Eine Partie mit vielen Facetten: Grödiger „Rumpftruppe“ besiegt SV Ried mit 3:0!
Bundesliga 8.Dezember.2013 Rene Maric 0
Zwei Underdogs im Spitzenfeld der Liga trafen an diesem Spieltag aufeinander. Und für Taktikfans sind dies auch zwei der interessantesten Teams der Liga, welche sich beide durch unaufhörliches Pressing und Gegenpressing definieren. Mit ihrer aggressiven und sehr ballorientierten Spielweise konnten sie schon einigen individuell überlegenen Mannschaften die Punkte rauben. Nach dem 0:0 im ersten Spiel und dem 4:2 für die SV Ried im zweiten Spiel war man gespannt darauf, wie sich das jetzige entwickeln würde.
Fast schon klischeehaft
Beide Teams definieren sich über vorrangig mit der Defensive verbundenen Tugenden, mental wie taktisch: Gegenpressing und Aggressivität, Pressing und Willenskraft, kollektives ballorientiertes Verschieben und Laufbereitschaft. Gleichzeitig konzentrieren sie sich offensiv auf schnelle Konter, intelligente Bewegungen und viel Athletik, individuell sind sie den Topmannschaften – unter denen sie sich laut Tabelle ja befinden – nominell unterlegen.
Dieses Spiel war lange Zeit ein Paradebeispiel dafür. Es war zerfahren, es gab viele Ballverluste auf beiden Seiten, die sich mit teilweise genialen Kontern und unfassbar kollektiv gespielten Umschaltmomenten abwechselten, welche ansonsten in dieser Dynamik nur bei den Bullen aus Salzburg zu sehen sind. Besonders präsent war dies bei den Abschlüssen. Sowohl die Rieder als auch die Grödiger konnten sich einige tolle Angriffe „erkontern“, aber scheiterten dann teilweise kläglich am letzten Pass, an einer sauberen Ballmitnahme oder schlossen einfach chaotisch ab. Viele gute Schüsse gingen leider nicht aufs Tor, sondern einige Meter daneben oder darüber.
Ansonsten kaschierten sie ihre individuellen Schwächen (die im Artikel extremer klingen, als sie im Ligavergleich sind) wie üblich hervorragend.
Modernes Kick and Rush
Beide Mannschaften pressten aggressiv, konterten dann wie wild und pressten nach Ballverlusten bei den Kontern sofort gegen. Teilweise entstanden dann sehr chaotische und unkompakte Formationen. Die Ursache dafür war einfach. Eine Mannschaft eroberte den Ball in ihrer Pressingformation, die Grödiger beispielsweise im 4-4-1-1/4-4-2 und konterte dann. Die Außenverteidiger und Flügelstürmer rückten auf, der Zehner ebenfalls, der Mittelstürmer ging auf den Flügel.
Jene Mannschaft, die den Ball verlor, war aufgefächert. Sie musste sich schnell und eng zusammenziehen, was ballnah etwas extremer geschah. Eroberten sie dann den Ball im Verlauf des gegnerischen Konters wieder, standen beide Mannschaften schlecht formiert da – doch anstatt das Spiel zu beruhigen gab es zumeist einfach einen neuerlichen Konterversuch, wo sich der Zyklus wiederholte und das Spiel noch chaotischer wurde. Der Kreislauf des Pressings, sozusagen.
In einer Szene in der zweiten Halbzeit gab es beispielweise schlichtweg keine erkennbaren Formationen mehr, weil es auf beiden Seiten schon ein paar zerschlagene Konterversuche mit folgendem Gegenpressing gab. Das Gegenpressing hatte einen zweiten wichtigen Effekt dabei: Aus Angst vor Ballverlusten wurden Balleroberungen oft sofort kurz weitergeleitet, woraufhin ein langer Ball gespielt wurde, welchem einfach das gesamte Kollektiv nachlief, um offensive Kompaktheit herzustellen und vorne auf die zweiten Bälle zu gehen. Diese wurden aber ab und zu einfach wieder zurückgebolzt und Grödig hatte beispielsweise zwei tolle Möglichkeiten in der ersten Halbzeit: Die Stürmer sprinteten nach vorne, während die Rieder Verteidiger sich ebenfalls im Vorwärtsgang befanden, weil sie zuvor den langen Ball gespielt hatten und aufrückten.
Im Spielverlauf waren darum einige taktische Mittel mehrmals zu sehen und diese sorgten für einen Großteil der Chancen. Neben den langen Bällen wegen mangelnder Pressingresistenz und zum Angreifen der aufrückenden Abwehrreihen wurden auch die gerade erwähnten Tiefensprints der Grödiger Stürmer gefährlich, dazu direkte Weiterleitungen, Balleroberungen durch Gegenpressing und natürlich Flügelüberladungen. Auch Seitenwechsel auf die ballferne Seite bei passend tempiertem Aufrücken des Außenverteidigers wurden sehr gefährlich, da durch die hohe Ballorientierung auf beiden Seiten sehr viel Raum ballfern offen wurde.
Diese Dynamik dominierte das Spielgeschehen, sorgte für sehr viel Hin und Her, eine hohe Geschwindigkeit im Spiel und einige taktisch wie spielerisch sehenswerte Szenen. Allerdings gab es gelegentlich auch ein „normales“ Spiel ohne diese zerfahrenen Strukturen. Dort waren die eigentlichen Formationen der beiden Teams auch besser erkennbar.
Aufstellungen und Grundausrichtungen der beiden Mannschaften
Beide Mannschaften bauten ihr Spiel gelegentlich sehr tief auf. Sie zogen die Innenverteidiger nach hinten und hielten Abstand zu den gegnerischen Stürmern, um weniger Pressing des Gegners zuzulassen oder dem Gegner zumindest die Kompaktheit zu rauben, wenn lange Bälle von hinten heraus gespielt werden. Die Rieder ließen sich gelegentlich dann zu einem sehr hohen Pressing in ihrem 4-2-3-1/4-4-2 verleiten und offenbarten diese Räume. Allerdings waren sie dann aber bei den zweiten Bällen und konnten sie einige Male sehr gut gegen die langen Bälle verteidigen.
Wie hier zu sehen schoben die Rieder Mittelfeldspieler dann auch stark nach, teilweise entstand sogar eine Art 4-1-3-2.
Grödig hingegen presste mit dem 4-4-2 eigentlich ab etwa zehn Meter vor der Mittellinie, kümmerte sich um Kompaktheit und sorgte damit zumindest phasenweise dafür, dass das Spiel nicht so extrem aggressiv und dynamisch blieb wie in den stärksten Phasen. Generell rückten beide Mannschaft häufig heraus: Die Innenverteidiger schoben in den Zwischenlinienraum, die Außenverteidiger orientierten sich an einem Gegenspieler, rückten ebenfalls heraus und manchmal wurde für sehr kurze Momente, beispielsweise bei Ried, aus dem 4-2-3-1 ein 3-3-3-1, weil sich der Innenverteidiger beim Verfolgen eines zurückfallenden Mittelstürmers so weit nach vorne orientierte.
Tore als Symbole
Beim zweiten Treffer der Grödiger war es ein langer Ball vom Abstoß aus in den Zwischenlinienraum der Rieder, wo Grödig ohne Struktur plötzlich in einer Drei-gegen-Vier-Situation war. Die Rieder zogen sich dort eng zusammen, attackierten den Ballführenden zu dritt und schlossen alle Passoptionen zu. Doch Grödigs Zulechner lief einfach durch in den freien Raum und machte das zweite Tor.
Fazit
Zerfahren, unstrukturiert und mit einigen kläglich vergebenen Angriffen. Grödig konnte aber mit ihren drei Toren in den letzten 30 Minuten doch noch punkten. In einer sehenswerten Partie boten beide Mannschaften sämtlichen Geschmäckern so Einiges: Kampf, Taktik, spielstarke Konter und dazu noch über lange Zeit eine enorm hohe Intensität. Nach der Grödiger Führung ließ die Intensität etwas nach, zwei weitere Tore fielen und sicherten den Salzburgern letztlich den Sieg.
Rene Maric, abseits.at
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Rene Maric
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