Rapid schlittert mit dem 2:3 bei der SV Ried in die statistisch betrachtet größte Misserfolgsserie seit 6 ½ Jahren. Bereits früh im Spiel wurde... Individuelle Fehler besiegeln 2:3-Niederlage Rapids in Ried: Wie geht’s weiter in Grün-Weiß?

Peter SchöttelRapid schlittert mit dem 2:3 bei der SV Ried in die statistisch betrachtet größte Misserfolgsserie seit 6 ½ Jahren. Bereits früh im Spiel wurde Rapid kalt erwischt, kämpfte dann gut zurück und erwies sich kurz vor und kurz nach der Pause schließlich als schlampigeres zweier schlechter Teams. Gruppentaktische Veränderungen zu den letzten Spielen waren jedoch vor allem in der ersten Halbzeit zu beobachten.

ried_rapidPeter Schöttel schickte seine nominell beste Mannschaft auf den Platz, brachte von Beginn an Terrence Boyd an vorderster Front und Deni Alar als Freigeist hinter der Solospitze. Damit verzichtete Schöttel wohl bewusst auf die Möglichkeit die Mannschaft von der Bank durch Auswechslungen zu verbessern. Man wollte Ried alles entgegensetzen, was man (noch) hat – und zwar von Beginn an. Die Tatsache, dass Rapid den Riedern von Beginn an nicht das Spiel überließ, sondern versuchte selbst die initiativere Mannschaft zu sein, spricht ebenfalls für diese Annahme.

Hadzic gut, Gartler besser

Bei der SV Ried begann überraschend Anel Hadzic im defensiven Mittelfeld, nachdem es vor dem Spiel aufgrund eines möglicherweise bevorstehenden Wechsels zum SK Rapid Wien, zu Gemunkel über eine Pause für den Austro-Bosnier kam. Am Ende sollte Hadzic aber sogar einer der besten Rieder sein, der etwa maßgeblich am 1:0 beteiligt war, weil er Harald Pichler mit einfachsten Mitteln den Ball abluchste und schließlich den entscheidenden „Assist-Assist“ beisteuerte. Die Schlüsselpersonalie bei der SV Ried war jedoch René Gartler, der nach seiner Ellbogenluxation wieder ins Team zurückkehrte und gegen seinen Ex-Verein prompt bester Mann am Platz war.

Gersons gute Laufwege und die Versäumnis offensiv die Mitte zu überladen

ried_rapid2Rapid tat sich sichtlich schwer Torchancen herauszuspielen, wenn viele Rieder hinter den Ball kamen. Dies ist freilich keine Neuigkeit, aber Rapid versuchte erstmals seit Monaten eigenen Problemen mit anderen Mitteln entgegenzuwirken. So standen die Innenverteidiger nun wieder etwas breiter, Pichler ließ sich im Spielaufbau weiter zurückfallen, als in den Wochen zuvor. Vor allem über die linke Seite eröffnete dies den Hütteldorfern neue Möglichkeiten, weil der hoch stehende Linksverteidiger Thomas Schrammel seinen Gegenspieler Clemens Walch band und so der ebenfalls breit stehende Gerson immer wieder große Räume für schnelle Vorstöße vorfand. Gerson stach dabei durchaus in die richtigen Räume und bewies auf dem schlechten Rasen auch das nötige Ballgefühl, allerdings spielte er dann auch fast immer den „falschen“ Pass. Zu oft versuchte es Gerson, nach gutem inversen Dribbling aus der eigenen Abwehr heraus, einen der dicht zugedeckten Außenspieler zu suchen, anstatt sein Heil in der Mitte zu suchen, wo übrigens Boyd bemüht war stärker zu antizipieren.

Funktionierende Konteraktion führt zum 1:1

Die zweite – und damit letzte – positive Veränderung im Spiel Rapids gipfelte im 1:1-Ausgleich durch Deni Alar. Wie wir in einem anderen Artikel kürzlich erklärten, ist die Schnelligkeit der offensiven Rapid-Akteure eine Stärke, die es zu forcieren gilt. Das Tor zum Ausgleich leitete der spätere Torschütze Deni Alar selbst in der eigenen Hälfte ein und nützte, neben seiner eigenen, Burgstallers Schnelligkeit aus, um sich gemeinsam in Position zu bringen. Rapid konterte Ried nahezu perfekt aus und man muss an dieser Stelle die Frage stellen, wieso dies selbst in schwierigen Zeiten, in denen man sich plagt selbst das Spiel zu gestalten, nicht zu einer häufiger praktizierten, situativen Spielidee gemacht wird. Man erinnere sich an das Auswärtsspiel Rapids bei Red Bull Salzburg (3:3), bei dem die Schnelligkeit der offensiven Protagonisten ebenfalls zum zählbaren Vorteil im Konterspiel ausgenützt wurde.

Kurzes, intensives Laufspiel als Basis für Konter

Eine weitere, wichtige Facette des Konterspiels: Wenn man dem Gegner Ball und Spiel zumindest phasenweise überlässt, impliziert dies, dass die eigene Mannschaft tiefer steht. Man spricht hier banal vom „auf Konter lauern“ – nach einem Ballgewinn wird gegnerisches Gegenpressing mit möglichst wenigen Ballberührungen verhindert und man sucht so schnell wie möglich einen schnörkellosen und zielgerichteten Konter, der auf kurzem, intensivem Laufspiel basiert. Dies klappt logischerweise am Besten mit schnellen Spielern, die oft nicht mal besonders ballsicher sein müssen.

Aktive Kontrolle und „Anrennen“ statt passive Kontrolle und „Anrennenlassen“

Nun kann man der Rapid-Elf momentan sehr vieles vorwerfen – aber sämtlichen Offensivoptionen, also Burgstaller, Alar, Boyd, Trimmel, Sabitzer und Grozurek, kann man keine mangelnde Schnelligkeit ankreiden. Bereits nach neun Minuten konnte man sehen, was es bewirken kann, wenn man die größten Stärken der Spieler – natürlich gepaart mit bekannten Schwächen des Gegners (Rieder Schnittstellenspiel auf den Halbpositionen) richtig ausnützt. Dennoch beendete Rapid die erste Halbzeit mit 54% Ballbesitz und versuchte das Spiel mit einer kopflosen Truppe zu gestalten. Mit dem 2:1 für die SV Ried war die Chance auf eine Schubumkehr schließlich ohnehin vorbei, weil Rapid aufmachen musste. Das ungeliebte „Anrennen“ wurde mit Nachos 3:1 kurz nach der Pause zur „Pflicht“.

Individuelle Abwehrfehler vor entscheidenden Szenen

In Ansätzen zeigte sich Rapid offensiv cleverer als in den letzten Wochen. Dies war speziell in den ersten 25 Minuten zu beobachten. Das Spiel blieb jedoch insgesamt schwach und fehlerbehaftet, wofür Rapids Defensive in den entscheidenden Situationen einmal mehr sinnbildlich stand:

  • Pichlers Ballverlust im Mittelfeld führte zum 1:0 für die SV Ried.
  • Gersons nicht notwendiger Rückpass und Königshofers schwerer Bock leiteten das 2:1 für die Innviertler ein.
  • Eine katastrophale Zuteilung in der Mitte des Strafraums erlaubte es Nacho locker zum 3:1 einzuköpfen.

 

Schöttel bleibt im Interview „gelassen“

Rapid ist die schlechteste Frühjahrsmannschaft der tipp3 Bundesliga powered by T-Mobile. Nach dem Spiel wurde ein weiterhin sehr gefasst wirkender Peter Schöttel in einem Interview mit der Fernsehstation Sky gefragt, ob die aktuelle Lage nicht peinlich für den Verein sei. Schöttel tat das Wort „peinlich“ als unpassend ab und betonte mehrmals, dass man sich lediglich in einer unangenehmen Situation befindet, die durch die Verunsicherung der Mannschaft nicht vereinfacht wird. Auf die Frage nach einem möglichen Kampf um den letzten Europacup-Startplatz mit dem Wolfsberger AC reagierte Schöttel ebenfalls gelassen und erklärte, dass „es ja nicht immer so weitergehen wird“. Rapid würde im Laufe des Frühjahrs auch wieder gewinnen.

Gefährliche Verharmlosungen und grün-weiße Widersprüche

So viel zur Version, die speziell der Trainer einmal mehr der Öffentlichkeit zu verkaufen versucht und die niemand mehr so wirklich glauben möchte. Fakt ist, dass Rapid in der derzeitigen Verfassung das Schlechteste ist, was die heimische Bundesliga zu bieten hat. Dies kann nicht mehr als überspitzte Panikmache abgetan werden, zumal ein Blick auf die Frühjahrstabelle genügt, um sich diese Einschätzung bestätigen zu lassen. Während Sportdirektor Helmut Schulte zu Beginn des Frühjahrs um Verständnis bat, dass man einen Verein wie Red Bull Salzburg, der mit wesentlich mehr Budget hantiert als Rapid, nicht „mir nichts dir nichts“ hinter sich lassen kann, wird Rapid aktuell Woche für Woche von Vereinen vorgeführt, die wiederum selbst mit wesentlich beschränkteren Mitteln arbeiten als der Rekordmeister. Die „Rapid wird schon wieder gewinnen“-Aussage ist zudem eine gefährliche Verharmlosung der aktuellen Lage, auch in Anbetracht dessen, dass der mögliche Ausfall von Europacup-Einnahmen in der Saison 2013/14 – gepaart mit einigen imminenten Sponsorenproblemen – eine mittlere Katastrophe für Rapid wären.

Option #1: Kräftigere Arschtritte für die Mannschaft

Dem nicht genug: Weiterhin fährt man bei Rapid einen über die Medien nach außen getragenen kollektiv-internen Kuschelkurs. Zwar sagt natürlich jeder, dass man mit der aktuellen Situation unzufrieden sei – aber so richtig auf den Tisch haut in Hütteldorf niemand. Nimmt man im Bezug auf die Negativserie ausschließlich die Mannschaft in die Pflicht und lässt Präsidium und Managementebene aus dem Spiel, gibt es angesichts dieser in den letzten Jahren beispiellosen Negativserie nur zwei Möglichkeiten: Eine unmittelbar umsetzbare Option wäre es, den Spielern die Rute ins Fenster zu stellen, so man im Trainerstab davon überzeugt ist, selbst gute Arbeit zu leisten. Denn auch wenn das Trainerteam Fehler begeht, sind gleich mehrere Spieler in die Pflicht zu nehmen, weil sie offensichtlich nicht gewillt (oder imstande) sind das Allerletzte aus sich herauszuholen und in entscheidenden Zweikämpfen 100% zu geben.

Option #2: Rücktritt des Trainerstabs

Die zweite Möglichkeit, die Ultima Ratio auf sportlicher Ebene, ist ebenfalls nicht weit entfernt: Diese wäre, dass Peter Schöttel als Rapid-Trainer zurücktritt, so er der Meinung ist, das Ruder nicht mehr selbst herumreißen zu können – denn genau danach sieht es aktuell aus. Die einzigen Probleme: Tritt Schöttel zurück, müssen mit Hickersberger jr., Baholli und Hedl drei weitere Trainer des Stabs gehen. Würde der Trainerstab selbst das Handtuch werfen, hätte man keinen Anspruch auf eine Abfindung. Somit werden die Herren auf der Betreuerbank wohl kaum voreilig gehen, sondern maximal auf ihre Entlassung warten.

„Außenseiteroptionen“

Nachdem die Verträge des gesamten Trainerteams jedoch erst kürzlich verlängert wurden und sich Rapid Abfindungen für vier gut verdienende Trainer nicht leisten kann, wird auch ebendiese Entlassung nicht erfolgen. Die grün-weiße Katze beißt sich somit in den Schwanz und übrig bleiben – eine Ebene heruntergebrochen – zwei wesentliche banalere Optionen, die Rapids Krise lösen können: Entweder die Mannschaft beweist wie durch ein Wunder, dass sie doch keine biedere Durchschnittstruppe ist, oder Schöttel zieht seinen Legendenstatus seinem lukrativen Vertrag bis 2015 vor und zieht im Namen seines bis dato fast lebenslangen Arbeitgebers seine eigenen Konsequenzen. Fußball ist jedoch sogar in Hütteldorf Geschäft und jeglicher romantischer Gedanke ist in einer der größten sportlichen Krisen in den letzten 20 Jahren fehl am Platz.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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