Der SK Rapid traf am Mittwochabend erstmals seit 25 Jahren fünfmal gegen den Erzrivalen aus Wien-Favoriten – und das obwohl die Barisic-Elf eigentlich nicht... Eiskalt im Derby: Sechs Gründe, warum Rapid Meister werden kann

Zoran Barisic 2_abseits.atDer SK Rapid traf am Mittwochabend erstmals seit 25 Jahren fünfmal gegen den Erzrivalen aus Wien-Favoriten – und das obwohl die Barisic-Elf eigentlich nicht gut ins Spiel fand. Die Austria rief ihre kämpferisch beste Saisonleistung ab und scheiterte an den Unterschieden in Qualität und Selbstvertrauen. Aggressiv gegen Rapid zu pressen ist eine Sache, mitspielen eine andere.

Die Austria startete kampfkräftig ins Spiel und hatte grundsätzlich keinen schlechten Plan parat – auch wenn dieser vorauszuahnen war. Diagonalbälle auf die linke Angriffsseite, um die etwas wackelige rechte Abwehrseite Rapids zu bespielen. Dort fanden die Veilchen auch immer wieder Larry Kayode, der jedoch fast etwas zu offensiv spielte und es somit immer sehr schnell mit Mario Sonnleitner zu tun bekam. Wenn es zum Duell mit dem schnellsten Innenverteidiger der Liga kam, neutralisierten sich die beiden. Gefährlich wurde es lediglich, wenn Kayode spät nach innen zog und so im Rücken von Auer für Gefahr sorgen konnte. Beim athletisch starken Nigerianer haperte es jedoch an der Effizienz.

Eiskalte Rapidler

Diese wiederum war der große Trumpf des SK Rapid: Von neun Schüssen aufs Tor gingen fünf rein – jeder zweite Feldspieler der Startelf durfte sich einmal in die Torschützenliste eintragen. Bei nahezu allen Toren gab das gewaltige Selbstvertrauen der Hütteldorfer den Ausschlag. Ob es nun Schwabs Schuss zum 3:0, Stangls Assist-Assist vor dem 2:0, Hofmanns Sprint über den ganzen Platz mit bis zu 30 km/h und trockenem Abschluss zum 4:1, oder Schobesbergers fast schon selbstverständliche Flanke vor dem 5:1 war. Bei Rapid weiß man um die aktuellen Qualitäten bestens Bescheid, während die Austria noch etwas zwanghaft wirkte. Diese Verkrampfung zu lösen sind Fragen der Zeit und der Gewöhnung an die neue Mannschaft in Violett. Keine Frage: Die Austria wird 2015/16 noch besser werden. In der vierten Runde kam die extrem homogene Rapid-Mannschaft aber zu früh für die Fink-Elf.

Eine komplette Rapid-Elf

Rapid ist reif für den Titel. Das kann man bereits nach einem Monat Spielbetrieb in der neuen Saison ruhigen Gewissens konstatieren. Die Mannschaft wirkt gefestigt und kampfstark, ist gegen mitspielende Gegner enorm stark im Spiel ohne Ball und bringt eine gehörige Portion Selbstvertrauen und –verständnis mit. Bei den vielen Kleinigkeiten, die weiterhin verbessert werden müssen, können sechs Punkte den Ausschlag für eine erfolgreiche Saison in Grün-Weiß geben.

Sehr hohe Leistungsdichte

Vor fünf Tagen drehte Florian Kainz mit seinen beiden Treffern das zähe Heimspiel gegen Wolfsberg. Gerademal drei Tage später verbuchte der Steirer nichts Zählbares, jedoch sprangen seine Kollegen in die Bresche. Philipp Schobesberger traf einmal, bereitete zwei Tore vor; Steffen Hofmann erzielte sein erstes Tor aus dem Spiel heraus seit fünf Monaten; Stefan Stangl brillierte als luxuriöser „Notnagel“ in der linken Verteidigung; Stefan Schwab gelang bereits sein zweites Tor im vierten Ligaspiel. Bei Rapid kann momentan nahezu jeder Spieler dem Gegner wehtun und speziell das Mittelfeld präsentiert sich wesentlich torgefährlicher und sogar noch sicherer in ihrem Spiel als in der Vorsaison.

Backups mit Klasse

Während Zoran Barisic in den vergangenen Jahren in brenzligen Situationen nur wenig Qualität von der Bank bringen konnte, kann er in der neuen Saison Topleute ins Rennen schicken, wenn’s nicht läuft. So saßen bei den Hütteldorfern im Derby Louis Schaub, Philipp Huspek oder Deni Alar anfangs draußen. Mit Stefan Nutz stand einer der besten Mittelfeldspieler der abgelaufenen Bundesligasaison zum wiederholten Mal nicht im Kader des Tabellenführers. Rapids Qualität in der Breite stieg im Vergleich zur Vorsaison enorm – einerseits aufgrund der Neuzugänge, andererseits, weil die Alteingesessenen sich durch die Bank verbessern konnten oder ihre Form beibehielten. Speziell Spieler wie Stangl oder Petsos machten einen deutlichen Schritt nach vorne.

Er trifft und trifft und trifft

Alle 105 Minuten ein Treffer, fünf Tore in den ersten sieben Saisonpflichtspielen: Robert Beric macht dort weiter, wo er letzte Saison aufgehört hat. Der slowenische Angreifer ist natürlich das Objekt der Begierde zahlreicher internationaler Topklubs, aber der Faktor Zeit spielt Rapid in die Karten. Die Transferzeit dauert noch bis Ende August und die meisten internationalen Vereine stellten ihre Kader bereits fertig zusammen, weshalb es aktuell auch keinen wirklich brennheißen Verhandlungspartner gibt. Passieren kann natürlich auch spontan noch etwas, aber das Gesamtpaket, das Rapid Beric aktuell bietet, ist ein großer Vorteil für den souverän knipsenden 24-Jährigen. Wenn Beric verletzungsfrei und – vor allem – bei Rapid bleibt, könnte er seine Fabelsaison 2014/15 durchaus wiederholen. An Vorlagen wird es nicht scheitern.

Gewaltige Power in der Mittelfeldzentrale

Vielgescholten, zwischendurch abgeschrieben, ausgepfiffen… Thanos Petsos machte in den letzten 1 ½ Jahren einiges durch. Doch der Deutschgrieche arbeitete hart weiter und zog sich selbst aus der Tinte. Aktuell ist Petsos der Dreh- und Angelpunkt im Rapid-Mittelfeld, mit sensationellen Passwerten, gutem Stellungsspiel und der nötigen Ruhe auf der Sechs. Vor ihm blüht Stefan Schwab auf der Acht auf. Der Ex-Admiraner musste nach seinem schweren Foul als Jairo Riedewald ebenfalls viel Kritik einstecken, schien durch die negative Berichterstattung aber weiter angeheizt. Ein Tor in Salzburg, ein Tor im Derby und kampfkräftige Leistungen waren die Folge. Auch im zentralen Mittelfeld verfügt Rapid über die nötige Kaderbreite: Der immer besser werdende Srdjan Grahovac und Stefan Nutz, der noch etwas Zeit braucht, stehen in den Startlöchern für die Position hinter dem unverändert hart rackernden Kapitän Steffen Hofmann, dem man seine bald 35 Jahre kaum anmerkt.

Alles wegräumen

Rapid praktiziert derzeit Spaßfußball, schoss in den ersten sieben Pflichtspielen der neuen Saison nie weniger als zwei Tore. Allerdings kassierte man auch neun Gegentreffer, was zumeist Abstimmungsproblemen an den Flügeln geschuldet war. Keine Vorwürfe kann man hingegen der Innenverteidigung machen. Nach zwischenzeitlichen Formschwankungen präsentiert sich Mario Sonnleitner wieder in Hochform und nimmt es in typisch selbstbewusster Manier mit jedem Gegenspieler auf. Neben ihm rittern Maximilian Hofmann und Christopher Dibon um den zweiten Platz, was sich auch positiv auf deren Leistungen auswirkt. Die Innenverteidigung Rapids ist rustikal, enorm zweikampfstark und sehr diszipliniert – ebenfalls ein Zustand mit Seltenheitswert, wenn man sich die Jahre davor in Erinnerung ruft.

Geduldig geblieben, Plan aufgegangen

Last but not least sind auch Rapids Trainer und dessen Trainerteam zu einem echten Asset geworden. Oft wurde Zoran Barisic von den eigenen Fans verschmäht und medial – so auch hier – scharf für seine Spielphilosophie und oft übertrieben scheinende Geduld kritisiert. Die wenigsten hielten es für möglich, dass Barisic das Ruder herumreißen und aus einer jungen Mannschaft, die noch dazu hoher Spielerfluktuation ausgesetzt war, eine Elf zu formen, die ernsthaft um den Titel mitspielen kann. Doch der 45-Jährige blieb geduldig und seiner nicht immer beliebten Linie treu. Innerhalb eines Jahres puzzelte das Trainerteam eine Mannschaft zusammen, die zwar nicht mit klassischen Rapid-Tugenden glänzt, aber jetzt das macht, was von ihr verlangt wird. Die Qualität im Team ist ungemein hoch, das Gesamtpaket Rapid noch stärker als im Frühjahr und das Offensivspiel Rapids hat endlich wieder einen klaren Wiedererkennungswert. Alleine diese Tatsache hebt die Grün-Weißen aktuell von allen anderen Klubs der Liga ab. Noch steht Zokis Truppe ein weiter Weg bevor, der aufgrund der zahlreichen Spiele im Herbst auch den einen oder anderen Rückschlag parat haben wird. Der Titel ist jedoch 2015/16 kein Subjekt vorsichtiger Liebäugelei mehr, sondern realistisch.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

Schreibe einen Kommentar zu fauli Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert