Kommentar: Eine Speisekarte für Platzstürmer
Bundesliga 19.Oktober.2018 Daniel Mandl 0
Künftig können Klubs in der heimischen Bundesliga aufgrund ihrer „Problem-Fans“ mit Punktabzügen belangt werden. Dagegen lief natürlich vor allem der SK Rapid Sturm. Ohne Erfolg.
Ab der kommenden Saison geht’s den Klubs bei „schweren Verfehlungen“ durch die Fans richtig an den Kragen: Geldstrafe nach der ersten Verfehlung, ein bedingter Punktabzug und Sektorsperre nach der zweiten – und schließlich gibt’s eine weitere Geldstrafe, Sektorsperre oder Geisterspiel, sowie einen unbedingten Punktabzug nach der dritten.
Sämtliche Experten gegen Kollektivstrafen
Am Ende stimmten fast alle Klubs für diese Strafoption. Nur Sturm und Hartberg enthielten sich, Rapid stimmte dagegen. Geschäftsführer Peschek zeigte sich enttäuscht und verwies auf zahlreiche Expertenmeinungen, die aufgrund der drohenden Solidarisierung unter Krawallbrüdern, von Kollektivstrafen abraten.
Es gibt aber ohnehin eine recht deutliche Option, bei deren Umsetzung Strafen wie diese ohnehin nie exekutiert werden müssen.
19-Jähriger als Bauernopfer
Spulen wir zurück zum Wiener Derby im Allianz Stadion am 4.Februar 2018. Raphael Holzhauser wird von Wurfgegenständen getroffen, Platzstürmer verhindern einen vielversprechenden Austria-Angriff. Rapid erhält eine Strafe, beruft, muss danach nur noch etwa die Hälfte zahlen. Gegen einen 19-jährigen Platzstürmer werden Regressforderungen gestellt – dessen erster Privatkonkurs wäre ihm damit quasi sicher.
„Strikt abzulehnen“, „mit voller Härte vorgehen“ und so weiter und so fort. Eh – aber man kann die ganze Sache auch weniger schwammig, sondern um ein Vielfaches klarer gestalten, als es bisher der Fall war. Den platzstürmenden Teenager als Bauernopfer vorzuführen ist natürlich einfach. Nur hätten eine geringere Geldstrafe und ein zu bestimmender Stundensatz an sozialer Arbeit oder eine ähnliche Maßnahme wesentlich mehr Sinn für alle Beteiligten. Wenn wir jetzt einfach mal frech davon ausgehen, dass die paar Netsch‘ für Rapid keine Existenzfrage darstellen.
Die Tagespresse und die Preisliste
Das österreichische Satiremagazin „Tagespresse“ veröffentlichte einen Artikel, weil ein Österreicher eine Strafe von 100€ bekam, da er einen Polizisten „Oida“ nannte. Die „Tagespresse“ veröffentlichte eine satirische „Preisliste“ über diverse weitere Begriffe. Was die einen persiflieren, kann für die anderen die Lösung sein.
Stünde in der grün-weißen Stadionordnung ein Katalog der verschiedenen möglichen Vergehen auf dem Fußballplatz, klar und deutlich formuliert wie eine Speisekarte und mit unmissverständlichen Preisschildern versehen, sind die „gröberen“ Vergehen auch schon wieder Geschichte. Wenn ein Platzsturm im Voraus mit 20.000 Euro dotiert ist und jeder Wurfgegenstand mit 5.000 Euro, erinnert sich auch noch der Enthusiasmierteste daran, dass der Stadionbesuch inklusive Spielfeldbesichtigung angesichts der Möglichkeiten durch Videoüberwachung im Jahr 2018 dann doch ein bisschen teuer werden könnte…
Jeden gleich behandeln – aber idealerweise von Anfang an!
Nur im Nachhinein einen Preis festzulegen ist schwierig. Wie schon bei den von Rapid zurecht kritisierten Kollektivstrafen, wird man nie eine faire Verhältnismäßigkeit schaffen können, auch weil die finanziellen Mittel potentieller Täter mitbedacht werden müssten. Wenn der besoffene Selfmade-Millionär den Rasen stürmt, ist Regress keine große Sache. Während einzelne Vergehen – so etwa auch der letzte Platzsturm im Derby, lange Zeit nach Spielschluss – im Detail aufgeschlüsselt und verglichen werden, was den hyänenhaft auf diese Situationen wartenden Erzrivalen schließlich auch zu vergleichenden Presseaussendungen verführt, werden die Situationen der Täter nur selten verglichen.
Strafen klar beziffern
Mit einer Preisliste in der Hausordnung wäre diese Vergleichsnotwendigkeit hinfällig. Zwar gelten dann auch für alle dieselben Rechte, aber da davon auszugehen ist, dass jeder Fan sich diese Preisliste im Voraus zu Gemüte führen würde, kann jeder selbst bestimmen, ob die Strafe für ihn in Relation zur Wirkung steht. In den allermeisten Fällen wird das nicht der Fall sein – und Interpretationsspielraum und mögliche, langwierige Berufungen gibt’s dann auch nicht mehr. Also: Klarheit in Form von Zahlen schaffen und damit die Möglichkeit auch nur in die Nähe eines Punktabzugs zu kommen im Keim ersticken.
Transparenz: Nein, danke!
Auch mit einer zweiten Forderung blitzte Rapid diese Woche übrigens ab: Zwingende Offenlegung der Finanzkennzahlen, so wie es Rapid bereits seit Jahren in seinem Geschäftsbericht macht. Der Kurier beschreibt das Abstimmungsergebnis so: „Angeführt von den „Großen“ Salzburg und Austria stimmte auch hier die Liga geeint dagegen“ – stellt sich nur die Frage, was gerade diese „Großen“ denn zu verbergen haben. Nur das Saubermannimage auszuspielen, wenn andere Klubs Probleme haben, sich dann aber selbst keiner Transparenzdebatte stellen, ist zwar ein anderes Thema als das zuerst beschriebene, aber dennoch schwach bis fragwürdig. Klar hat sich Rapid diese gehässige Gangart innerhalb der Liga auch selbst zuzuschreiben, aber wenn’s aktuell eine Sache gibt, die beinahe ligaweit eisern durchgezogen wird, dann ist es Trotz.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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