Flankenmaschine: Oliver Kragl und die Suche nach der idealen Rolle im Gludovatz-System
Bundesliga 12.September.2015 Alexander Semeliker 0
Die SV Ried kommt als Schlusslicht aus der Länderspielpause. Nach sieben Spielen hält man bei nur vier Punkten und musste bereits 18 Gegentore einstecken. Offensiv läuft es mit fünf eigenen Treffern nicht besser. Ob Neo-Coach Paul Gludovatz dieses Manko beheben kann, könnte mit einer speziellen Personalie zusammenhängen.
Als Oliver Kragl im Sommer 2013 ins Innviertel kam konnte man schnell erkennen, dass Ried-Manager Stefan Reiter erneut ein goldenes Händchen bewiesen hat. Zufällig beim SV Babelsberg in der dritten deutschen Liga entdeckt erzielte der Linksfuß in seinen ersten beiden Spielzeiten in Österreich elf Bundesligatore und bereitete weitere 16 vor. Aktuell hält er bei zwei Assists, wirkt aber wie die gesamte Rieder Mannschaft angeschlagen.
Neuinstallation des 3-3-3-1
Als Gludovatz zum zweiten Mal nach 2008 das Traineramt bei der SV Ried war schnell klar, dass die Oberösterreicher mit einer bekannten Ausrichtung den Weg aus der Krise suchen würden. Gludovatz und Co-Trainer Gerhard Schweitzer gelten als Väter des 3-3-3-1, mit dem die Rieder zweimal Herbstmeister und Pokalsieger wurden. Dabei imponierte insbesondere die stabile Defensive. Im Schnitt erhielt man unter dem Burgenländer nur 1,17 Gegentore pro Spiel. Die ersten beiden Spiele in der zweiten Gludovatz-Ära dokumentierten bereits die Vor- und Nachteile seines Systems.
Beim 1:0-Sieg gegen Sturm zeichnete die Rieder vor allem ihre Durchschlagskraft auf den Seiten aus. Mit ihren jeweils drei nominellen Außenbahnspielern konnten sie diese Zonen überladen. Bei der 4:1-Niederlage in Grödig deutete sich andererseits an, dass es im Zentrum Probleme geben könnte. Mit Marcel Ziegl verfügt die SVR zwar über einen unterschätzten Balancespieler, oft musste er aber schlicht zu viel Räume alleine abdecken. Die Grödiger kamen leicht vor die Abwehr und nutzten dies mit hoher Dynamik aus.
Flankenmaschine
Auf Kragl wirkte sich der Trainerwechsel besonders stark aus. Der 25-jährige Deutsche gilt als Führungsspieler, nicht zuletzt weil er unter allen Trainern ein sehr präsenter Spieler war und viele Aktionen hatte. Zudem konnte er auf verschiedenen Positionen eingesetzt werden. Selbst im zentralen Mittelfeld passte er aufgrund seiner Spielweise zur Philosophie. Im strategischen Bereich hat Kragl zwar Schwächen, jedoch erzeugte er mit seinen wilden, nach vorne gerichteten Aktionen eine Dynamik, die dem Spiel seines Teams guttat.
Letzte Saison war Kragl unter Oliver Glasner ligaweit der Außenverteidiger mit den meisten Torschussbeteiligungen und Scorerpunkten. Andererseits lieferte er auch sehr viele erfolgreiche Defensivaktionen ab. Lediglich im Passspiel schien er viel Luft nach oben zu haben. Ein besonderes Merkmal war und ist aber seine außergewöhnlich hohe Flankenfrequenz bei relativ guter Erfolgsquote. Er brach nicht nur auf der Seite durch, sondern beförderte den Ball häufig schon aus dem Halbfeld in den gegnerischen Strafraum.
Auch unter Helgi Kolvidsson wurde Kragl in der bewährten Rolle eingesetzt, wie man anhand des nebenstehenden Passschemas aus dem Spiel gegen Mattersburg erkennen kann. Im zweiten Drittel spielte er meist kurze Pässe auf nahe Mitspieler oder in den Zehnerraum. Im Angriffsdrittel schlug er hingegen ständig Flanken. Diese kommen bei ihm in aller Regel sehr gefährlich vor das gegnerische Tor, weil sie einerseits meist sehr scharf sind und – wie man in der Grafik sieht – an die Grenze des Fünfmeterraums zielen.
Und sonst so?
Anders als unter Glasner spielte Kragl in den Spielen unter Kolvidsson nicht als linker Flügelverteidiger in einer 3-5-2-Formation, sondern spielte als linker Mittelfeldspieler in einer 4-4-2-/4-2-3-1-Formation. Während er letzte Saison die gesamte Länge des Platzes bespielte, war er unter dem Isländer dementsprechend weniger in den Spielaufbau eingebunden und hatte auch weniger Ballkontakte. In den ersten beiden Partien unter Gludovatz wurde das noch radikaler, wie man anhand seiner Zuspiele im Spiel gegen Sturm (rechts) erkennen kann.
In 75 Minuten spielte Kragl lediglich vier angekommene Pässe. Seine guten Flanken bescherten ihm immerhin drei Torschussvorlagen. Bei der Niederlage in Grödig konnte er dann jedoch nicht mal das einbringen. Das kann nun auf zwei Arten interpretiert werden. Zum einen kann man die Spielanlage des Teams hinterfragen. Die Rieder betrieben in den beiden Partien einen simplen Spielaufbau, versuchten viele Pässen entlang der Seitenlinie, von denen sehr viele nicht ankamen.
Andererseits könnte man auch die Frage nach der passenden Einbindung von Kragl stellen. Auf den ersten Blick ist man dazu geneigt, die linke Außenposition in der defensiven Mittelfelddreierkette als Kragls Idealposition im 3-3-3-1 auszumachen. Gludovatz setzt hier jedoch erfahrungsgemäß auf defensivstärkere Spieler. Der Spanier Alberto Prada fällt darunter genauso wie Bernhard Janeczek. Außerdem würde man sich dadurch womöglich Kragls größter Stärke beschneiden.
Kragl offenbarte die Probleme im Kombinationsspiel bereits unter den anderen Trainern. Bei Außenverteidigern oder Mittelfeldspielern fällt dies jedoch weniger ins Gewicht als bei Flügelspielern. Auch in seinen Dribblings ist er zu unsauber um darüber ins Spiel zu kommen. Auf der anderen Seite ist die personelle Situation bei den Rieder alles andere komfortabel, sodass die Frage nach Kragls ideale Rolle möglicherweise vorerst hinten angestellt wird.
Alexander Semeliker, abseits.at
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