Extremes Abkippen, Ballbesitzfokus und schnelle Kombinationen: Die Spielphilosophie des Thorsten Fink
Bundesliga 12.Juni.2015 Rene Maric 1
Thorsten Fink wird mit der kommenden Saison Trainer bei Austria Wien. Vielfach wurde diese Verpflichtung gelobt; trotz einer schwierigen Zeit beim Hamburger SV gilt Fink für viele als großes Trainertalent. Diesen Status hat er sich insbesondere in seiner Zeit beim FC Basel erobert und nach wie vor gibt es einige, welche daran festhalten.
Weiters ist Thorsten Fink mit 48 Jahren noch kein alter Trainer und kann langfristig bleiben. Außerdem kann Fink auf eine durchaus beeindruckende Spielerkarriere zurückblicken (U21-Nationalspieler, vierfacher deutscher Meister, CL-Sieger mit den Münchner Bayern). Doch abgesehen davon ist wenig über Fink bekannt. Seine Spielphilosophie dürfte für viele Österreicher gar eine große Unbekannte bilden.
Illustre Trainerkarriere
Fink beendete 2006 seine Karriere beim FC Bayern – als Stand-By-Profi bei den Amateuren. In seiner Laufbahn gewann er mit dem deutschen Rekordmeister die Champions League und den Weltpokal, war zuvor bei Wattenscheid und Karlsruhe in der zweiten und dritten Liga unterwegs, sowie in der Jugend beim BVB.
Doch bereits in seiner Zeit als Stand-By-Profi wandte er sich der Trainerarbeit zu und fungierte unter Gerland als Helfer des Trainerstabs. Nach Abschluss seiner Fußballlehrerausbildung und seinem offiziellen Spielerkarriereende sammelte Fink erste Trainererfahrung – und zwar in Österreich. Bei Red Bull Salzburg trainierte er erst die Amateurmannschaft der Bullen (und wurde Meister der Regionalliga West), später diente er Trapattoni als Assistent.
Nach dieser Erfahrung erhielt Fink einen Job bei Ingolstadt in der deutschen Regionalliga. Doch nach einer guten Hinrunde startete eine längere sieglose Serie, welche Fink die Entlassung einbrachte. Umso überraschender war es, dass Fink im Sommer 2009 der Nachfolger von Christian Gross beim FC Basel wurde.
Diese Einstellung sollte sich für Basel lohnen. Schon in der ersten Saison 2009/10 holte er das nationale Double und stellte gar einen Torrekord auf. Auch 2011 gewann er den Titel, bevor er daraufhin zum Hamburger SV im Oktober abwanderte. Hierbei muss eine Sache beachtet werden: Fink wechselte nicht nur zu einem Verein mit vielen Krisen und internen Problemen, sondern wurde auch der Nachfolger von Michael Oenning, einem der womöglich schlechtesten Trainer in den letzten fünf Jahren in der Bundesliga.
Der HSV lag auf dem letzten Platz, als Fink kam, und er schaffte noch den 15. Tabellenplatz. In der Folgesaison landete man zu Saisonende sogar auf dem siebten Platz, was den HSV aber nicht hinderte nach einem schlechten Saisonstart Fink schon im September 2013 zu entlassen. Dass der HSV danach deutlich mehr Probleme hatte, als jemals unter Fink, sollte hierbei notiert werden.
Bei APOEL zeigte Fink eigentlich eine gute Leistung, trotz der Entlassung – zu jenem Zeitpunkt lag man noch zwei Punkte vor dem Zweitplatzierten in Führung bei noch zwei ausstehenden Partien.
Insofern müsste Fink rein vom Lebenslauf eigentlich eine gute Option für die Austria sein. Doch wie konnte Fink diese durchaus vorhandenen Achtungserfolge schaffen?
Basel-Zeit gibt Aufschluss
Bei Basel spielte Fink öfters mit einem sehr extremen Abkippen, wo einer der zwei Sechser (Huggel oder Xhaka, der aktuelle Gladbach-Spielgestalter) sich oft und sehr lange zwischen die Innenverteidiger fallen ließen. Dieses Abkippen wurde teilweise nicht nur kurzzeitig genutzt, um das Aufbauspiel anzukurbeln und die Flügelverteidiger höher zu schieben, sondern wurde vielfach auch als Absicherung praktiziert. Mit durchgehend drei Spielern an der Seite, erhöhten Aufgaben für die Flügelverteidiger und Halbverteidiger sowie zahlreichen Flügelangriffen drängte sich Basel nach vorne und erspielte sich viele Chancen.
Interessant war die Mischung aus Ballbesitzfokus, schnellen Kombinationen und teils fast überhastet abgeschlossenen Angriffen. Basel konnte unter Fink den Ball länger in den ersten zwei Reihen halten und hatte quasi eine Unterzahl in der Spielfeldmitte. Dies war aber kein Problem: Durch die Überzahl in der ersten Reihe ließ man den Ball laufen, lockte den Gegner heraus und spielte dann über die individuell stark besetzten Flügel nach vorne.
Mit Stocker, F. Frei und Shaqiri sowie die Außenverteidiger Park und Steinhöfer gab es hier gleich mehrere gute Einzelspieler. Besonders Shaqiri und Park waren – ebenso wie Xhaka zentral und Dragovic in der Innenverteidigung – wichtige Spieler, welche das System zum Laufen brachten. Neben Shaqiris inversen Läufen und Abschlüssen, sowie Xhakas situativen Vorstößen waren es natürlich auch die zahlreichen Flanken und die eiskalten Stürmer Streller und Alex Frei, welche für die nötige Durchschlagskraft sorgten.
Trotz anderem Spielermaterial war beim HSV ähnliches unter Fink zu beobachten.
Beim HSV: Pressing und Simplizität
In seiner Zeit als Trainer des HSV zeigten sich – ebenso wie beim FC Basel in der Champions League – die Schwächen dieses Systems. Im Vergleich zur Planlosigkeit unter Oenning gab es natürlich eine klare Steigerung und einen direkten Aufschwung. Das Abkippen, die klarer verteilten Aufgaben und passenden Rollen sorgten für eine ballbesitzorientierte Spielweise mit erhöhter Stabilität. Folgende Grafik wurde uns freundlicher Weise von spielverlagerung.de zur Verfügung gestellt:
Doch im Gegensatz zu seiner Zeit beim FC Basel fehlte es etwas an der Präsenz im letzten Drittel, der Durchschlagskraft und der individuellen Überlegenheit. Desweiteren konnten sich die deutschen Trainer gut an Fink anpassen. Nach einiger Zeit fanden sie Mittel, um die offenen Räume in der Mitte – vorrangig in den defensiven Halbräumen – auszunutzen und schnell in diese Zonen zu kommen. Immer wieder fingen sich die Rothosen Gegentore aus Konterangriffen ein.
Dennoch ist die Leistung des HSV unter Fink als positiv zu sehen. Und besonders interessant ist, wie enorm gut Finks Pressingsystem in jener Zeit abschnitt. In diesem tollen Artikel von Colin Trainor bei StatsBomb ist Fink sogar der zweitbeste Trainer bei den „erlaubten gegnerischen Pässen pro eigener Defensivaktion“ in höheren Zonen; nur knapp hinter Sandoval anzusiedeln und noch vor Leuten wie Guardiola, Jemez, Klopp oder Bielsa.
Allerdings bleibt abzuwarten, was Fink bei der Austria leisten kann. Ähnliche Hoffnungen und auch ein ähnliches Profil hatte bereits Gerald Baumgartner; wie die Geschichte endete, weiß man. Wir sind gespannt, ob Fink seine Zeit beim FC Basel replizieren kann.
René Maric, www.abseits.at
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Rene Maric
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