Nachdem der Kader des SK Rapid kurz vor Ende der Transferzeit noch einmal umgekrempelt wurde, sollten die neuen Legionäre für frischen Wind bei den... Es fehlte nur 1% – Rapid zeigt Top-Leistung und war am Ende doch ein wenig „zu brav“

Nachdem der Kader des SK Rapid kurz vor Ende der Transferzeit noch einmal umgekrempelt wurde, sollten die neuen Legionäre für frischen Wind bei den Hütteldorfern sorgen. Dass das erste Spiel der „neuen Rapid“ auswärts beim Meister stieg, war schon hart genug – der Spielverlauf machte das Spiel für Rapid aber zu einer richtigen Reifeprüfung.

Gerademal sechs Pässe – davon nur zwei zu einem Mitspieler – hatte Mario Pavelic nach einer Viertelstunde gespielt. Nach 16 Minuten musste er mit glatt Rot vom Platz. Farkas ging gebückt bzw. mit dem Kopf nach unten in einen Zweikampf auf hohem Tempo; Pavelic rauschte mit etwas zu hohem Bein an, zog im letzten Augenblick noch zurück, traf aber neben dem Ball auch Farkas. Gelb hätte es hier auch getan, Schiedsrichter Muckenhammer entschied sich aber dafür, das potentielle Verletzungsrisiko beinhart zu bewerten und schickte Pavelic vom Platz.

Kompensation und fragwürdige Besetzung

Rapid musste nun also über 75 Minuten mit einem Mann weniger spielen – es war bereits die vierte Unterzahl im siebten Bundesligaspiel. Kompensation gab es wenige Minuten später, als ein Foul von Louis Schaub an Valon Berisha nicht geahndet wurde. Einige Fans waren aber allgemein über die Schiedsrichterbesetzung verwundert: Muckenhammer stammt aus Oberndorf bei Salzburg – nur seine Mitgliedschaft beim Oberösterreichischen Fußballverband ermöglichte ihm eine Teilnahme an der Partie.

Gutes Konzept vor dem Ausschluss

Die rote Karte veränderte den Charakter des Spiels natürlich massiv. Die erste Halbzeit war trotz hoher Intensität und vieler Zweikämpfe hochinteressant zu beobachten, weil Rapid zwangsläufig zwei verschiedene Gesichter zeigen musste. Vor dem Ausschluss versuchte die Djuricin-Elf den Ball laufen zu lassen, sich in der Hälfte der Salzburger festzusetzen. Durch das Fehlen eines klassischen Flügels wurden immer wieder die Halbräume überladen, was Rapid da und dort mit Ball in gefährliche Zonen brachte.

Heterogenes Stürmerduo

Über die gesamte erste Halbzeit spielte Neuerwerbung Veton Berisha als eine Art Freigeist hinter bzw. neben Joelinton. Das 4-2-3-1 der Hütteldorfer war nominell eher ein 4-4-2 – oder wenn man’s ganz realistisch betrachtet ein 4-4-2-0. Joelintons Aktionsradius lag extrem tief und in die unmittelbare Gefahrenzone kam der Brasilianer praktisch nie. Berisha strahlte mehr Gefahr aus, rührte mehr um, musste sich aber ebenfalls immer nach hinten fallen lassen. Da Joelinton weitgehend lustlos wirkte und jedwede Dynamik vermissen ließ, funktionierte das Sturmduo der Hütteldorfer nicht gut.

Kvilitaia-Berisha dürfte besser passen

Dass die Stürmer allgemein etwas tiefer spielten war dem Charakter des Spiels geschuldet. Nach der roten Karte wurde diese Ausrichtung noch etwas markanter. Die Grundpositionen von einem Doppelsturm mit Joelinton und Berisha wird sich erst in 80% der weiteren Spiele weisen, wenn Rapid Feldüberlegenheit in höheren Zonen kreieren kann. Theoretisch sollen die Vorteile, die Berishas Spiel Rapid geben kann, aber auch dafür sorgen, dass der zweite Stürmer sich noch mehr in der Spitze aufhalten und seinen Aktionsradius verkleinern kann. Dies wiederum würde eher für ein Gespann aus Kvilitaia und Berisha sprechen – so sagt es zumindest das Gefühl. Ein Gradmesser war das verrückte Spiel in Salzburg jedenfalls nicht.

Gute taktische Reaktion nach dem Ausschluss

Die rote Karte fiel in eine Phase, in der sich Salzburg erstmals ein wenig befreien und Kontrolle über die Partie erlangen konnte. Die taktische Reaktion der Hütteldorfer auf den Ausschluss war aber blitzsauber und bewies, dass man den Kader auch defensiv sehr clever verstärkte. Bolingoli, Galvao und Hofmann bildeten fortan eine Dreier-Innenverteidigung. Murg ließ sich auf der linken Seite weit zurückfallen und spielte eine Art offensiven Außenverteidiger, den Ljubicic auf rechts wiederum sehr flexibel auslegte und sich spielintelligent von innen nach außen orientierte. Schaub gab dem Mittelfeld ein wenig Tiefe, Schwab hatte fast eine Vorstopper-artige Rolle inne. Rapid agierte demnach in einer Art 3-3-1-2-System, in dem sich – wie bereits beschrieben – beide Stürmer tief fallen ließen.

Salzburg zu zentrumslastig

Salzburg versuchte dieser Ausrichtung mit Tiefe entgegenzuwirken. Die Innenverteidiger Caleta-Car und Igor standen extrem hoch und auch die Durchschnittspositionen der Doppelacht mit Samassekou und Haidara waren sehr offensiv. Gleichzeitig verabsäumten es die Mozartstädter dem Spiel Breite zu geben. Die Angriffsbemühungen waren zu stark zentriert und die Räume zu eng. Praktisch durchgehend hatte man den Eindruck, dass es einen Querschläger oder einen individuellen Fehler Rapids in einer der vielen unübersichtlichen Situationen braucht, damit ein Salzburger mal alleine auf Torhüter Strebinger zulaufen könnte.

Rapid wird nach und nach sicherer

Rapid stand aber auf der Zentralachse gut und wurde mit der Zeit auch beim Herausspielen besser. Während man in der hektischsten Phase der Partie, also vor der Pause, noch Bälle nach vorne drosch um hinten für Absicherung zu sorgen, wurde man in der zweiten Halbzeit sicherer bei der direkten Weiterverarbeitung von eroberten Bällen. Vor allem Ljubicic kam dabei immer besser ins Spiel und war damit ein enorm wichtiger Faktor im Spiel Rapids, um den am Ball zu schwachen und vor allem viel zu langsam reagierenden Schwab zu entlasten. Dieser wiederum zog viele Zweikämpfe auf sich, konnte aber mit dem Ball deutlich zu wenig anfangen. Es wirkte (einmal mehr), als wäre er nach kraftaufwändigen Balleroberungen zu erschöpft (womöglich auch im Kopf), um den Ball gezielter weiterzuverarbeiten.

Top-Leistung der defensivsten Rapidler

Die letzte Abwehrinstanz spielte indes geschlossen eine Top-Partie: Ohne Richard Strebinger wäre Rapid nicht so lange im Spiel geblieben, der flexible Brasilianer Galvao war der beste Feldspieler, dicht gefolgt vom unkonventionellen aber sehr stabilen Bolingoli und dem sehr konsequenten Maximilian Hofmann. Der zur Pause eingewechselte Stephan Auer brachte schließlich noch Masse hinzu, agierte auf der rechten Defensivseite und stand zumeist schlichtweg im Weg. Seine äußerst unübliche Statistik nach 45 Minuten: Er spielte nur zwei Pässe (die aber beide klärende Aktionen waren), brachte keinen an den Mann und verlor seine drei Zweikämpfe. Auer kam also praktisch nur zum „Mitschieben“ in die Partie, was aber fast für einen „Dreier“ gereicht hätte.

Führung für Rapid, Einwechslung Schlager

Nach einer Stunde bekam das Spiel dann beidseitige Wendungen: Ljubicic erzielte in einer Drangperiode der Salzburger aus einem Konter das 1:0 für Rapid und Marco Rose brachte Xaver Schlager für den schwachen Farkas, was dem Spiel des Meisters endlich die erstrebenswerte Breite gab. Fortan hatten die zehn Rapidler erstmalig Probleme, die linke Angriffsseite des Gastgebers zu verteidigen. Das Spiel verlagerte sich immer mehr in Richtung Rapid-Strafraum und ein Treffer der Bullen war praktisch eine Frage der Zeit – denn davon hatte man noch genug.

Verrückte Tore zum 1:1 und 1:2

Dass ausgerechnet der überforderte Schwab mit einem Eigentor das 1:1 besorgte, ist ebenso zynisch, wie die Tatsache, dass dieses aus einem Standard resultierte, den Schlager mit einem für Rapid (Murg) vermeidbaren Lauf über die linke Angriffsseite herausholte. Drei Minuten nach dem Ausgleich brachte Djuricin Sonnleitner für Berisha um das Ergebnis über die Zeit zu bringen und stellte den kurz zuvor eingewechselten Schobesberger an vorderste Front. Knapp eine Minute nach Sonnleitners Einwechslung und Schobesbergers „Nach-Vorne-Schieben“, erzielte Letzterer nach einem Traumzuspiel von Bolingoli über den halben Platz das 2:1 für Rapid.

Abwehrschlacht in den letzten Minuten

Alle Wechsel waren bereits getätigt und von hier weg war klar, dass das Spiel Rapids nur noch auf Verteidigen ausgelegt sein kann. Die zehn Grün-Weißen schlugen sich bis zu Dabburs Seitfallzieher in der 92.Minute sensationell, drängten den Meister in dauerhafter Unterzahl an den Rand einer Niederlage – aber dennoch scheiterte mal wieder an sich selbst. Aus völlig unerfindlichen Gründen war der Strafraum vor dem 2:2 blank, wurde vonseiten Rapids falsch attackiert. Konzentrationsprobleme sind nach einer so langen Unterzahlsituation völlig natürlich und können passieren. Aus der Hand gab Rapid das Spiel aber einmal mehr in den Minuten davor.

Es fehlte nur 1%: Rapid in allerletzter Instanz wieder „zu brav“

In den letzten Atemzügen der Partie war sich Rapid zu sicher. Eigentlich nicht verwunderlich, weil Rapid auch weiterhin recht sicher spielte. Aber nach 75-minütiger Unterzahl, bei einer 2:1-Führung beim Meister, fünf Minuten brutto vor dem Ende, keine einzige Gelegenheit zum „Wassern“ (wienerisch: Zeitspiel) zu nutzen, ist zwar höchst sportlich, aber auch dumm. In der finalen Phase des Spiels scheiterte Rapid mal wieder daran, „zu brav“ zu sein. Kaum auszudenken, wie Liga-Nachzügler in derselben Situation die restliche Spielzeit „zerstört“ hätten. Rapid war stattdessen zu grün hinter den Ohren, kassierte den extrem bitteren Ausgleich und nimmt neben einem Punkt lediglich eine gewaltige Kraftleistung, die auch mit reichlich (aber nicht ausreichend) Cleverness gespickt war, mit. Und wie immer bei Rapid: Wenn diese Intensität und Kampfbereitschaft in einer Woche in Altach nicht in gleichem Maße bestätigt werden kann, dann war die Top-Leistung in Salzburg schlichtweg nichts wert.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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