Der Haussegen hängt gewaltig schief in Wien-Favoriten. Schwache Leistungen in der Qualifikationsgruppe und nur ein mickriger Punkt aus den letzten vier Spielen – was... Kommentar: Die Austria ist in einer Sackgasse (1)

Der Haussegen hängt gewaltig schief in Wien-Favoriten. Schwache Leistungen in der Qualifikationsgruppe und nur ein mickriger Punkt aus den letzten vier Spielen – was mittlerweile auch zur Entlassung von Trainer Michael Wimmer führte. Doch nicht nur das, auch die Auftritte waren dabei teilweise völlig blutleer und ohne jegliche Leidenschaft, weshalb man sich die Frage stellen muss, wie so etwas passieren kann. Die Probleme brodeln jedoch schon länger unter der Oberfläche und treten nun allmählich zu Tage. Doch nicht nur die Spieler und der Trainer sind dabei in die Pflicht zu nehmen, sondern vor allem auch die sportliche Führung.

Die Austria ist nicht besser als ihr Tabellenplatz

Der Kern dieses Artikels wurde eigentlich im Nachgang zum Debakel in Lustenau geschrieben und hätte als Analyse des IST-Zustands nach der Meisterschaft veröffentlicht werden sollen. Die Ereignisse überschlugen sich allerdings in den letzten Tagen und so wurden nach der Beurlaubung von Trainer Wimmer einige Stichpunkte hinfällig, die man nun nicht weiterausführen muss. Die Kernpunkte bleiben jedoch nach wie vor bestehen, da der Trainer in dem Sinne nicht der Hauptschuldige für die Situation war, sondern in erster Linie an den Umständen gescheitert ist. Michael Wimmer ist sowohl menschlich, als auch fachlich wohl einer der unumstrittensten Trainer in den letzten zehn Jahren gewesen – und davon hatte die Austria einige. Warum funktionierte es schlussendlich dann doch nicht?

Man könnte jetzt ausführlich die Spielanlage sezieren und verschiedenste Aspekte anführen, warum sich die Austria aktuell schwertut, Spiele zu gewinnen. Der offensichtlichste Grund ist jedoch, dass man qualitativ einfach nicht gut genug ist, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Geht man den Kader durch oder schaut sich die Spieler in der Startelf an, stellt man sich die Frage: Wer sind die Unterschiedsspieler? Vollzieht man das, kommt man zu dem Schluss, dass der mit Abstand stärkste Mannschaftsteil der Austria der Defensivverbund ist. Und hier liegt auch das Hauptproblem, weshalb man in der Qualifikationsgruppe Schwierigkeiten damit hat, Spiele zu gewinnen. Man hat vor allem im Angriff einfach zu wenig Qualität und ist nicht signifikant besser, als die Gegner der unteren Tabellenhälfte.

Nur zwei (!) Spieler haben in dieser Saison in 31 Ligaspielen mehr als vier Saisontreffer erzielt. Magere acht Tore wurden in neun Spielen der Qualifikationsgruppe erzielt – nur Lustenau hat weniger. Mit Dominik Fitz gibt es genau einen Spieler, der in der Lage ist einen spielerischen Mehrwert zu kreieren und als Unterschiedsspieler angesehen werden kann. Wo ist aber ein Spieler mit einem Torriecher? Wo sind die Kreativspieler? Wo sind die Spieler mit Geschwindigkeit und Dynamik? Wo sind die Spieler die gut sind in engen Räumen? Wo sind die Spieler die mit gewonnenen Dribblings Löcher in der gegnerischen Verteidigung kreieren können? Keines dieser Attribute wird auf zufriedenstellende Art und Weise von einem oder gar mehreren Spielern abgedeckt. Daher ist die Offensive der Violetten auch sehr ausrechenbar und lastet enorm viel Last auf den Schultern von Fitz. Fällt dieser wie gegen Lustenau aus, wird es sehr düster. Es wird viel in die Breite gespielt, man bekommt keinerlei Dynamik ins Spiel, Flügeldurchbrüche sind so gut wie nicht vorhanden und durch das Zentrum gelangt man ebenfalls nicht nach vorne, da man technisch nicht gut genug ist, um in engen Räumen den Ball zu behaupten.

Ein Andreas Gruber etwa, der bei elf Saisontoren steht, kann auch nicht wirklich in dessen Fußstapfen treten. Gruber kann als Ergänzung funktionieren, wie in Zeiten wo er mit Fitz und Tabakovic spielte. Er schleicht eher über das Feld und mit seinem starken linken Fuß kann er zwar im Strafraum gefährlich werden, aber durch seine fußballerischen Limitierungen und physischen Nachteile, ist er weder ein echter Mittelstürmer, noch als ein klassischer Flügelstürmer anzusehen. Außerhalb des Strafraumes hat Gruber, abgesehen von seinen Tiefenläufen, wenig Einfluss auf das Geschehen und generiert kaum einen spielerischen Mehrwert – vor allem im Vergleich zu einem Fitz.

Nur solche Akteure haben die Violetten zuhauf und wenn jeder abhängig vom anderen ist, wer geht dann voran? Wer übernimmt die Initiative und kreiert etwas? Das gleiche gilt auch für Spieler wie Huskovic, der aus seinem Potenzial insgesamt zu wenig macht und nicht über Ansätze hinauskommt oder Vucic, der sich selbst im Weg steht, aber auch vom Trainer offensichtlich kein Vertrauen bekam und zumeist auf dem Flügel verschwendet wurde. Es ist zwar nett, dass Gruber, Huskovic und andere Kaderspieler nette Ansätze haben, aber wo ist die entscheidende Durchsetzungsfähigkeit der Offensivspieler?

Die Austria ist bei Standardsituationen die schwächste Mannschaften der Liga

Das ist vor allem dann fatal, wenn es gegen Mannschaften geht, die der Austria das Spiel überlassen. Schon die ganze Saison über hat man gegen tiefstehende Gegner Probleme und wurde das von unserer Stelle aus mehrmals hervorgehoben. Eklatant war dies in den Spielen gegen die WSG, Altach und Lustenau, wo man in 270 Minuten nur zu vier (!) Torchancen kam – und da ist der Elfmeter in Lustenau schon miteinberechnet. Klar ist es nicht einfach, gegen destruktive Mannschaften Lösungen zu finden und ist das eine der Königdisziplinen im Fußball. Aber sich nur eine Torchance pro Spiel zu erarbeiten? Das ist ein harter Tobak. Aber es verwundert eben nicht, blickt man auf die mangelhafte individuelle Qualität. Wie will man auch zum Torerfolg kommen? Umschaltspiel? Eher nicht, da kein Tempo im Angriff. Über Flanken? Es gibt keinen geeigneten Zielspieler im Moment. Über das Kombinationsspiel? Dafür fehlt die technische Qualität auf engem Raum. Standardsituationen? Da können sich die Gegner in Ruhe zurücklehnen und haben nichts zu befürchten.

Die Aufgabe von Trainern sollte immer sein, die eigenen Spieler ins letzte Drittel zu bringen. Dort müssen dann aber die Akteure selbst tätig werden und Lösungen kreieren. Von individuellen Aktionen mit Überraschungseffekt kann man bei der Austria allerdings nur träumen. Wann gelang es zuletzt einem Spieler, sich im Alleingang im Dribbling durchzusetzen und alleine ein Tor zu erzwingen? Solche Aktionen sucht man vergebens bei den Violetten. Und man lehnt sich auch nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man konstatiert, dass die individuelle Qualität in der Offensive mit die schlechteste der letzten zehn Jahre ist. Beim letzten Auftritt in der Qualifikationsgruppe hatte man z.B. noch Spieler wie Sarkaria, Wimmer oder Pichler im Kader. Von so einer Qualität kann man aktuell nur träumen.

Am offensichtlichsten wurde diese Tatsache im Spiel gegen den WAC, was ironischerweise der beste Auftritt der letzten Wochen war – den man dennoch mit 0:4 verlor. Hier kehrte etwa Zielspieler Asllani zurück und war sofort der Dreh- und Angelpunkt im Offensivspiel, wodurch man prompt wesentlich zielstrebiger und torgefährlicher wurde. Noch eklatanter wurde es, als der erst 18-Jähriger Sanel Saljic eingewechselt wurde und nach nur fünf Minuten mehr gefährliche Aktionen initiierte, als manch gestandener Profi in den letzten Wochen pro Spiel zusammenbrachte. Das wirft kein gutes Licht auf das Offensivpersonal der Austrianer und gibt einem zu denken.

Wenn man in all den Bereichen Defizite hat, dann sollte man umso mehr den Fokus auf Bereiche richten, die man auch als Trainer beeinflussen kann – nämlich Standardsituationen. Bei der Austria zeichnet sich der nun beurlaubte Co-Trainer Ahmet Koc dafür verantwortlich, der das Thema unter seiner Leitung innehatte und auch immer von der Trainerbank auf die Seitenlinie hinausging, wenn die Mannschaft einen ruhenden Ball hatte. Doch dieses Ritual vermochte es nur wenig Auswirkung auf die Spieler zu haben, genauso wie die einstudierten Varianten, die man sich die ganze Trainingswoche lang überlegte. Bei ganzen zwei (!) mickrigen Saisontoren nach Standards stehen die „Veilchen“ aktuell, damit ist man ironischerweise mit dem Erzrivalen Rapid dieser Kategorie am Tabellenende der Liga.

Und dabei haben die Austrianer gute Schützen und einige großgewachsene Spieler in ihren Reihen und mit Plavotic z.B. jemanden, der in diesem Bereich einer der torgefährlichsten Spieler in der Bundesliga in der vergangenen Saison war. Doch davon sieht man auf dem Spielfeld gar nichts und jeder Gegner muss sich nicht wirklich fürchten, in der eigenen Hälfte Fouls oder Eckbälle zu verursachen. Ironischerweise hat man mit dem Thema Standards unter der Führung von Koc beinahe mehr eigene Kaderspieler verloren, als Tore erzielt (dazu kommen wir später noch und liefern den Kontext). So oder so fragt man sich, was man die ganze Woche über eigentlich einstudiert hatte. Dieser Aspekt wurde offensichtlich stiefmütterlich behandelt oder fehlte hier schlicht die Kompetenz, um für Resultate zu sorgen. Trainer sollten in dem Fall genauso an den Ergebnissen gemessen werden, wie die Spieler.

Trainer Wimmer wirkte zunehmend frustriert und ratlos

Allgemein kommt es nicht von ungefähr, dass die Violetten ihre besten Spiele gegen Kontrahenten hatte, die versuchen mitzuspielen und wo man Räume bekommt. Am besten zu sehen war diese Tatsache in der „Doppelrunde“ gegen die WSG, wo die Tiroler in Wien einen offensiven Ansatz wählten und die Austria überzeugend gewann, um dann wenige Tage darauf im Rückspiel mit der destruktiven Spielweise der WSG völlig überfordert zu sein und das Spiel zu verlieren. Von den neun absolvierten Spielen hatte man in der Qualifikationsgruppe nur zweimal weniger als 55 Prozent Ballbesitz – und diese beiden Spiele wurden auch souverän gewonnen.

Das unterstreicht die Tatsache, dass wenn der Gegner mitspielt, sich die Violetten wesentlich leichter tun. Daher war es auch besonders fatal für die Austrianer, dass man denkbar knapp nicht in die Meistergruppe kam. Dort wären diese Probleme eventuell nicht so sehr zum Tragen gekommen, da die meisten Mannschaften versuchen mitzuspielen und man selten weit über 60 Prozent Ballbesitz gehabt hätte. Aber das ist nun mal nicht die Realität. Die Realität ist, dass man seit der Punkteteilung es nicht geschafft hat, sich auf die Qualifikationsgruppe einzustellen. Und dafür ist auch der Trainer verantwortlich.

Normalerweise bekommt man auf abseits.at wöchentlich Analysen zu den Spielen, doch in den letzten Wochen sahen wir uns nicht imstande, den Informationsauftrag zu erfüllen. Warum? Weil es schlicht nichts Nennenswertes zu berichten gab. Einerseits lag das an den destruktiven Gegnern und gleichen Spielverläufen, andererseits sieht man seit Wochen das gleiche Bild, kaum neue Ansätze oder Ideen, die Spielanlage weiterzuentwickeln oder mit ausgeklügelten Matchplänen und Formationen den Gegner zu überraschen. Es war immer das gleiche 3-4-3, zuletzt oftmals mit Fitz als „falsche 9“ und mit Gruber und Huskovic als Halbstürmern. Seit Wochen hat man Schwierigkeiten damit, sich Torchancen zu erarbeiten und eine gewisse Präsenz im Strafraum zu generieren, da einfach niemand diese Räume im Sturmzentrum besetzt. Hier stellt sich natürlich dann auch die Frage, nach der Ursache und der Wirkung. War schlicht nicht mehr möglich mit dem Spielermaterial? Wollte Wimmer seine Akteure nicht überfordern? Oder fehlte es ihm an einem Lösungsansatz?

Ein interessanter Versuch etwa, Guenouche etwas offensiver einzusetzen, wurde aus welchen Gründen auch immer schnell wieder verworfen. Dabei war es eine der Stärken von Wimmer, dass man sich gut durchdachte Matchpläne zurechtlegte und in der Lage war, verschiedenste strategische Schwerpunkte zu setzen, wie man einen Gegner attackieren will. Davon sah man die letzten Wochen immer seltener etwas und es wurde höchstens nur personell gewechselt, nicht aber strategisch. Früher hat man etwa im Spielaufbau viel versucht und auch mal einen „Sechser“ abkippen lassen, stattdessen einen Halbverteidiger in die Breite und nach vorne geschoben oder einen Flügelverteidiger einrücken lassen. Das alles war schon länger nicht mehr zu sehen und dadurch nahm auch die Quote an langen Bällen aus dem Spielaufbau heraus zu. Und die Dinge, die die Violetten auszeichneten, waren längst nicht mehr so dominant, wie es früher der Fall war. Das Pressing wurde immer löchriger, die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen größer und generell das Positionsspiel einfach schlechter.

Wenn dann noch Schlüsselspieler wie Handl, Galvao oder Fitz ausfallen und stattdessen Leute auflaufen müssen, die schlicht nicht die Qualität für eine Austria haben, kommt so ein Auftritt dabei heraus. Das ist auch eine Misere der Führungsspieler, von denen die Violetten viel zu wenige haben. Arrivierte Akteure wie Fischer, Ranftl oder Martins, die dieses Kriterium erfüllen sollten, kämpfen hauptsächlich gerade mit ihrer eigenen Leistung und hätten sich eigentlich längst eine Nachdenkpause auf der Bank verdient. Die ganze erinnert frappant an die Phase im Herbst, als man sieben Spiele sieglos blieb. Auch damals hat man nach der eigenen Identität gesucht und agierte in vielen Bereichen einfach kopflos und nicht stimmig. Den Umschwung besorgte damals ein neues Duo im zentralen Mittelfeld Namens Potzmann & Jukic, welches dem Team eine enorme Stabilität gab und sowohl mit, als auch gegen den Ball auf Anhieb verbesserte. Es ist wohl höchst unwahrscheinlich, dass man so ein Gespann nochmal aus den Hut zaubern kann, um dem eigenen Auftreten frisches Blut zu injizieren. Dass man das Gespann Potzmann und Jukic auseinandergerissen hat, lag aber hauptsächlich am eigenen Unvermögen in der Menschenführung und schlechtem Krisenmanagement, wie wir im morgigen Teil ausführlich erläutern werden.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic