Nach der 1:2-Niederlage in Mattersburg stellte sich Rapid-Kapitän Stefan Schwab den Fragen von Sky-Reporter Jörg Künne. Der enttäuschte Schwab sprach von einer unglücklichen Niederlage... Kommentar: Rapid und die Selbsteinschätzung

Nach der 1:2-Niederlage in Mattersburg stellte sich Rapid-Kapitän Stefan Schwab den Fragen von Sky-Reporter Jörg Künne. Der enttäuschte Schwab sprach von einer unglücklichen Niederlage und einem unverdienten Sieg für die Burgenländer.

Dies machte Schwab daran fest, dass Mattersburg nur sehr selten aufs Tor der Hütteldorfer schoss und man selbst zwischenzeitlich die Chance aufs 2:1 hatte. Auch der miserable Rasen im Pappelstadion wurde – praktisch mit Ansage – erwähnt. Dass Rapid eine schlechte Partie machte, wurde nicht thematisiert. Dass Mattersburg den Sieg schlichtweg mehr wollte, auch nicht.

„Das Euzerl mehr“

Das war jedoch der Fall. Rapid nahm zwar die Zweikämpfe an, war insgesamt die leicht bessere Mannschaft, aber hungriger und mit dem letzten Biss ausgestattet war der Gegner. Fast immer wenn Rapid gegen einen vermeintlich „Kleinen“ verliert, geht dies häufig als „Kurzanalyse“ der Partie durch. Aber warum ist das eigentlich so?

Mentalität oder Rapid-Geist

In den letzten Jahren wurde in Bezug auf Rapid häufig die „Mentalität“ angesprochen. Gerade für jüngere Generationen ist dieser Begriff in grün-weißer Relation nicht sonderlich griffig. Leichter zu vermarkten ist wohl der Begriff „Rapid-Geist“, der in den Zeiten der Körners, Happels und Binders geprägt wurde. Da die Spieler diesen damals lebten, ist Rapid österreichischer Rekordmeister.

„Das Spiel des Jahres“

Eine Floskel, die man nach schwachen Eigenleistungen auch häufig hört, ist der „Spiel des Jahres“-Charakter für den „kleinen“ Gegner. Wenn’s gegen Rapid geht, „geben die halt alles“ oder „wachsen über sich hinaus“, weil’s eben „das Spiel des Jahres ist“. Nur sollte nicht jede Mannschaft in diesen so wichtigen 90 Minuten am Wochenende immer alles geben, über sich hinauswachsen wollen und ein Spiel des Jahres aus jeder Partie machen? Etwas, woran sich die Fans erinnern?

Reflektierter arbeiten, noch härter werden

Die Frage ist wohl eher: Kann es sein, dass man da und dort Selbstvertrauen und Selbstverständnis mit mangelnder Selbsteinschätzung oder der Unfähigkeit zur Selbstreflexion verwechselt? Das Rapid-Trikot alleine macht noch keinen Top-Spieler, wie man in den letzten Monaten und Jahren immer wieder sehen konnte. Stattdessen folgte auf zwei, drei richtig gute, die Fans euphorisierende Partien immer eine Watsch’n, die die Anhänger wieder auf den Boden der Realität zurückholte.

Selbstkritik vs. Umsetzung

Keiner von uns weiß, wie die Sache intern, hinter verschlossenen Türen aussieht. Nicht erst unter Kühbauer, auch bei all seinen Vorgängern war immer die Rede davon, dass der „Spruch“ untereinander ein härterer, die Selbstkritik schon mal eine vernichtende sein soll. Dagegen sprechen aber zahlreiche öffentliche Aussagen und Interviews, sowie – und das ist das noch größere Problem – die Leistungen wie etwa beim 1:2 gegen Mattersburg.

„Das Rapid-Radl“

Rapid ist momentan nicht der „Rapid-Express“, der auf einer geraden Strecke durch die Liga schnellt und seine Gegner demoliert zurücklässt. Rapid ist aufgrund seiner eigenen mentalen Schwächen und einer verheerenden Selbsteinschätzung einiger Spieler in einem Teufelskreis gefangen. Man spielt schwach, „nimmt sich an der eigenen Nase“, spielt dann wieder gut, selten sogar sehr gut, dann setzt die Zufriedenheit ein – plötzlich spielt man wieder schlecht und alles fängt von vorne an. Und dennoch sprechen einige Spieler immer wieder davon, dass man eigentlich eh ganz gut war.

An einem Strang ziehen – immer.

Die entscheidenden Szenen des Mattersburg-Spiels waren sinnbildlich dafür. Einer verließ sich auf den anderen, kaum jemand arbeitete im Team, um die drohenden Gegentreffer abzuwenden. Das macht dann in einem Spiel gegen eine qualitativ unterlegene, aber an einem Strang ziehende Mannschaft den Unterschied aus. Dies ist auch der Grund, warum Mattersburg das Spiel schlussendlich verdient gewann. Rapid hatte in personam Andrija Pavlovic die große Chance auf den Führungstreffer, aber das Gefühl, dass jeder Einzelne das Spiel gewinnen möchte, hatte man viel mehr bei Mattersburg, als bei Rapid.

Die Sache mit der Motivation

Die logische nächste Frage ist: Wenn man doch weiß, dass Rapid auch anders kann, wieso können Profisportler diese Einstellung nicht ein- oder zweimal pro Woche gleichmäßig abrufen? Hier landen wir unweigerlich wieder bei Selbsteinschätzung und Selbstreflexion. Wenn man der Meinung ist, dass man bei zahlreichen der schmerzenden Niederlagen auf Provinzplätzen die bessere Mannschaft war, aber verloren hat, weil der Gegner halt supermotiviert war, sollte man die eigene Motivation hinterfragen und nicht vergebene Torchancen oder den schlechten Rasen.

Die richtig Guten wollen nicht um jeden Preis noch besser werden

Es gibt Spieler bei Rapid, bei denen klar ist, dass Rapid das Ende der Fahnenstange ist. Das sind die Auers und Berishas, die Sonnleitners und Maxi Hofmanns – also interessanterweise genau die wenigen Spieler, denen man kämpferisch nichts vorwerfen kann. Für sehr viele andere wäre deutlich mehr drin, als „nur“ die österreichische Bundesliga. Aber weil sie ohnehin schon das Rapid-Trikot tragen, denkt der eine oder andere vielleicht, „es“ ohnehin schon geschafft zu haben. Das ist der Moment wo die Zufriedenheit eintritt und man aufhört, besser zu werden. Beobachtet man Rapid über mehrere aufeinanderfolgende Partien, hat man derzeit zwangsläufig einen Hänger dabei und kommt zu dem Schluss, dass es nur sehr wenige Kicker gibt, die sich wirklich ausdrücklich und konsequent daran interessiert zeigen, sich selbst zu verbessern. Nach ein paar wenigen Erfolgserlebnissen fallen noch die meisten in den alten Stiefel zurück.

Nil satis, nisi optimum

„Gemeinsam. Kämpfen. Siegen.“ – mit diesem in vielen Bereichen nicht gelebten Lippenbekenntnis wirbt Rapid seit geraumer Zeit. Gelegentlich haut auch alles davon hin und die Fans träumen wieder kurz von Allgemeinbesserung. Künftig sollte jeder in der Mannschaft, jedes Mal bevor auch nur ansatzweise die Gefahr von Zufriedenheit oder „wird scho irgendwie geh’n“-Mentalität einkehrt, darüber nachdenken, was er ab sofort noch besser machen kann. Jeder Spieler, der mit Stagnation bzw. mit seinem „Leiberl“ in Hütteldorf zufrieden ist, obwohl er Potential für höhere Aufgaben hätte, sollte bei Rapid keinen Platz haben. Ein Vorbild für echte Mentalität findet man sogar in der eigenen Liga: Salzburg betrieb gestern Abend einen gewaltigen Aufwand und wurde nach dem 3:1-Sieg über die SSC Napoli mit wehenden Fahnen aus der Europa League verabschiedet. Dass dort die individuelle Qualität eine andere ist, ist natürlich unbestritten, aber den läuferischen und kämpferischen Aufwand könnte auch Rapid in jeder Partie betreiben…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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