Der SK Rapid ging nominell wesentlich offensiver ins 301. Wiener Derby als der Erzrivale aus Favoriten und blieb dennoch über 90 Minuten zahnlos. Was... Fehlender Siegeswille, emotionslose Außendarstellung – ein schreckliches Derby endet 0:0 und spielt Salzburg in die Karten!

Der SK Rapid ging nominell wesentlich offensiver ins 301. Wiener Derby als der Erzrivale aus Favoriten und blieb dennoch über 90 Minuten zahnlos. Was war schuld daran, dass das vierte Saisonduell der traditionell verfeindeten Wiener Klubs „qualitativ“ an das 300. Duell zwischen Grün und Violett anknüpfte.

Auf Seiten Rapids muss vorweg bemerkt werden: „Never change a winning team“. Peter Schöttel tat dies jedoch und bot eine völlig andere Mannschaft auf, als die, die zuletzt 2:1 gegen Wiener Neustadt gewann und in ähnlicher Formation locker in der Südstadt gegen die Admira bestand. Die Startelf des Wiener-Neustadt-Spiels machte ihre Arbeit verhältnismäßig gut, erarbeitete sich auch ohne Steffen Hofmann einige Chancen, hätte sich in ähnlicher Konstellation einen Einsatz gegen die Austria verdient.

Hier die Elf, die gegen Wiener Neustadt begann:

Gegen die Austria standen zu Beginn des Spiels nur noch sechs Spieler der siegreichen Startelf vom vorherigen Wochenende auf dem Platz. Einzig der erkrankte Guido Burgstaller musste ersetzt werden, alle anderen Änderungen waren Geschmackssache.

Die Startelf Rapids im 301. Wiener Derby. Rot unterlegt die Änderungen im Vergleich zur Vorwoche:

Am ehesten sind die Änderungen auf den Außenverteidigerpositionen nachzuvollziehen. Die etatmäßigen Stammkräfte Katzer und Schimpelsberger rückten für Schrammel und Thonhofer in die Elf. Am Ende spielten jedoch wieder Schrammel und Schimpelsberger, weil Katzer bereits früh verletzt raus musste. Ebenfalls raus musste Boris Prokopic in der zweiten Halbzeit: Der Mittelfeldspieler, der in den letzten zwei Wochen einen merklichen Schritt nach vorne machte, viel spritziger und ideenreicher wirkte als in der restlichen Saison, wurde auf eine Position gestellt, die die große Verantwortung in sich birgt, das Tempo im Mittelfeld der Grün-Weißen bestimmen zu müssen. Damit kam der gebürtige Slowake nicht zurecht und zu allem Überfluss verletzte er sich schwer am Knie, wodurch er voraussichtlich bis November ausfallen wird.

Unlogisch: Kulovits auf der Bank

Prokopic auf die Position des „8ers“ zu ziehen, war angesichts der letzten Spiele und des ohnehin sehr offensiven, direkt orientierten Mittelfelds völlig unlogisch. Der 24-Jährige zeigte sich eindeutig nur auf den offensiveren Positionen im offensiven oder rechten Mittelfeld verbessert und mit Stefan Kulovits verfügte Peter Schöttel über einen Spieler, der zuletzt zwei sehr gute Partien ablieferte und gegen die Austria trotzdem wieder auf der Bank Platz nehmen musste. Gerade bei „Kampfgelse“ Kulovits war dies absolut unverständlich, genießt er doch weithin den Ruf eines „Derbyspielers“. Der defensive Mittelfeldspieler ist einer, auf den man gerade in hitzigen Duellen nur ungern verzichtet. Er geht im Mittelfeld die unangenehmen Meter, kommt schnell hinter den Ball, gewinnt Zweikämpfe und ist auch im Stande mannschaftsinterne Arschtritte zu verteilen, wenn sich ein jüngerer Spieler hängen lässt.

Zweite Bälle gehörten der Austria

All das wäre bei Rapid notwendig gewesen. Das offensichtlichste Problem, abgesehen von der eindeutig fehlenden Qualität (was jedoch auch auf die Austria zutrifft): Rapid gewann im Mittelfeld keine „zweiten Bälle“. Knappe Zweikämpfe, bei deren Ausgang auch Zufall und Glück mitspielten, landeten am Ende zumeist bei der Wiener Austria. Die Veilchen erzwangen ihr Glück in den Zweikämpfen, indem sie energischer um knappe Bälle kämpften, als die Hütteldorfer. Eine Tugend, die Rapid auch aufgrund des Fehlens von Stefan Kulovits vermissen ließ.

Heikkinen als defensiver Spielmacher hilflos

Spielerisch funktionierte bei Rapid rein gar nichts. Markus Heikkinen wurde in die wichtigste Rolle des Spielaufbaus und der Temporegulierung gezwungen. Der Finne spielte keine besonders fehlerbehaftete Partie, war jedoch arm dran, weil er im Aufbauspiel kaum Unterstützung von seinen Kollegen bekam. Boris Prokopic tauchte unter, Deni Alar blieb blass, Atdhe Nuhiu hatte aufgrund der energischen Deckungsweise von Kaja Rogulj und Manuel Ortlechner technische Probleme. Wenn man zwischendurch ein kurzes Aha-Erlebnis zu haben schien, weil Sonnleitner und Pichler tempierte und überlegte, schnelle Bälle aus dem ersten Dritten spielten, wurde man bei nächster Gelegenheit gleich eines Besseren belehrt. Gefühlt landete jeder zweite Aufbauversuch der Rapid-Innenverteidiger beim Gegner oder im Nirvana, auch wenn die beiden defensiv einmal mehr tadellos spielten.

Flügelspieler leicht auszurechnen

Die Außenspieler Rapids präsentierten vor allem fürchterliches Positionsspiel. Das völlig unentschlossene und teils egomanische Lauf- und Passspiel des Christopher Drazan ist seit einigen Monaten kaum mehr bundesligatauglich. Drazan, der Rapid verlassen will, um sein Glück im Ausland zu suchen, sollte sich Gedanken darüber machen, welcher Verein einen Spieler nehmen würde, der offensiv völlig ineffizient und zweidimensional spielt, defensiv aufgrund der falschen Dosierung seines Laufspiels viel zu kurze Wege geht und zudem zumeist über die gesamte Spielzeit rotgefährdet ist. Da auch Christopher Trimmel seiner Herbstform hinterherläuft waren die Flügelspieler Rapids weitgehend abgemeldet und auch die Außenverteidiger hatten so ihre Probleme das Spiel anzukurbeln. Mit einem Satz beschrieben: Rapid war am vergangenen Sonntag von hinten bis vorne eine tote Mannschaft.

Neutral

Unglaublich, dass das Spiel 0:0 endete, denn auch wenn die Austria leichte Vorteile hatte, etwa die Flügel besser zur Geltung bringen konnte, war es den Wiener Violetten in einem Duell „Not gegen Elend“ nicht vergönnt, den Ball im Tor unterzubringen. Verdient wäre es aufgrund der ebenfalls unterirdischen Leistung des Tabellendritten auch nicht gewesen – aber immerhin verdienter als ein Auswärtssieg des Tabellenzweiten. Die Austria schaffte es nie offensive Präsenz in der Mittelfeldzentrale zu schaffen. Ganz im Stile der bisherigen Vastic-Performances machte man defensiv die Zentralachse dicht, agierte in einem normal gestaffelten Pressing mit dem Prinzip der Manndeckung gegen Rapids Speerspitze Nuhiu und versuchte über die offensivsten drei Spieler in Tornähe zu kommen. Weil aber auch Rapids Abwehr im Duell Mann gegen Mann stark agierte, kamen keine Torchancen zustande. Manuel Ortlechner brachte es auf den Punkt: „Die beiden Teams neutralisierten sich.“ Und das passiert meistens, wenn sich keiner der Akteure ein Herz nimmt dies zu ändern.

Abwehrreihen nahezu ident gestaffelt

Beide Teams verteidigten nicht tief genug, um dem Gegner eine Brechstangentaktik zu ermöglichen und nicht hoch genug, um sich bei Ballverlusten durch steile Pässe und schnelle Spieler aus der Ruhe bringen zu lassen. Sicherheit war oberstes Gebot. Nur ein einziges Mal hätte es aufgrund einer zu hohen Abwehrpositionierung brenzlig werden können: Ein weiter Pass erreichte Deni Alar, der alleine aufs Tor ging, den Ball jedoch suboptimal mitnahm. Alar kam nicht zum Torschuss, holte aber immerhin einen Eckball heraus – der nichts einbrachte. Dies bezeichnete Rapid-Trainer Peter Schöttel später als „beste Chance des Spiels“.

Keiner wollte den Sieg um jeden Preis

Womit wir auch schon beim pikantesten Thema des Derbys sind: Unerträgliche Zufriedenheitsparolen der beiden Trainer. Gerade gegen Ende der zweiten Halbzeit, als die Austria Rapid mehr Raum ließ, sodass diese eventuell auch mit hohen Bällen in den gegnerischen Strafraum operieren konnten, sah man eine Rapid-Mannschaft, die den Sieg nicht mehr wollte. Das 0:0 war für alle in Ordnung, keiner bäumte sich auf, keiner wollte unbedingt gewinnen. Die Austria wollte ein bisschen mehr, ließ aber den nötigen Nachdruck ebenfalls deutlich vermissen. Die Spielanlage der Violetten ist einfach erklärt: Hinten gut stehen, vorne auf ein Wunder hoffen. Wie durch ein Wunder ist der FK Austria mit diesem System bereits seit fünf Pflichtspielen unbesiegt, wodurch die Verantwortlichen immer wieder das Positive hervorkehren können. Aber rein spielerisch wurde das Derby den Ansprüchen der Favoritner bei weitem nicht gerecht.

Rückstand ist eh gering, wir haben eh nicht verloren, es ist eh alles gut…

Schöttel redete später von…

…einem rassigen Spiel,

…einer „nicht gerade berauschenden“ Leistung,

…der positiven Erkenntnis, dass Rapid den Vorsprung auf die Austria halten konnte

…und, dass ihn primär der Europacupplatz und nicht der Titelkampf mit Red Bull Salzburg interessiert.

Ein erneuter Stich ins Herz jedes Rapid-Fans, denn selten zuvor präsentierte man sich im Lager der „Grün-Weißen“ derart zahn- und emotionslos. Niemand sagt, dass das 0:0 gegen eine ebenfalls schwache Austria zu wenig war. Niemand sagt, dass es ein Jammer ist, neuerlich die Chance vergeben zu haben an Salzburg vorbeizuziehen. Und niemand sagt, dass das Derby das war, was es wirklich war – nämlich fürchterlich. Sämtliche Verfolgertrainer, allen voran Schöttel und Vastic, scheinen die große Chance zu übersehen, die ihre Teams aktuell haben. Rapid liegt nur einen Punkt hinter Salzburg, die Austria fünf. Aber in beiden Lagern freut man sich eher darüber, dass der Rückstand eh weiterhin klein ist, Schnittpartien wenigstens nicht verloren werden, anstatt kämpferischer zu Werke zu gehen und – auch öffentlich, sodass es die Fans mitbekommen – immer wieder mehr von den Spielern zu fordern. Diese Lethargie spielt Salzburg in die Karten – denn die Roten Bullen sind das einzige Team, bei dem öffentlich kommuniziert wird: „Ja, wir wollen Meister werden!“ Psychologisch sinnvoller als das Rosinenpicken und Schönreden eines Derbys, das keinen einzigen wirklich guten Spieler, beidseitig keine spielerische Linie und schon gar keine zwingenden Chancen sah.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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