Es war schon ein ziemlich grauenvoller Anblick. Rapid muss zur Pause gegen Mattersburg locker mit 2:0 führen, spielt teilweise an den Halbpositionen, den Flügeln... Kommentar: Gesundstreicheln oder eine Strafraumkobra suchen?

Es war schon ein ziemlich grauenvoller Anblick. Rapid muss zur Pause gegen Mattersburg locker mit 2:0 führen, spielt teilweise an den Halbpositionen, den Flügeln und auch in der engen Mitte wie aus einem Guss und mutet dann im gegnerischen Fünfer an, wie die Holzgeschnitzten aus der englischen Sunday League. Und plötzlich führen die Gäste aus dem Burgenland mit 2:0.

War es Dummheit? War es Pech? War es irgendwie alles Negative, was in einem Fußballspiel zusammenkommen kann? Trainer Goran Djuricin bekreuzigte sich zum Pausenpfiff und suchte Hilfe von oben. Aber Gott hat nichts damit zu tun. Das Problem liegt hauptsächlich in den Köpfen der Spieler, ist einmal mehr ein mentales.

Rapids Spitzen haben Torschusspanik. Klar schmeckt’s einem Teamstürmer wie Giorgi Kvilitaia nicht, dass er bei einem Saisontreffer steht und Defensive wie Auer oder Ljubicic schon bei zwei. Auch Joelinton kann mit seiner bisherigen Saison nicht zufrieden sein. Drei Tore in 16 Ligaeinsätzen – und gegen Mattersburg hätte ihm definitiv sein erster Pflichtspieldoppelpack für Rapid gelingen müssen. Teilweise schoss der Brasilianer den Ball aber fast schon aus dem Tor hinaus.

Damit war er nicht alleine. Kvilitaia vergab Topchancen, Schaub vergab kläglich, Berisha mit Pech – und irgendwie war es symptomatisch, dass mit Philipp Prosenik einer traf, der sich sagen kann: „Pfeif drauf! Ich hab sowieso keine Zukunft mehr bei Rapid“. Kurz zuvor hatte Joelinton doch noch getroffen. Marke Tor der Runde. Manchmal gehen die schwierigen Bälle halt leichter rein, als die richtig einfachen.

Dabei verlief die Partie gegen Mattersburg bis zum gegnerischen Fünfer nach Wunsch. Die Hütteldorfer spielten richtig stark, drängten den SVM hinten rein und fanden sogar in extrem verengten Situationen noch gute Lösungen, was auch dem erstarkten zentralen Mittelfeld mit einem sehr umsichtigen und hoch platzierten Ljubicic als Anspielstation für Spielverlagerungen geschuldet ist. Rapid erarbeitete sich Chance um Chance, stand am Schluss bei 33 Torschüssen – davon gingen zehn aufs Tor.

Es ist erst ein paar Jahre her, da waren die Probleme Rapids das Gegenteil. Wie heute hatte man eine sehr positive Passquote, schnürte den Gegner ein, fand aber keine Lösungen, um in den Fünfmeterraum zu kommen. Falls dies doch gelang, stand dort ein Knipser und sagte „danke“. Damals wurde immer wieder die fehlende Dynamik, die übertriebene Geduld im Spiel bekrittelt. 2017/18 ist Rapid  dynamischer, kräftiger, auch ein bisschen verrückter – eigentlich schön anzusehen! Und dann vergibt man an vorderster Front die Torchancen, für die man sich früher noch alle zehn Finger abgeleckt hätte, weil man nur selten so konkret vor des Gegners Tor kam.

Rapid hat vor der Winterpause nur noch die verbesserten St.Pöltner von Oliver Lederer vor der Brust und braucht dringend den fünften Auswärtssieg der Saison, um den Weihnachtsfrieden zu wahren. Danach kommt schon wieder Arbeit auf Fredy Bickel zu, denn die Stürmermisere kann nicht einfach weggekehrt werden. Erzielte Tore bzw. Punkte in Verhältnis zu investiertem Geld sind eine recht gute Kennzahl, um den Erfolg des eigenen Handelns zu beurteilen. Sturm beispielsweise steht diesbezüglich gut da, Rapid weiterhin eher nicht.

Kurze Rückblende in die letzte Meistersaison Rapids. Damals – 2007/08 – wurden im Herbst 23 Runden ausgetragen. Rapid holte damals im Schnitt 1,56 Punkte und erzielte im Schnitt 1,61 Tore pro Spiel. Toptorjäger mit sieben Treffern war mit Mario Bazina ebenfalls kein klassischer Neuner, sondern eher ein Hybrid. Nach 19 Runden der laufenden Saison steht Rapid bei einem Punktschnitt von 1,63 und einem Torschnitt von 1,58 pro Spiel. Also weitgehend ähnlich wie damals, obwohl die Meisterschaft 2007/08 in den oberen Regionen deutlich ausgeglichener war, als die diesjährige.

Und dann kam Stefan Maierhofer und komplettierte mit Jimmy Hoffer ein Duo, das nicht nur einander, sondern das ganze Team perfekt ergänzte. Rapid – damals als Mannschaft insgesamt gefestigt – kümmerte sich schlichtweg um die Stürmerfrage und erzielte in 13 Frühjahrspartien 30 Tore, holte 33 Punkte, wurde Meister. Und der Grund dafür war die Leichtigkeit, die „scheiss-mir-nix“-Mentalität, die aktuell einfach dahin ist, weil jeder grün-weiße Stürmer Torschusspanik hat. Den Rapid-Spitzen diese auszutreiben ist eigentlich schon den gesamten Herbst die Aufgabe des Trainerteams und eine rein mentale Frage. Da hilft auch ein zusätzlicher Stürmertrainer nichts, denn wie man die Wuchtel in die Maschen haut, wissen die Spieler ja ganz grundsätzlich. Dafür braucht’s tatsächlich keinen Theoriekurs.

Auch wenn der Rückstand auf Salzburg und Sturm mittlerweile zu groß sein dürfte, um noch etwas mit dem Titelkampf 2018 zu tun zu haben, kann Rapid dennoch jetzt die Weichen stellen, um wieder eine echte Killermannschaft aufs Feld schicken zu können. Und dafür gibt’s jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder man streichelt Joelinton und Kvilitaia so lange, bis sie vor dem Tor vom Leichtfett-Tofu zum Wagyu-Beef werden, oder aber man entschließt sich tatsächlich noch einmal in die Tasche zu greifen, um dem sonst richtig guten Team an vorderster Front neuen Effet zu geben. Denn auch wenn wir die momentane Stürmerkrise ausblenden: Die Gesamtstatistik zeigt, dass Joelinton und Kvilitaia zusammen 27 Tore für Rapid erzielten und dafür 118 Einsätze benötigten. Und so stellt sich zusätzlich noch die berechtigte Frage, ob einer der beiden mit „offenem Knopf“ dieselbe Torquote wie ein Hoffer, Maierhofer, Jelavic oder Beric erreichen kann.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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