Das 304. Wiener Derby zwischen dem SK Rapid und der Austria markierte das Spitzenspiel der 21. Bundesligarunde. In einer über weite Strecken äußerst intensiven... Dritter Sieg im dritten Saisonderby – Hosiner-Doppelpack reicht defensiv sicherer Austria

Philipp Hosiner (FK Austria Wien)Das 304. Wiener Derby zwischen dem SK Rapid und der Austria markierte das Spitzenspiel der 21. Bundesligarunde. In einer über weite Strecken äußerst intensiven und hitzigen Partie mit 42 Fouls und zwei Ausschlüssen setzten sich die Gäste vom Verteilerkreis im ausverkauften Gerhard Hanappi-Stadion mit 2:1 durch. Matchwinner war einmal mehr Philipp Hosiner, der das Spiel, nachdem Christopher Trimmel das 1:0 erzielte, mit einem Doppelpack drehte.

Thomas König meinte der dritte Derbysieg der Saison, sei ein Zittersieg ohne Glanz gewesen. Optisch war Rapid zwar überlegen, doch ein kurzer Blick auf die Statistik zeigt, dass die These des ORF-Kommentators durchaus Lücken aufweist. Die Austria hatte mehr Ballbesitz (53% zu 47%) und gewann mehr Zweikämpfe (55% zu 45%), was dazu führte, dass die Gastgeber kaum zwingende Torchancen erspielten – nur drei der 13 Torschüsse wurden innerhalb des Strafraums abgegeben.

Rapids Rückkehrer in der Startelf

Im ersten Spiel der Frühjahrssaison waren aufseiten Rapids alle Augen auf Winterneuzugang Branko Boskovic gerichtet. Der Montenegriner bekleidete wie erwartet den offensivausgerichteten Teil der Doppelsechs. Seine Routine sollte für Ruhe im Zentrum sorgen, seine Ball- und Passsicherheit in Umschaltmomenten ausgenutzt werden bzw. für ordnende Pässe im Spielaufbau sorgen. Nach einem guten Beginn erwies er seinen Farben jedoch einen Bärendienst, als er in der 29. Minute Gelb-Rot sah.

Rund um Boskovic sah man die erwartete Formation. Harald Pichler sollte gelegentliche Vorstöße seines Nebenmanns absichern, die Aufstellung von Deni Alar als Solospitze implizierte, dass Peter Schöttel das ballbesitzorientierte Spiel forcieren wollte. Auf den Flügeln setzte er auf das gewohnte Duo Christopher Trimmel und Guido Burgstaller. Neuzugang Marcel Sabitzer musste daher zunächst auf der Ersatzbank platznehmen, konnte nach seiner Einwechslung aber auch keine spielerischen Impulse setzen.

Austrias Rückkehrer auf der Bank

Ähnlich wie beim grünweißen Rivalen stand auch bei den Veilchen ein Rückkehrer im Fokus. Nacer Barazite, der nach einem unglücklichen Jahr in Monaco aktuell ausgeliehen ist, stand aber im Gegensatz zu Boskovic nicht in der Startelf. Anstelle des Niederländers, der offenbar noch nicht voll im Saft steht, begann Marin Leovac auf der linken offensiven Außenbahn. Die Spielweise des 24-Jährigen, eigentlich Außenverteidiger-Backup, ist jedoch nicht ansatzweise so direkt wie jene des gesperrten Tomas Jun.

Nach sehr blassen 45 Minuten (15 Ballkontakte, nur vier angekommene Pässe) wurde er in der Halbzeitpause zugunsten Barazites ausgewechselt. Auf der gegenüberliegenden Seite ersetzte Marko Stankovic den erkrankten Alexander Gorgon, der übrigens das letzte Derby entschied. Ansonsten zeigte die Mannschaft von Peter Stöger die gewohnte Ausrichtung: balancierte Außenverteidiger, ein pressingresistentes Zentrum und ein nationaler Topstürmer vorne drinnen.

Austria trotzt Rapids Anfangpressing

Eine geringfügige Abweichung gab es allerdings in der Mitte, wo Florian Mader und Alexander Grünwald nicht wie üblich eine Doppelacht bildeten, sondern zusammen mit James Holland für eine klare Sechser-Achter-Zehner-Staffelung sorgten. Dies könnte jedoch auch situationsbedingt hervorgerufen worden sein, denn Rapid zeigte zu Beginn ein sehr aggressives und hohes 4-1-3-2-Pressing.

Steffen Hofmann rückte neben Alar auf, Boskovic positionierte sich ebenfalls eine Ebene höher. Die beiden Stürmer sollten dem ballführenden Aufbauspieler in der Dreierkette der Gäste – entstanden durch Zurückfallen des Sechsers und Aufrücken der Außenverteidiger – die Anspielstationen zur Seite nehmen, die Dreierreihe dahinter für zusätzliche Abschirmung sorgen.

Doch die Austria erwies sich einmal mehr als sehr ballsicher und spielintelligent. Lenkte Rapid das Spiel auf eine Seite, wich Mader in den ballfernen Sechserraum aus und die Veilchen konnten sich so aus der missgünstigen Lage herauskombinieren. Manuel Ortlechner brachte 80% seiner Pässe zu einem Mitspieler, Kaja Rogulj 85% und Holland sogar 88% – überragende Werte.

Fehlende Breite auf der rechten Seite

Mannschaftstaktisch war Rapids Anfangsphase defensiv also mehr als ansprechend. Dass man trotzdem keine Balleroberungen in hohen Zonen verbuchen konnte, lag an der individuellen Klasse der Austria. Auch aus dem eigenen Aufbauspiel heraus konnten die Gastgeber keine nennenswerten Chancen kreieren. Dies lag vor allem an der fehlenden Breite auf der rechten Seite. Mit Boskovic und Guido Burgstaller befanden sich die spielstarken Spieler auf der linken Seite, auf der man zwar einige sehenswerte Kombinationen sah, aber in engen Situationen nicht auf die rechte Außenbahn verlagern konnte.

Christopher Trimmel rückte meist ins Angriffszentrum ein und Michael Schimpelsberger wagte sich zu selten so weit vor. Es ist keine Überraschung, dass die wenigen gefährlichen Aktionen dann entstanden, wenn die rechte Seite besetzt war. Der Eckball zum 1:0 wurde herausgeholt nachdem die, zu diesem Zeitpunkt dezimierten Gäste einem Seitenwechsel nur mit Mühe folgen konnten. Kurze Zeit später drang Schimpelsberger in den Strafraum ein, lief sich aber in der FAK-Abwehr fest.

Bombensicherer FAK-Defensive

Die Hintermannschaft der Wiener Austria war ihr großer Trumpf. Zum einen weil sie sich, wie oben erwähnt, sehr pressingresistent zeigte und zum anderen auch die Primäraufgaben exzellent erfüllte. Wie eingangs erwähnt konnte Rapid zwar 13 Torschüsse verbuchen, allerdings meist aus ungefährlichen Feldpositionen. Auch die 18 Flanken konnten die Abwehr des Tabellenführers nicht in Verlegenheit bringen, denn aus ihnen resultierten nur drei Kopfballchancen – eine davon war das Führungstor, bei dem allerdings Torhüter Heinz Lindner patzte.

Die Zweikampfzahlen des kompakten FAK-Zentrums lesen sich ebenso eindrucksvoll wie die vorher erwähnten Passquoten: Rogulj 16:2, Ortlechner 11:4, Holland 14:11, Mader 7:6, Grünwald 11:6. Aggressiv, aber fair jagten sie ihre Gegenspieler über den Platz. Ortlechner, Rogulj und Holland foulten nur viermal, Mario Sonnleitner, Gerson und Pichler kamen auf neun Fouls. Zudem war die Rapid-Innenverteidigung bei beiden Gegentoren nachlässig, konzentrierte sich nur auf den Ball, während sich Hosiner jeweils im Rücken Platz verschaffen konnte.

Zentrale Unterzahl nach Boskovic-Ausschluss

Der Knackpunkt war zweifellos die gelb-rote Karte gegen Boskovic. Rapid stellte daraufhin seinen Spielstil allerdings nicht um. Zwar pressten sie fortan nicht mehr mit zwei Stürmern, jedoch weiterhin relativ weit vorne. Hofmann nahm Boskovics Part ein, Alar war vorne mehr oder weniger auf sich alleine gestellt.Konnten die Hausherren vor dem Ausschluss mit zwei Akteuren an vorderster Front noch Druck auf die FAK-Aufbauspieler ausüben, spürten diese nun bedeutend weniger von diesem.

Diesen Quasi-Nulldruck nutzten die Gäste dann zusehends aus. Hinter der offensiven Dreierreihe von Rapid hatten sie gegen Pichler eine lokale Überzahl, da Mader nun höher stehen konnte und auch Stankovic ab und zu einrückte. In Ruhe konnten sie die erste Pressinglinie umspielen und so vor allem Hosiner stärker ins Spiel einbinden.

Formationsstreckung und Ideenlosigkeit

Dass die Grün-Weißen nach dem Ausschluss weniger Zugriff auf den Ball hatten, lag neben der Unterzahl im Mittelfeldzentrum auch daran, dass sie ihre Formation zusehends streckten. Zu sehen war dies zum Beispiel auch beim 1:2, als Barazite nach einem langen Pass am Flügel zu viel Platz hatte und Hosiner bedienen konnte. Die Unterlegenheit im Zentrum fand nach einem Doppelwechsel – Sabitzer und Boyd kamen für Alar und Schimpelsberger – und dem damit einhergehenden Formationswechsel auf ein 4-1-3-1 seine Fortsetzung.

Aufgrund der Überlegenheit auf der Zentralachse und der erwähnten vertikalen Streckung Rapids boten sich der Austria in der zweiten Halbzeit zahlreiche Kontermöglichkeiten durch die Mitte. Allerdings spielte der Tabellenführer diese nicht konsequent zu Ende sondern drehte meist ab, behielt dafür den Ball und gewann wertvolle Zeit. Das mag zwar nicht überaus glanzvoll sein, ist aber äußerst effektiv – und genau darauf kommt es an, wenn man Meister werden will.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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