Die Talfahrt des SK Sturm Graz geht weiter: Die Grazer verlieren mit 1:3 in Wiener Neustadt und bleiben damit in der Liga weiterhin ohne... Individuelle Fehler, geringes Arbeitspensum, hölzernes System – Sturm Graz verliert in Wiener Neustadt mit 1:3!

Die Talfahrt des SK Sturm Graz geht weiter: Die Grazer verlieren mit 1:3 in Wiener Neustadt und bleiben damit in der Liga weiterhin ohne vollen Auswärtserfolg. Wiener Neustadt ist mit dem Sieg über den Meister seit drei Heimspielen ohne Niederlage.

Sturm Graz ist die zweitschlechteste Auswärtsmannschaft der tipp3 Bundesliga powered by T-Mobile. Dass die Grazer trotzdem nur vier Punkte hinter dem dritten Platz liegen, sagt einiges über die Ausgeglichenheit oder Verrücktheit der heimischen Ligasaison aus. Das Programm bis zur Winterpause ist für den amtierenden Meister kein einfaches: Im Europacup warten noch Lokomotiv Moskau (a) und AEK Athen (h), in der Liga ist am kommenden Wochenende die Admira zu Gast, danach gibt es ein Auswärtsspiel bei Wacker Innsbruck, ein Heimspiel gegen den FK Austria Wien und das Gastspiel in Ried.

Burgstaller, Kienast und Wolf suchen ihre Meisterform

In der aktuellen Lage von Pflichtsiegen gegen diese Gegner zu sprechen, wäre vermessen. Sturm Graz erarbeitete sich bei der 1:3-Niederlage in Wiener Neustadt nur eine echte Torchance aus dem Spiel heraus. Die Schuldigen für die Niederlage wurden bereits gefunden: Innenverteidiger Thomas Burgstaller, der in der ersten Halbzeit mit einem Lattenkopfball Pech hatte, präsentiert sich bereits über Wochen unsicher und nicht bundesligareif. Auch Roman Kienast, nach seiner Rückkehr ein behäbiger Schatten seiner selbst und der zweidimensional agierende Patrick Wolf lieferten erneut Leistungen, die sich den Temperaturen im Stadion Wiener Neustadt anpassten. Hinzu kommt, dass neben dem unsicheren Burgstaller mit Feldhofer ein weiterer Innenverteidiger zum Einsatz kam, der nicht den Ruf hat eine Viererkette organisieren zu können. Das Resultat war ein defensiver Hühnerhaufen und eine Vielzahl an Stellungsfehlern.

Konter bringt Neustadt in Führung

So richtig in Schutz nehmen kann man keinen einzigen Sturm-Akteur. Auch das Mittelfeld muss sich Kritik aufgrund taktischer und läuferischer Verfehlungen gefallen lassen. Durch die Aussetzer und fehlende Kreativität im Mittelfeld blieb auch der zuletzt starke Darko Bodul im Angriff der Grazer blass. Sinnbildlich für eine peinliche Niederlage steht das erste Gegentor durch Rapid-Leihgabe Serkan Ciftci: Eckball für Sturm Graz, Wiener Neustadt erobert glücklich den Ball und startet den Konter. Nur fünf Feldspieler der Grazer kommen im Zuge der Gegenaktion hinter den Ball und obwohl Friesenbichler zunächst den Ball verstolpert kann er mit nur einem langen Pass die gesamte Hintermannschaft der Grazer aufreißen. Auffällig: Der spätere Torschütze Serkan Ciftci sprintet gleichzeitig mit den vier Grazer Akteuren auf der Zentralachse los, hat aber nach Daniel Wolfs Zuspiel bereits gut vier Meter Vorsprung auf jeden der zurückgesprinteten Sturm-Spieler. Ein Konter, wie man ihn sich nicht mal in der Schülerliga fangen sollte, resultiert im 1:0 für den SC Wiener Neustadt.

Zweikampfschwäche in der Abwehr, Ballfehler im Mittelfeld

Für das 2:0 durch Tomas Simkovic benötigte Wiener Neustadt nur einen voraussehbaren, wenn auch schönen Pass in eine Schnittstelle in der Grazer Viererkette und einen völlig indisponierten Patrick Wolf, der den Neustadt-Kapitän einmal mehr laufen ließ. Zuvor verlor Thomas Burgstaller einen entscheidenden Zweikampf gegen Daniel Wolf. Auch das dritte Tor der Wiener Neustädter war verhinderbar: Haris Bukva verliert den Ball im Mittelfeld, trabt Simkovic allerdings nur nach, verlässt sich auf seine Mitspieler. Simkovic schlägt jedoch einen Traumpass auf Friesenbichler, der von Gegenspieler Burgstaller nur beobachtet wird. 3:0, der Sack war zu. Alle drei Tore resultierten aus taktischen und läuferischen Missverständnissen der Sturm-Akteure und so steht speziell Meistermacher Franco Foda in der Kritik der Fans – denn der ist es, der eine Mannschaft formen müsste und davon ist die aktuelle Sturm-Elf meilenweit entfernt. Einzig Jürgen Säumel und Manuel Weber versuchten Fäden zu ziehen und Akzente zu setzen, doch auf dem Feld stehen bekanntlich elf Fußballer und so reichten die (ohnehin unkreativen) Bemühungen der zentralen Mittelfeldspieler nicht aus, um beim Abstiegskandidaten aus Niederösterreich zu bestehen.

Titelverteidigung kann kein Thema sein

Sturm Graz hat nach dem sensationellen Meistertitel aus der Vorsaison seinen Zenit erreicht. Der Kader ist zu klein und qualitativ nicht gut genug, um die Dreifachbelastung Bundesliga-Cup-Europacup wegzustecken. Spieler, die 2010/11 noch auf dem Gipfel ihrer Möglichkeiten spielten, hadern aktuell mit sich selbst und finden keinen Weg aus ihrem Formtief. Eben weil einige Akteure mit sich selbst hadern ist die allgemeine Leistungsfähigkeit der Mannschaft eingeschränkt. Ein Ausweg ist vorerst nicht in Sicht, zumal die verunsicherten Sturm-Spieler bis zum Winter nicht mehr zu ihrer Topform finden werden. Auch umfassende Spielerrochaden sind nicht im Rahmen des Möglichen: Sturm Graz hat kaum Fußballer in der Hinterhand (die Oldies Muratovic und Haas ausgenommen), die in einer derartigen Situation als Zugpferde oder Leitwölfe agieren könnten. Junge Spieler wie Florian Neuhold, Marvin Weinberger oder der Brasilianer Carlos Eduardo Sousa, der noch kein Spiel für den SK Sturm bestritt, sind nicht diejenigen, die die gesamte Sturm-Mannschaft aus der Misere hieven können.

Innenverteidigung und (Auswärts-)System überdenken

In Graz wird man glücklich sein, wenn der verkorkste Herbst zu Ende ist. Dennoch kann man in der aktuellen Lage bereits die Weichen für die Zukunft stellen, die den SK Sturm mit Sicherheit nicht in Richtung Titelverteidigung, sondern in eine Knochenmühle auf dem Weg zu einem Europacupplatz führen wird. Dies impliziert etwa die Suche nach einer nachhaltigen Lösung in der Innenverteidigung, mit einer klaren Definition von Chef und Arbeiter, was wiederum den 18-jährigen Florian Neuhold ins Spiel bringt und Feldhofer und Burgstaller aus der Mannschaft drängen würde. Es ist zwar grundsätzlich nicht einfach in schwierigen Phasen junge Spieler zu forcieren, andererseits würde es sich hier um eine Änderung handeln, bei der der junge Spieler auf mehrere Spiele gesehen mit Sicherheit nicht schlechter spielen würde, als die beiden Alten. Im Bezug auf die Auswärtsschwäche ist zudem eine Systemveränderung oder eine präzisere Adaptierung des Spielsystems auf den Gegner anzudenken. Sturms 4-4-2 hat in der bisherigen Saison auswärts auf der ganzen Linie versagt, ist leicht ausrechenbar und nahm Sturm nicht nur in Wiener Neustadt in entscheidenden Situationen die Chance ein Übergewicht im Mittelfeld zu erzeugen. Denn wenn die Stürmer (auch defensiv und im Spielaufbau) so aussetzen, wie es Bodul und Kienast in Wiener Neustadt taten, agiert man in einem 4-4-2 gefühlt mit ein bis zwei Mann weniger…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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