Grödig dominiert den Rekordmeister – und „verliert“ das Spiel mit 2:2…
Bundesliga 11.November.2013 Daniel Mandl 2
Der SK Rapid holte gestern Nachmittag auswärts beim SV Grödig ein 2:2-Unentschieden – und weiß eigentlich nicht wieso. Die Hütteldorfer zeigten eine ihrer schlechtesten Saisonleistungen und profitierten von der fehlenden Kaltschnäuzigkeit der Salzburger. Wieso kam Rapid beim Aufsteiger nie richtig ins Spiel und wieso holten die Grün-Weißen dennoch einen mehr als schmeichelhaften Punkt?
Wenn man auf Rapids Startaufstellung blickte, stellte man mit Verwunderung zahlreiche Umstellungen fest. Christopher Dibon war nach seiner roten Karte gegen die Admira gesperrt und wurde durch Harald Pichler ersetzt. An den Flügeln rückten Burgstaller und Starkl in die Mannschaft, was durchaus legitim war. Schließlich glänzte Sabitzer in den letzten Wochen und Monaten sehr selten und sowohl Burgstaller, als auch Starkl empfahlen sich mit guten Leistungen in der letzten Woche.
Totale Rotation im zentralen Mittelfeld
Kaum nachvollziehbar waren jedoch die Veränderungen auf der Zentralachse im Mittelfeld. Das nominelle Dreiermittelfeld wurde von Petsos, Behrendt und Wydra gebildet. Der Grund dafür sollen die Strapazen der letzten Wochen gewesen sein. Natürlich weiß Barisic über die körperliche Verfassung seiner Spieler besser Bescheid als jeder andere, allerdings ist eine Rotation in diesem Ausmaß (sechs Veränderungen insgesamt, davon eine gezwungen) unmittelbar vor einer Länderspielpause mehr als seltsam.
Loch im offensiven Mittelfeld, keine Eigeninitiative
Von Beginn an fehlte die Ordnung im Rapid-Mittelfeld. Keiner der zentralen Mittelfeldakteure sorgte für entsprechende Spielverlagerungen und vor allem die Staffelung passte in keinster Weise. Keiner der drei Spieler hat einen natürlichen Zug zum gegnerischen Strafraum, alle drei sind Spieler für die Etappe, die zumindest einen Nebenmann brauchen, der die notwendigen, schnellen „Meter“ nach vorne macht. Behrendts Aktionsradius ist am Geringsten, Wydra ist ein typischer Achter für Halbpositionen und auch wenn auf Thanos Petsos am ehesten das Prädikat Box-to-Box zutrifft, braucht er einen sicheren Hafen, da er sonst im Umschaltspiel von Offensive auf Defensive sehr foulanfällig ist.
Keine Passsicherheit
Steffen Hofmann UND Branko Boskovic auf der Bank zu lassen war enorm riskant und – wie sich später herausgestellte – ungeachtet körperlicher Konstitutionen falsch. Diagonalpässe von zentralen Positionen auf die Flügel waren Mangelware und vor allem die Passsicherheit litt stark unter dem jungen zentralen Mittelfeld, das im Schnitt nur 21 Jahre alt war. Die drei Spieler fabrizierten gemeinsam insgesamt 16 Fehlpässe und kamen zusammen nur auf eine Passgenauigkeit von etwa 75% – zu wenig, gerade in einem Auswärtsspiel gegen den Aufsteiger, in dem man das Tempo auch mal rausnehmen müsste.
Boyd als technisch schwacher UND unkonzentrierter Antizipationsstürmer
Da das Mittelfeld in dieser Konstellation in Vorwärtsbewegung keine gute Staffelung aufwies, musste Terrence Boyd weiter nach hinten arbeiten als gewohnt. Dass er dadurch vorne fehlte spielte keine tragende Rolle, da Rapid bis zu seiner Auswechslung ohnehin kaum in die Nähe des gegnerischen Tores kam. Allerdings verbuchte Boyd phasenweise katastrophale Ballverluste und Fehlpässe auf kürzeste Distanz. Dass er technisch keine Koryphäe ist, ist kein Geheimnis, aber die gestrigen Fehler sind schlichtweg auf fehlende Konzentration zurückzuführen und waren somit verhinderbar. Der 22-jährige US-Boy spielte gestern wohl seine schwächste Partie für den SK Rapid.
Haarsträubende individuelle Fehler in der Defensive
Zwei weitere Probleme, die sich bei Rapid auftaten: Schwere individuelle Fehler, wie etwa von Pichler vor dem 0:2. Symptomatisch war, dass Pichler vor dieser Szene vom ebenfalls erschreckend schwachen Stephan Palla unnötig als letzter Mann angespielt wurde. Der Fehler ging dann zwar von Pichler selbst aus, aber Pallas Rückpass zum Innenverteidiger war sinnbildlich für sein uninspiriertes Spiel, das sich wie ein roter Faden durch Saison bzw. sogar Karriere zieht. Doch auch Leistungsträger ließen gestern aus: Trimmel verlor ungewöhnlich viele Zweikämpfe, Sonnleitner wirkte im Passspiel planlos und brachte nicht mal 60% seiner Pässe an den Mann.
Das berühmte „Arschaufreißen“
Das zweite Problem war der fehlende Esprit der jungen Spieler. Gerade Wackelkandidaten wie Wydra, Behrendt oder auch Palla haben sich zu zerreißen, wenn sie die Chance bekommen von Beginn an zu spielen. Die Körpersprache der Talente sagte aber was anderes. Dies galt phasenweise auch für Starkl, der seine biedere Leistung immerhin mit dem Anschlusstreffer vergessen machte. Barisic rotierte, um körperlich fittere Spieler zum Zug kommen zu lassen. Das bringt jedoch nichts, wenn diese bei ihrer Auswechslung noch nicht mal richtig schwitzen und versuchen, das Spiel nur mit ihrer Technik abzuspulen. Schon gar nicht beim traditionellen Rackerer-Klub Rapid…
Grödig mit großer kämpferischer Disziplin und vielen gewonnenen Duellen
Und Grödig? Der Aufsteiger präsentierte sich nach einigen schwächeren Spielen wieder bärenstark und kontrollierte das Spiel dank großer kämpferischer Disziplin. Ohne Ball waren beim Aufsteiger stets sehr viele Spieler unterwegs, wodurch die Hütter-Elf ein konsequentes und auch strukturiertes Pressing spielen konnte. Aufgrund der Statik der zentralen Mittelfeldspieler Rapids eroberte Grödig zudem viele zweite Bälle, hatte aufgrund der ständigen Bewegung im Fünfermittelfeld immer wieder Vorteile auf den entscheidenden Metern. Der Aufsteiger gewann 58% seiner Zweikämpfe und an der Zahl 38 mehr als Rapid!
Tschernegg und Leitgeb geben Höhe vor, Tomi als Nutznießer
Der beste Mann der Grödiger war der Spanier Tomi, der sich im Zwischenlinienraum vor der Rapid-Abwehr stark bewegte. Dies wurde ihm aber nur ermöglicht, weil seine beiden Hintermänner Tschernegg und Leitgeb eine hohe Grundposition wählten und große Stärken im Umschaltspiel von Offensive auf Defensive aufwiesen. Rapid konnte im Konterspiel nie Überzahlsituationen schaffen, weil die Zentrale der Grödiger ihre Staffelung nie verlor, stets gut im Dreieck stand und offenbar sehr gut kommunizierte. Und Rapid schaltete gleichzeitig schwach von Defensive auf Offensive um, weil im zentralen Mittelfeld ein Taktgeber fehlte.
Höhere Führung verschenkt: Grödig wird durch Einzelaktionen bestraft
Grödig scheiterte am gestrigen Nachmittag an sich selbst, verabsäumte es schon in der ersten Halbzeit weitere Treffer nachzulegen. Der ruhige Abend für die Abwehrspieler der Salzburger schien aber vor allem die rechte Abwehrseite der Grödiger ein wenig einzuschläfern. So war es die erste strukturierte Einzelaktion eines Rapid-Spielers über links, die zum 1:2 führte. Die zweite durch den eingewechselten Schaub über rechts führte zu Elfer und Ausgleich. Diese gruppentaktischen Fehler sind auch ein wenig der fehlenden Bundesligaroutine geschuldet. Nicht umsonst stehen neben dem laufintensiven, taktisch klugen und oft auch attraktiven Spiel der Grödiger 30 Gegentore…
Fassungslosigkeit beim überlegenen SVG
Nach dem Spiel war die Enttäuschung beim SVG spürbar. Manager Christian Haas fehlten im Sky-Interview praktisch die Worte, weshalb er einen Monolog über „Möglichkeiten eines Fußballvereins“ hielt. Adi Hütter analysierte die Partie nüchtern wie immer, war aber auch sichtlich enttäuscht. Rapid-Kapitän Steffen Hofmann betonte recht bald, dass der Punkt für den SK Rapid nicht verdient war. Grödig investierte wesentlich mehr ins Spiel und wurde von der manchmal eben doch abgezockten „Effizienz-Wundertüte“ Rapid in der Schlussphase kalt erwischt. Und trotzdem ist das erste Auswärtsspiel Rapids in Grödig eines, das man sehr schnell aus den Köpfen streichen, wenn auch ausgiebig intern analysieren muss.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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