Entwicklungsklub Rapid: Von langen Vorlaufzeiten, Wertentwicklung und Nachwuchsscouting
Bundesliga 28.Dezember.2014 Daniel Mandl 6
Nun könnte argumentiert werden, dass Rapid einfach nicht über Spieler verfügt, die den Top-Talenten von Dinamo, Partizan oder sogar Anderlecht nahekommen. Das darf schlichtweg keine Ausrede sein – weder für Rapid, noch für andere österreichische Klubs. Wie uns mittlerweile glaubhaft anhand starker Leistungen auf internationalem Parkett präsentiert wurde, verfügt auch Österreich über hochtalentierte junge Spieler, die sich vor niemandem verstecken müssen. Nur rechtzeitig finden muss man sie. Dies führt uns zum Thema Nachwuchsscouting.
Konkretere Chancen bieten: Gegenentwurf zu Red Bull Salzburg
Hier hat Rapid großes Optimierungspotential, das zwar nach und nach ausgeschöpft wird, aber noch immer weit von der Ziellinie entfernt ist. Der Nachteil Rapids ist, dass Red Bull Salzburg im Nachwuchsbereich extrem dominant auftritt und die größten Talente des Landes schon sehr früh an den Verein bindet. Das kostet natürlich noch nicht viel, zumal keine exorbitanten Ablösesummen zu bezahlen und lediglich vernünftige Planungsarbeit und ein entsprechendes Trainings- und Ausbildungsumfeld erforderlich sind. Dennoch dürfte der sprunghafte, finanzkräftige Klub aus der Mozartstadt – klammert man die sensationelle Infrastruktur aus – kein besseres Pflaster für junge Spieler sein als Rapid, das viel mehr auf seinen eigenen Stall angewiesen ist. Der Vorteil ist, dass Rapid einfach mit einem Gegenentwurf punkten und selbst beweisen könnte, dass es bei Rapid leichter ist, aus dem eigenen Nachwuchs in die erste Mannschaft zu kommen, als bei Red Bull Salzburg. Große Konkurrenz auf dem Gebiet des Nachwuchsscouting, etwa bei Austria Wien oder Sturm Graz, hat Rapid nicht zu befürchten. Dort stecken die Scoutingbemühungen in jüngsten Jahren noch mehr in den Kinderschuhen.
Nachwuchsnationalteams
Blickt man auf den aktuellen Kader der österreichischen U15-Nationalmannschaft, findet man die halbe Mannschaft von Red Bull Salzburg wieder. Auch einige Rapid-Spieler sind in diesem Kader vertreten – in der U17 sind es derzeit zum Beispiel drei (Heilmann, Skrbic, Oppong). Je älter die Auswahlen werden, desto rarer sind die Rapid-Spieler gesät. In der U19-Nationalmannschaft findet sich aktuell kein einziger Rapidler wieder. Dafür aber vier Legionäre und je fünf Austrianer und Lieferinger. Dabei handelt es sich größtenteils um Spieler, die schon sehr früh ihr Können zeigen durften und das auf, für ihr Alter, recht hohem Level.
Die besten Spieler aus dem direkten Umfeld
Rapid muss sich demnach einerseits darauf konzentrieren, in einer heißen Phase zwischen 9 und 14 Jahren die besten jungen Spieler des Landes oder zumindest des direkten Umfeldes (Wien, Niederösterreich, Burgenland) zu verpflichten und diese dann systematisch zu entwickeln. Andererseits sollte jedoch auch in Betracht gezogen werden, diese Spieler dann nicht bei der zweiten Mannschaft versauern zu lassen, bis sie 20 oder 21 Jahre alt sind.
Nicht Einzelne als Spieler entwickeln, sondern den Wert mehrerer Spieler entwickeln
Rapid war zuletzt aufgrund der finanziellen Lage immer wieder gezwungen sich für eine Europacupgruppenphase zu qualifizieren oder einen Spieler zu verkaufen. Dieser Verkaufszwang wurde in der Vergangenheit auf zu wenige Schultern verteilt. Zu wenige Spieler wurden tatsächlich entwickelt. Einige Junge verbesserten sich ein wenig, sind jetzt gut genug für die heimische Liga, haben aber dennoch gewaltigen Nachholbedarf, weil jahrelange Entwicklung durch den überlangen Aufenthalt bei den Amateuren verlorenging. Brian Behrendt ist hierfür ein ideales Beispiel. Dieser kam erst kurz vor seinem 22.Geburtstag in der Kampfmannschaft zum Zug, obwohl er schon gut zwei Jahre zuvor dafür geeignet gewesen und entsprechend heute schon viel weiter wäre.
Hinterherhatschen
Rapid ist in diesen allgemeinen Abhandlungen als Sinnbild für den gesamten österreichischen Fußball zu betrachten. Sehr viele Vereine machen auf diesem Gebiet sehr große Fehler. Da sich Rapid aber dezidiert dem Konzept eines „Entwicklungsklubs“ verschrieben hat, ist das Aufzeigen dieser Fehler anhand des Beispiels Rapid naheliegend. Rapid entwickelt nämlich nicht systematisch, sondern sehr oberflächlich. Die Kicker werden immer ein bisschen besser, finden langsam in der Kampfmannschaft ihren Rhythmus, sind aber für internationale Klubs weitgehend uninteressant, weil sie zahlreichen nicht minder talentierten Spielern in anderen Jahren um Jahre „hinterherhatschen“. Und hier ist noch gar nicht von Begriffen wie Spielphilosophie, Spielanlage oder Matchplan die Rede.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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