Die Wiener Austria wurde auf der Suche nach einem neuen Linksverteidiger bei Borussia Mönchengladbach fündig und lieh den 20-jährigen Dänen Andreas Poulsen für ein... Ist Linksverteidiger Andreas Poulsen ein Upgrade für die Wiener Austria?

Die Wiener Austria wurde auf der Suche nach einem neuen Linksverteidiger bei Borussia Mönchengladbach fündig und lieh den 20-jährigen Dänen Andreas Poulsen für ein halbes Jahr aus. Wir wollen uns dieses Leihgeschäft und den Spieler genauer ansehen.

Große Konkurrenz in Gladbach

Aus Sicht von Borussia Mönchengladbach ergibt ein Leihgeschäft durchaus Sinn, denn Andreas Poulsen hat aktuell keine Chance an den Linksverteidigern Oscar Wendt und Ramy Bensebaini vorbeizukommen. Wendt ist ein Gladbacher Urgestein, das mittlerweile seit der Saison 2011/12 im Dauereinsatz ist und mehr als 200 Ligaspiele für die Fohlen absolvierte. Der Algerier Ramy Bensebaini geigte im Herbst so richtig auf und erzielte drei Treffer bei seinen acht Ligaeinsätzen – unter anderem einen Doppelpack beim 2:1-Sieg gegen Bayern München.

Verletzungen und Blockade

Andreas Poulsen hat es angesichts dieser Konkurrenz ohnehin nicht leicht in den Kader der Kampfmannschaft zu rutschen, speziell da seit seinem Wechsel zu Gladbach rein gar nichts nach Wunsch lief. Der junge Spieler, der dem FC Midtjylland immerhin eine Ablösesumme von mehr als vier Millionen Euro einbrachte, geriet in ein Formtief und hatte zudem auch noch mit Verletzungen zu kämpfen. Für die Gladbach-Fans ist es ein Rätsel, weshalb der mittlerweile 20-Jährige bislang absolut keine Werbung für sich machen konnte. Einige meinen er wirke stark blockiert und zumindest in der Anfangsphase dürfte er auch mit Heimweh zu kämpfen gehabt haben. Dennoch sind die Anhänger überzeugt, dass der Spieler viel Potential haben muss, da die Borussia speziell bei verhältnismäßig hohen Ablösesummen nur selten völlig danebengreift und erfolgskonstant scoutet.

Spielpraxis bei der Austria

Gladbach-Sportdirektor Max Eberl betonte, dass der junge Verteidiger unbedingt Spielpraxis auf hohem Niveau benötigt und er geht davon aus, dass die österreichische Liga besser dazu geeignet ist, als die Regionalliga West, Deutschlands vierthöchste Spielklasse. Bisher kam Poulsen nämlich ausschließlich in der zweiten Mannschaft der Gladbacher zum Einsatz. 2018/19 absolvierte er dort 14 Einsätze, in der aktuellen Saison waren es nur vier. Zudem ist Poulsen Stammgast bei der dänischen U21-Nationalmannschaft. Mitte November zog er sich bei einem Spiel gegen Malta einen Bänderriss zu und absolvierte danach im Jahr 2019 keine Partie mehr.

Gladbach-Trainer Marco Rose meldete sich Mitte Oktober zur Personalie Poulsen zu Wort. In einem Interview mit RP-Online meinte er, dass er Poulsen noch nicht abgeschrieben hat: „Er ist ein junger Kerl, und junge Kerle, gerade wenn sie aus dem Ausland kommen, brauchen Zeit. Ich habe Andy jetzt kennengelernt, wir hatten zuletzt mehrere Gespräche. Das ist ein guter Junge, der im Moment wieder Selbstvertrauen gewinnt.“

Alles Kopfsache?

Poulsen bringt viele Anlagen mit, die ein moderner Außenverteidiger benötigt. Er verfügt über eine passable Grundschnelligkeit und eine gute Technik und zeigte auch im U21-Nationalteam immer wieder starke Leistungen. Bei Borussia Mönchengladbach konnte er in den Testspielen und im Trainingslager jedoch nicht überzeugen. Ein Journalist von RP-Online meinte sinngemäß, dass Wendt noch mit 38 Jahren die Nummer Eins links hinten sein wird, wenn Poulsen sein einziger Konkurrent bleibt. Poulsen beging leichtsinnige Fehler, die nichts mit seiner Technik, sondern mit mangelnder Konzentration zu tun hatten. Es fehlte ihm an Selbstvertrauen und Spielpraxis auf hohem Niveaum, um sich abseits seiner Heimat bei einem verhältnismäßig großen Klub durchzusetzen.

Seine Statistiken

Wir wollen uns nun seine Statistiken ansehen und diese mit den aktuellen Austria-Spielern auf dieser Position vergleichen. Caner Cavlan könnte nach diesem Leihgeschäft abgegeben werden, zumal er seit dem 28. September 2019 kein Pflichtspiel mehr für die Wiener Austria bestritt.

In den Statistiken sind die Liga-Spielminuten im Kalenderjahr 2019 erfasst, also Poulsens Einsätze in mit der zweiten Mannschaft bei der Borussia in der Regionalliga West.

Die für diese Position relevante Statistiken

Quelle: Wyscout S.p.a

Man sieht auf den ersten Blick, dass Poulsen rein von den Statistiken kein Upgrade zu den bestehenden Akteuren ist, obwohl die Deutsche Regionalliga West sicherlich schwächer als die österreichische Bundesliga ist. Poulsen ist in den meisten Statistiken schlechter als die beiden Austria-Spieler, wobei insbesondere der wichtige Wert „Lost balls to saa. %“ heraussticht. Diese Metrik beschreibt wie das Verhältnis von Ballverlusten zu erfolgreichen Aktionen (Schüsse, Flanken, Dribblings) lautet. Je niedriger die Wertung, umso besser. Die Werte von Martschinko und Cavlan sind für Außenverteidiger stark, die 6,56 von Poulsen sind doch ziemlich hoch. Dieser hohe Wert ergibt sich wahrscheinlich, weil nur 8,33% von Poulsens Flanken ankamen, was ein extrem niedriger Wert ist.

Defensiv-Statistiken

Quelle: Wyscout S.p.a

Bei den gewonnen Zweikämpfen befindet er sich bis auf die zweite Nachkommastelle gleichauf mit Martschinko, wobei Cavlan mit 63,16% in Führung liegt. Poulsen liegt bei den Interceptions pro 90 Minuten mit 4,39 zwischen den beiden Spielern, ebenso bei der Anzahl der defensiven Duelle pro 90 Minuten. Bei den erfolgreichen defensiven Aktionen pro 90 Minuten liegt er knapp hinter Martschinko und recht deutlich hinter Cavlan zurück.

Die Offensivstatistiken

Quelle: Wyscout S.p.a

Bei den Offensivstatistiken hat Cavlan klar die besten Werte, speziell was die Anzahl der Torschüsse betrifft. Poulsen macht die meisten Dribblings, wobei eine Erfolgsquote von 60%, auch wenn sie hier an dritter Stelle liegt, insgesamt durchaus gut ist.

Die Passstatistiken

Quelle: Wyscout S.p.a

Die Passquoten sind relativ ähnlich, wobei Poulsen bei der Genauigkeit der langen Pässe abfällt und auch bei den Rückpässen eine schwache Quote aufweist, was auch mit den oben erwähnten Konzentrationsschwächen zu tun haben könnte.

Fazit

Rein von den Leistungsdaten sollten sich die Austria-Fans keine Wunderdinge von ihrem neuen Schützling erwarten, der noch dazu von einer Verletzung zurückkommt und unbedingt Spielpraxis unter Wettkampfbedingungen benötigt. Poulsen bewies in den Nachwuchsnationalmannschaften, dass er ein talentierter Außenverteidiger ist, muss dies allerdings auf Klubebene im Ausland erst unter Beweis stellen. Es ist immer wichtig, dass Neuzugänge gut in ihre neue Mannschaft aufgenommen werden, aber bei Poulsen wird dies das Um und Auf sein. Sollte der junge Spieler, wie in Gladbach mit der neuen (Lebens-)Situation überfordert sein, dann wird er auch in Wien kein Upgrade zu den bisherigen Linksverteidigern der Wiener Austria darstellen. Poulsen ist ein sensibler Spieler, der Selbstvertrauen und ein stabiles Umfeld benötigt, um seine Leistungen abzurufen. Es bleibt abzuwarten, ob die Wiener Austria, die sich sowohl sportlich als auch wirtschaftlich in einer eher schwierigen Phase befindet, das ideale Umfeld für den Dänen bieten kann.

Stefan Karger, abseits.at

Stefan Karger