Der Fußballer Stefan Maierhofer macht seit Jahren meist nur mehr mit seiner – manchmal verzweifelt anmutenden – Suche nach einem Arbeitgeber, bei dem er... Kommentar: Maierhofer und Rapid – Szenen einer Ex-Ehe

Der Fußballer Stefan Maierhofer macht seit Jahren meist nur mehr mit seiner – manchmal verzweifelt anmutenden – Suche nach einem Arbeitgeber, bei dem er kurzzeitig andocken kann, Schlagzeilen. Aktuell ist der 40-jährige als Spielertrainer beim Kremser SC in der Regionalliga Ost engagiert und obwohl seine aktive Karriere noch nicht vorbei ist, war seine einzigartige Laufbahn schon immer eine Rückschau wert. Dieser Meinung war ich bereits 2014 (!), als ich den Stürmer in meiner Serie „Die Achterbahnprofis“ porträtierte. Letzten Sonntag stand Maierhofer im Podcast „Zweierkette“ von Thomas Trukesitz und Elisabeth Gamauf-Leitner Rede und Antwort. Augenmerk legten die beiden Journalisten in dem fast zweistündigen Gespräch auf das aktuelle Verhältnis des Angreifers zum SK Rapid, für den Maierhofer eineinhalb Saisonen lang erfolgreich kickte und so maßgeblichen Anteil am letzten Meistertitel hatte.

Weder Fan…

Dass Maierhofers Verhältnis zum österreichischen Rekordmeister nicht friktionsfrei ist, ist hinlänglich bekannt. Dabei war die sportliche Ehe mit 31 Toren in 41 Spielen für Maierhofer und einem Meistertitel für Rapid mehr als erfolgreich; nach der Trennung waren sich beide Parteien allerdings nicht (mehr) grün. In „Zweierkette“ ließ der 2,02-Meter-Riese mit einer noch unbekannten Episode erneut tief blicken, als er erzählte, er sei 2018 nicht zum Abschiedsspiel des grün-weißen Rekordspieler Steffen Hofmann eingeladen worden: „Andy Marek hat mir beinhart gesagt: ‚Du hast eine Red Bull-Vergangenheit, da tun wir uns nichts Gutes, wenn du morgen bei diesem Spiel aufläufst.‘“

Wer Stefan Maierhofers Karriere kennt, der weiß: Der Stürmer ist Fußballprofi und nicht Fan eines Vereines. Der Major hüpfte mit einer durchschnittlichen Halbwertszeit von einer Saison in Österreich, Deutschland, England, der Slowakei und der Schweiz von Team zu Team. Doch egal welches Trikot er trug, der Offensivkicker haute sich ins Zeug. Robert Lewandowski, der als Wanderarbeiter diesbezüglich der Musterprofi des modernen Fußballs ist, hat dies anlässlich seines Abschiedes von Bayern München treffend formuliert: „Ihr, die Fans, seid es, die den Verein ausmachen. Wir, die Spieler, sind nur für einen Moment da.“ So war es auch bei Maierhofer: Der Angreifer tat seinen Job, feierte mit den Fans und zog anschließend weiter. Diese Berufsethik ist zu respektieren, doch, wenn man sich für diesen Weg – wie es die meisten Spieler tun – entscheidet, kann man nicht erwarten von jenen, die als Anhänger ihre Farben wirklich im Herzen tragen, als „einer von ihnen“ behandelt zu werden.

Bei Rapid sind gewisse Sachen nicht diskutabel: In den Jahren des sportlichen Misserfolges verschwinden die Erfolgsfans, der harte Kern der Anhängerschaft wächst jedoch noch enger zusammen. Rapid Wien ist heute mehr denn je Religion, Familie, Lebenssinn. Je erfolgreicher die Salzburger Konkurrenz arbeitet, desto manischer verschwört sich die gesamte grün-weiße Sippschaft gegen den modernen Fußball. Vom Häuslmann über den Präsidenten bis zum Allesfahrer beweihräuchert Rapid den eigenen Traditionalismus bis zum Strahlkotzen und bietet so (auf kommerzielle Art und Weise) jenen Anti-Kommerz gegen den sie sich vermeintlich positionieren feil.

Entgegen der Meinung von Elisabeth Gamauf-Leitner, die angesichts dieser Marek-Anekdote replizierte: „Rapid geht vor den Fans in die Knie“, lebt auch die Hütteldorfer Klubführung (freiwillig) derartige Positionen: So schoss man sich in Hütteldorf schon unter dem seligen Rudi Edlinger vorwiegend auf die Salzburger und ihren sportlichen way of life ein, nachdem der Stadtrivale aus Favoriten in der Post-Stronach-Ära nicht mehr als dämonische Verkörperung des modernen Fußballs taugte.

Es dürfte somit verständlich sein, dass ein Profi wie Stefan Maierhofer, der bei seinen Stationen stets nur „zu Besuch“ war, keinen Anspruch auf einen Platz als Rapid-Fanliebling hat. Die Tatsache, dass sein sportlicher Beitrag in den Jahren 2008 bis 2009 von seinem Ex‑Arbeitgeber trotzdem gebührend zu honorieren ist, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Doch den Anspruch zu stellen, als Söldner bei der emotionalen Verabschiedung einer lebenden Klublegende dabei zu sein, ist unverständlich. Maierhofer war eben nur ein Rapid-Arbeitnehmer und nicht mehr. Das müsste ihm im Übrigen klar sein, denn nur wenige Minuten nachdem er diese Episode zum Besten gab, erzählte er, dass Austria-Sportdirektor Manuel Ortlechner bezüglich eines möglichen Transfers kürzlich zu ihm meinte: „Major, du hast leider eine grüne und auch eine Red Bull-Vergangenheit. Ich kann dich nicht an den Verteilerkreis holen, obwohl mir das taugen würde.“

..noch Vorbild

„Fußball ist für mich 90 Minuten Leidenschaft am grünen Rasen. Es ist schön, wenn du die Unterstützung von diesen tollen Fans auf der Tribüne erfahren darfst.“, weiß Maierhofer weiter zu berichten. „Anfeindungen, Beschimpfungen und Hass gegen Einzelne haben aber im Fußball nichts verloren.“, setzt er nach. Recht hat er; auch darüber habe ich schon öfters geschrieben. Verbale und manifeste Gewalt sind aber nicht fußballspezifisch, sondern ein gesellschaftliches Problem, das auf Tribünen nur sichtbarer als sonst wo ist. Jedenfalls definiert sich die von Maierhofer gelobte Leidenschaft per definitionem als „eine das Gemüt völlig ergreifende Emotion“. Ein Zustand, den man also nicht per Knopfdruck aus- bzw. einschalten kann.

Rapid Wien ist ein Hort großer Emotionen; das Weststadion ein Tabernakel an Freuden und Leiden in grün-weiß. Seit Jahren schürt der Klub – mangels zählbarer sportlicher Titel – seinen Sinn für Gefühle und Gemeinschaft. Nachdem die Hütteldorfer nur mehr mit der Tatsache der beliebteste Fußballklub des Landes und dem (fragwürdigen) Rekordmeister-Schriftzug auf Fanschals aufwarten können, fährt man als Antagonist zum Salzburger Dosenimperium zudem die Schiene als ehrlicher Klub mit Proletarier-Vergangenheit gegen den modernen Fußball anzukämpfen.

Dabei kommt es vor, dass der Klub seine Manieren jedoch vermissen lässt und zeigt, dass er nicht die moralische Instanz der Bundesliga ist, als die er sich gerne stilisiert, wie Maierhofer mit einer weiteren Geschichte zu illustrieren wusste: „Zu meiner Zeit als Spieler von Salzburg habe ich Andy Marek angerufen und gesagt, dass bei dem heutigen Spiel Stimmen gegen meine Mutter erhoben werden und ich ihn als Stadionsprecher ersuche ins Mikrofon zu sagen, dass ich ein ehemaliger Spieler bin und die Fans zwar mich, aber nicht meine Mutter schimpfen dürfen.“ Sowohl Marek als auch Rapid-Pressesprecher Klinglmüller hätten sich jedoch geweigert etwas zu unternehmen.

Klar, Maierhofer ist nicht er erste Spieler, der beschimpft wird, und die Rapid-Fans sind nicht die einzigen Anhänger, die verbal in die unterste Schublade greifen. Doch gerade in einer solchen Situation hätte der SK Rapid seine Rolle als großer Traditionsverein, der für gewisse Werte steht, wahrnehmen sollen um seiner Vorbildwirkung gerecht zu werden. Schließlich rühmt man sich im 14. Wiener Gemeindebezirk vom Kleinkind bis zur Urstrumpftante, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Lebensweise, jeden willkommen zu heißen. Der Verein hätte diese Gelegenheit als Chance begreifen sollen um seinen hohen moralischen Ansprüchen gerecht zu werden. Schließlich heißt es im Rapid-Leitbild: „Wir behandeln unsere Gegner hart aber fair und mit Respekt.“ Doch der Verein ließ die aufgelegte Möglichkeit etwas (fast) Einzigartiges im Klubfußball durchzuführen, ungenutzt verstreichen. Stattdessen rühmte man sich vor einiger Zeit in der eigenen TV-Sendung sogar damit, dass man Sitzheizungen nur unter der eigenen Reservebank und nicht bei den Gästen installiert habe. Einst verkaufte Rapid im Fanshop Leiberln auf denen „No respect!“ stand. Dass Fußball ein Spiel ist und der Gegner dazugehört, scheinen die Hütteldorfer manchmal zu vergessen. Das sind keine harmlosen Neckereien, sondern mangelnder Sportsgeist und einem Verein wie Rapid unwürdig.

Man sieht, sowohl bei Maierhofer als auch bei Rapid verschwimmt mitunter die Perspektive. Vielleicht wird man sich – wenn die Fronten klarer sind – aber noch einmal aussprechen können. Erfolgreich war die gemeinsame Zeit für beide ja.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag