Fluch oder Segen: Das Konzept des Ausbildungsvereins und das Beispiel SK Rapid
Bundesliga 3.September.2015 Daniel Walter 0
Pünktlich zum Ende jeder Transferzeit vernimmt man hierzulande in fußballinteressierten Kreisen nach Abgängen von Leistungsträgen die naserümpfende Wortspende „War ja klar, wir sind ja nur ein Ausbildungsverein in einer Ausbildungsliga“. Die Unzufriedenheit und oftmalige Enttäuschung ist nachvollziehbar, jedoch verändern wie so oft im Leben die Betrachtungsweisen und die tatsächliche Umsetzung das abschließende Urteil.
Nur weil man Spieler für vermeintlich größere Fische im europäischen Fußballteich ausbildet, bedeutet es nicht zwangsläufig, was man mit dem eher abwertend gemeintem Begriff eigentlich ausdrücken möchte: Es hat sowieso alles keinen Sinn, mein Verein wird sich nie entwickeln, weil die besten Spieler verkauft werden und wir immer wieder von vorne anfangen müssen. Aktuell befindet sich vor allem Rapid mit den gestellten Weichen auf dem Weg zu einem guten Ausbildungsverein.
Ein Champions League Sieger als Ausbildungsverein
Abgesehen von den besten Mannschaften der Welt, ist jeder Klub auf seine Art und Weise ein Ausbildungsverein. Selbst der große FC Sevilla, der in den letzten zehn Jahren vier Mal die Europa League gewann, verliert in regelmäßigen Abständen seine Topspieler vor allem an Barcelona oder Real.
Der FC Porto gehört zur Creme de la Creme des europäischen Spitzenfußballs, gewann je zweimal Champions League und Europa League. Trotzdem sind die Portugiesen das Vorzeigemodell in Sachen Ausbildungsverein und mit Verlaub, aber was für den FC Porto gut genug ist, muss – wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau – auch für Vereine der heimischen Liga gut genug und vor allem attraktiv genug sein.
Die Dragaos suchen dabei gezielt vorwiegend im südamerikanischen Raum Rohdiamanten und machen sie zu kleinen Stars, bevor sie um gutes Geld den Arbeitgeber wechseln und in ganz Europa für Furore sorgen.
In den Reihen der Blau-Weißen standen renommierte Kicker, die jedem Fußballfan ein Begriff sind, zum Beispiel der Schütze des „Tors der Weltmeisterschaft“ in Brasilien James Rodriguez, Radamel Falcao, Hulk, Pepe, Deco oder der soeben zu Atletico Madrid gewechselte Jackson Martinez.
Die höchste kolportiere Summe, die der FC Porto je in einen Spieler investiert hat beträgt 20 Millionen Euro und wurde diesen Sommer für den defensiven Mittelfeldspieler Giannelli Imbula an Olympique Marseille überwiesen – diese Summe befindet sich in der Rubrik der höchsten Transfereinnahmen gerade so in den Top 20.
In den meisten Fällen investiert man in die zukünftigen Stars zwischen fünf und zehn Millionen Euro und verkauft sie zwischen 40 und 50 Millionen, in jedem Fall aber um ein vielfaches. Pepes Dienste sicherte man sich mit der Kleinigkeit von zwei Millionen Euro vom Ligakonkurrenten Maritimo Funchal und verkaufte ihn drei Jahre später um 30 Millionen an Real Madrid.
Das stetige erfolgreiche Ersetzen der Topstars mit niedrigem finanziellem Aufwand ist eines der Geschicke, die einen guten und positiven Ausbildungsverein ausmachen. Mit schlauen Personalentscheidungen, gewissenhaftem Scouting und natürlich etwas Glück kann man die finanzielle Bewegungsfreiheit des jeweiligen Klubs innerhalb weniger Jahre nachhaltig verbessern.
Fünf Gründe, die für Rapid als Ausbildungsverein sprechen
In der österreichischen Bundesliga zeigt aktuell vor allem Tabellenführer Rapid gute Ansätze und ist in der Kategorie der Ausbildungsvereine eine Imagestufe höher geklettert. Die Indikatoren dafür liegen auf der Hand.
Im Gegensatz zum letzten Transfersommer konnte die Mannschaft heuer zum überwiegenden Teil zusammengehalten werden. In den letzten Stunden vor der Deadline verlor man zwar noch Robert Beric, der in seinem einzigen Jahr bei Rapid nach Belieben traf und auch einen entscheidenden Anteil an der Qualifikation zur internationalen Gruppenphase hatte. Allerdings konnte das großartige Gerüst und damit das gesamte Mittelfeld gehalten werden und man muss in Zukunft „nur“ auf den obersten Erfolgsbaustein im aktuellen und komplexen Angriffsspiel verzichten.
Im letzten Sommer musste man für vier Stammpositionen mindestens gleichwertigen Ersatz finden, wobei drei davon maßgeblich für das offensive Spiel verantwortlich waren und zu den internen Topscorern zählten. Auch in den sportlichen Zahlen wusste man hier zu überzeugen. Die Abgänge waren für 33 Tore verantwortlich, während ihre Ersatzspieler 39-mal jubeln durften.
Rapid kann und will es sich heuer leisten, ein Angebot über knapp fünf Millionen auszuschlagen und den Spieler an den Verein binden. Man bekennt sich selbstbewusst zur eigenen Stärke und stellt am Transfermarkt klar, dass man die Spieler nicht mehr herschenken möchte, beziehungsweise harte Verhandlungen folgen werden. Vor einiger Zeit hätten die Verantwortlichen wohl schon beim ersten (sehr guten) Angebot für Philipp Schobesberger über drei Millionen Euro dem Shootingstar der letzten Saison Alles Gute bei seinem neuen Verein gewünscht. Um Null Euro verpflichtet, schlägt man zwölf Monate später eine Summe aus, die nahe an den vereinsinternen Rekord heranreicht und bindet den Spieler lieber um ein weiteres Jahr.
Dies führt zum nächsten Punkt in der aktuell erfolgreichen Strategie. Rapid ist darum bemüht, die Verträge mit einer sehr langen Laufzeit aufzusetzen. Der bestehende Vertrag mit Schobesberger wurde um ein weiteres Jahr bis Sommer 2018 verlängert und Jelic bekommt wie sein Vorgänger einen Vierjahresvertrag. Dies lässt den Hütteldorfern genügend Spielraum, um auf etwaige herausragende Leistungen reagieren zu können und verringert die Gefahr, für einen Topspieler kein Geld einzunehmen oder bereits nach einer Saison den Druck zu haben, noch eine Verlängerung erzielen zu müssen oder vielleicht besser schon zu verkaufen.
Wenn schon ein wichtiges Puzzleteil abhanden kommt, dann muss es in der Vereinskasse ordentlich klingeln. Man verlor zwar den Stürmer mit der besten Torquote seit Jahrzehnten, darf sich im Gegenzug dafür allerdings über eine Rekordablöse freuen. Man konnte den Wert von Beric innerhalb eines Jahres nahezu verzehnfachen und legt für den Ersatzmann Matej Jelic wiederum „nur“ ein Zehntel der Einnahmen auf den Tisch, wahrscheinlich kostet die kroatische Neuerwerbung sogar etwas weniger als Beric im Sommer 2014.
Je häufiger so eine Rochade gelingt, desto schneller kann man über ernsthafte Geldbeträge verfügen. Auch der Vorgänger von Robert Beric konnte seinen Wert innerhalb von nur zwei Jahren verzehnfachen.
Von Verträgen, die klubfremde Personen oder Unternehmen begünstigen, möchte man in Zukunft Abstand nehmen. Auch wenn es ohne diese Klausel nicht möglich ist, einen Spieler an den Verein zu binden. Hier dürfte vor allem Marcel Sabitzer ein lehrreiches Beispiel gewesen sein. Unabhängig von den zweifelsfrei hervorragenden sportlichen Leistungsdaten und seinem Anteil am Vizemeistertitel, stellte dieser Transfer bei weitem nicht den finanziellen Gewinn dar, der ohne weitere Beteiligungen höchstwahrscheinlich möglich gewesen wäre.
Man vertraut auf die eigene Stärke und das Angebot, welches man interessierten und interessanten Spielern im Detail (Vertrag und Konditionen) und allgemein (Umfeld und Entwicklungsmöglichkeiten) unterbreiten kann und möchte sich nicht mehr von zusätzlichen Faktoren abhängig machen.
Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg werden nun die zukünftigen Karrieren der ehemaligen Rapidspieler sein. Dies kann Rapid zwar nicht beeinflussen, jedoch wirkt sich eine positiv verlaufende Laufbahn auch auf das Portfolio der Hütteldorfer aus und man rückt damit noch mehr ins Rampenlicht. Bis auf Jelavic, Kavlak und Burgstaller hat sich im Ausland kaum einer durchgesetzt, die nächste „Chance“ ergibt sich nun mit Beric. Die Vereine bedienen sich zwar auch jetzt schon gerne am Kader des Rekordmeisters, doch würden viele steile Karrieren den Verhandlungspreis gleich von Beginn weg zumindest ein wenig in die Höhe treiben.
Ein langfristiges, wenn auch aus heutiger Sicht noch unrealistisches Ziel sollte es zudem sein, verheißungsvolle Jugendspieler so früh wie möglich an den Verein zu binden. Auch wenn Real Madrid für Philipp Lienhart 800.000 Euro überwies, musste Rapid in diesem Fall wohl auf viel Geld verzichten.
Gelingt es den Hütteldorfern auch in Zukunft diese schwierige Balance zu halten, Topspieler rechtzeitig abzugeben und ihre wesentlich billigeren Nachfolger stets nahtlos erfolgreich einzugliedern, könnte man in Kombination mit dem neuen Stadion über ganz neue finanzielle Möglichkeiten verfügen und eventuell wird man dann nicht mehr in Nase rüpfende Gesichter, sondern leuchtende Augen blicken, wenn man dem Gegenüber seine Meinung über Ausbildungsvereine abverlangt.
Daniel Walter, abseits.at
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