amtszeit durchaus als positiv zu werten ist. Man hat ein gutes Trainerteam auf der Bank, eine qualitativ gut besetzte Mannschaft mit vielen jungen talentierten Spielern und die Rückkehr in die violette Heimstätte steht endlich bevor. Franz Wohlfahrt hat die Chance verdient, diesen Weg auch weiterhin mitzugehen und den Verein auf erfolgreichen Gleisen zu halten. Er mag zwar kein Wunderwuzzi sein und den Verein revolutioniert haben, aber so negativ ist seine Arbeit auch nicht einzuschätzen. Die Wahrheit wird wohl irgendwo in der Mitte liegen.
Klar ist aber auch, dass in den nächsten Monaten viel Arbeit auf den Sportdirektor wartet, wo doch Abgänge von Leistungsträgern wie Holzhauser und Pires bevorstehen und diese höchstwahrscheinlich ersetzt werden müssen. Immerhin wird bei der nächsten Aufsichtsratssitzung wohl eine Budgeterhöhung und mehr Spielraum für den Sportdirektor ab dem Sommer beschlossen werden, was die Möglichkeiten zu agieren naturgemäß erhöhen wird. Nicht nur das, auch die Vertragsverlängerung wird da wohl abgesegnet, zumindest pfeifen dies die Spatzen von den Dächern. Damit wird auch die violette Torhüter-Legende Franz Wohlfahrt die nächsten Jahre Sportdirektor der Wiener Austria bleiben und sie in die neue Generali-Arena führen.
Dalibor Babic, abseits.at
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