Fehlende Cleverness: Deshalb schaute für Rapid nur ein Punkt raus!
Bundesliga 23.Juli.2017 Daniel Mandl 0
2:2 im ersten Bundesligaspiel der neuen Saison zu Hause gegen Mattersburg. Vor der Partie hätte wohl niemand bei Rapid dieses Ergebnis „genommen“ – nach über einer Stunde in Unterzahl musste man dies jedoch. Eine Analyse des ersten Heimauftritts des SK Rapid 2017/18.
Goran Djuricin überraschte den Gegner mit seiner offensiven Mittelfeld-Dreierreihe. Steffen Hofmann startete als Zehner, Keles auf links, Murg auf rechts. Schaub saß nur auf der Bank, Szántó war nicht mal im Kader. Dass Sonnleitner in der Innenverteidigung statt Maximilian Hofmann startete, war wohl den zu erwartenden Zweikämpfen mit Maierhofer geschuldet. Schrammel bekam wie erwartet den Vorzug gegenüber Bolingoli.
Gerald Baumgartner änderte im Vergleich zu seiner ersten Saisonaufstellung im Cup nichts. Die spektakulären Rochaden sollten erst im Laufe der Partie kommen und den Mattersburgern sogar noch einen Punkt bescheren.
Toller Kampf vs. Fehlender Cleverness
Rapid zeigte gestern Nachmittag zwei Gesichter. Auf der einen Seite einen aufopferungsvollen Kampf in Unterzahl, auf der anderen Seite schlampiges Spiel, zu wenig Cleverness und schwache 20 Minuten zu Beginn der Partie. Paradoxerweise war es Joelintons Ausschluss, der Rapid aufweckte und ins Spiel brachte. Davor war das gar nichts.
Schwacher grün-weißer Spielaufbau
Die schwache Anfangsphase hatte ihren Ursprung im Spielaufbau. Gleich mehrere Teile der grün-weißen Zentralachse funktionierten nicht, wie sie sollten und die von den Mattersburgern gut gepresste Schwachstelle in Rapids Abwehr sorgte für die übrige Unsicherheit:
+ Rapid schaffte es nicht, das Spiel durch die Mitte aufzubauen. Speziell die Dichte in der Zentrale des zweiten Drittels war nicht hoch genug, die Flügelspieler machten das Feld zu breit.
+ Joelinton war als Speerspitze gegen die Mattersburger Innenverteidiger abgemeldet, wurde bei langen Bällen nicht selten gedoppelt. Die Burgenländer erreichten so viele zweite Bälle.
+ Mattersburg schaffte es, durch Maierhofers aufwändiges Pressing, Sonnleitner im Aufbau nach außen zu rücken.
+ Die allgemein passschwächere rechte Seite der Rapid-Viererkette machte gezwungenermaßen Fehler und spielte in Bedrängnis zu viele lange Bälle. Die Aufbauordnung Rapids wurde damit durch einfaches Anlaufen der schwächeren Seite zerstört.
Auer stärkster Mann
Richtig überzeugen konnte von Start weg nur Stephan Auer. Der lange Zeit als Wackelkandidat gehandelte Sechser entwickelte sich in den letzten Monaten zu einem fast unverzichtbaren Fighter. Er hatte seine Aktionen stets im Griff und machte das einzig Richtige: Nämlich das Einfache! Simple Ballweiterverarbeitungen sind in Ballbesitz seine Aufgabe und über diese lehnt er sich kaum heraus.
Zu wenig Raumgewinn im Kreativbereich
Auch wenn Auer in der Zentrale stark spielte, war das Spiel Rapids nicht homogen genug. Gleichzeitig zeigten die „Kapitäne“ Schwab und Hofmann nämlich durchwachsene Leistungen und versprühten nicht gerade spielerischen Esprit. Das Kurzpassspiel funktionierte phasenweise gut, aber Rapid konnte nur ganz selten Raumgewinne verzeichnen. Die längst überfälligen schnellen Wechselpässe auf die Flügel kamen erst zustande, als Rapid in Unterzahl spielte und die Mattersburger ihr Visier öffneten.
Große Dummheit von Joelinton
Der Ausschluss von Joelinton war in zweierlei Hinsicht der Knackpunkt in einer für Rapid schwierigen Partie. Rapid hatte natürlich auch ein wenig Pech, weil eigentlich Novak und Joelinton Rot sehen hätten müssen, aber das Nachtreten des Brasilianers bremst Rapid nicht nur kurzfristig, sondern höchstwahrscheinlich auf Wochen hin. Der zweite Stürmer Giorgi Kvilitaia ist nach wie vor verletzt, Joelinton dürfte auch noch im Derby gesperrt sein.
Rapid überzeugt im engeren 4-5-0
Dass die Hütteldorfer innerhalb einer Stunde in einem 4-5-0-System einen Zwei-Tore-Vorsprung erzwangen, spricht natürlich für die Moral und die Kampfkraft der Hütteldorfer. Dies gelang, weil Rapid das Spielfeld verkleinerte. Bei gegnerischem Ballbesitz wurde der Pressingschwerpunkt nach hinten verlegt, sodass in höheren Zonen weniger Laufarbeit verrichten werden musste. Bei hochsommerlichen Temperaturen eine sehr wichtige Sache!
Wendepunkt bereits zehn Minuten vor den Gegentoren
Rapid gab das Spiel nicht unbedingt in den Minuten 70 bis 80 aus der Hand, in denen Mattersburg seine beiden Treffer erzielte, sondern bereits in den zehn Minuten davor. Etwa fünf Minuten nach dem 2:0 begann der SVM – der mit Maierhofer, Pink und Prevljak bereits drei Stürmer auf dem Platz hatte – etwas mehr Druck zu machen. Rund um die 65.Minute verabsäumte es Rapid aber Tempo rauszunehmen. Die Spieler ließen weiterhin einen soliden Spielfluss zu, nahmen zu wenig Zeit von der Uhr und Djuricin tätigte seine drei Spielerwechsel in einer zu langen Zeitspanne.
SVM spielerisch nicht ideal aufgestellt
Mattersburg hatte spielerisch weiterhin nicht allzu viel mitzureden. Die häufigsten Passmuster betrafen das defensive Dreieck mit Ortiz, Rath und dem starken Jano. Große Raumgewinne konnten die Burgenländer aus dem Spiel heraus nicht verzeichnen, dafür aber nutzten sie ihren numerischen Vorteil durch höhere Physis im letzten Drittel. Hohe Bälle wurden praktisch immer ansatzweise gefährlich, die Kräfte bei Rapid schwanden.
Zu lange Wechselspanne
Djuricin wechselte nach 66 Minuten Position für Position: Schaub kam für Murg. Ein legitimer Wechsel, auch wenn man sich von Schaub mehr erwarten musste. Rapids Zehner blieb blass und ließ Spritzigkeit vermissen. Gleichzeitig ließ sich der Rapid-Trainer aber zu viel Zeit, um den bereits nach einer Stunde platten Hofmann und den (mit Fortdauer des Spiels) beim ersten Kontakt oft überhastet agierenden Keles auszuwechseln. Die Wechsel zogen sich über einen Zeitraum von 17 Minuten und gaben Mattersburg zwischenzeitlich wieder die Möglichkeit ins Spiel zurückzufinden.
Rapid hätte zehn wichtige Minuten „komplett zerstören“ können
Ein Gedankenspiel, wie es anders hätte verlaufen können: Wechselt Djuricin nicht zwischen der 66. und der 82.Minute, sondern zwischen der 66. und der 72.Minute, entschärft er die heikelste Phase und zerstört den Spielfluss. Rapid hätte praktisch bei jeder Unterbrechung einen frischen Spieler gebracht, zwischendurch sogar den Vorteil der obligatorischen Trinkpause gehabt. Hätten sich die Hütteldorfer zudem beim Herausspielen oder beim Ausführen von ruhenden Bällen oder gar Einwürfen etwas mehr Zeit gelassen, wären knapp zehn Spielminuten einfach verschwommen und hätten Mattersburg den Rhythmus genommen.
Mit dem 2:0 falsch umgegangen
Stattdessen schleppte sich Rapid über den Platz und kiefelte immer mehr an der lange andauernden Unterzahl. Durch die zu kurzen Einsatzzeiten und das zu hektische Spiel Rapids kamen die Einwechsler Sobczyk und Bolingoli nicht ins Spiel und enttäuschten beide. Währenddessen hatte Mattersburg bereits vier Stürmer auf dem Platz und konnte sich nach und nach Vorteile durch die übermächtige Physis im Angriffsdrittel erarbeiten. Rapid verlor die Kontrolle, konnte auch aus konditionellen Gründen nicht mehr gezielt kontern und kassierte fast zwangsläufig zwei Gegentore. Der Fokus auf Konter war angesichts der Begleitumstände allgemein zu stark – Rapid hätte in der heißen Phase bei 2:0 eher spielerische Entlastung gebraucht und keine intensiven Läufe, um die anstürmenden Mattersburger vielleicht noch mit dem 3:0 zu überraschen. Wenn die Hütteldorfer das 2:0 bis zur 80.Minute gehalten hätten, wäre wahrscheinlich gar nichts mehr passiert…
Mattersburger Stärken in die Karten gespielt
Rapid machte knapp 45 Minuten sehr vieles richtig und überzeugte auch in Unterzahl mit Kampfgeist und einigen guten Aktionen. Am Ende war jedoch Mattersburg deutlich cleverer. Individuelle Fehler sind nie komplett abzustellen und dürfen passieren, aber eine Rapid-Mannschaft, die schon so lange zusammenspielt, muss einen spielerisch durchschnittlichen Gegner auch in Unterzahl anders bespielen. Stattdessen erlaubte man den Mattersburgern den Fokus auf ihre größte Stärke zu legen: Die Physis. Die Leistung Rapids war zweifelsfrei in Ordnung, aber manchmal reicht auch eine Viertelstunde Komplettversagen auf Platz und Bank für eine kalte Dusche.
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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