Das 0:3 gegen Red Bull Salzburg beendete die kleinen Meisterträume des SK Rapid auf eine sehr drastische Art und Weise. Rapid wird zwar auch heuer keinen Titel holen, hat nun aber in den letzten acht Runden der Meisterschaft die Chance, Reife zu beweisen. Und das eigentliche nächste Ziel zu erreichen!
Mit einem 8:1-Sieg in Wolfsberg im Rücken war es ein kurzes Aufflackern der selten spürbaren, „ganz großen“ Euphorie in Grün-Weiß. Taxiarchis Fountas ließ sich sogar eine Kampfansage entlocken. Zwar mit dem typischen „warum nicht?“-Understatement, das man aus Hütteldorf bereits seit gut einem Jahrzehnt hört, aber doch so, dass man es in der Öffentlichkeit nicht für unmöglich halten würde. Es wurde Rapid „abgekauft“, dass heuer vielleicht wirklich eine Sensation drin ist.
Salzburg trat diesem aufkeimenden Optimismus aber eher humorlos entgegen. Das 0:3 war aus Sicht der Wiener am Ende sogar etwas schmeichelhaft, auch wenn die Tore zwei und drei erst in der Nachspielzeit fielen. Der Qualitätsunterschied war eklatant, Rapid nahm am Spiel praktisch nicht teil und nach einigen richtig guten Matchplänen wählte Trainer Didi Kühbauer diesmal eine Herangehensweise, die gegen die Bullen einfach nicht funktionieren konnte und die (in Relation) Schwachstellen in Rapids Kader entblößte.
Insgesamt 36 lange Bälle aus der Viererkette heraus sollten Kara in zahlreiche Zweikämpfe bringen, Taxi Fountas’ Schnelligkeit aus der Etappe aktivieren, sollte mal ein Ball durchrutschen und auch das Zentrum in Kämpfe um zweite Bälle bringen, wie es etwa gegen den LASK stets mehr als solide funktioniert. Salzburg ließ das aber schlichtweg nicht zu: Einerseits lag die Spielhöhe der Salzburger Innenverteidigung nahe am zentralen Mittelfeld, weshalb es kaum weite Räume gab und alle denkbaren Zonen für Kreativspiel enggemacht wurden. Andererseits machte die Cleverness der Mittelfeldachse mit Mwepu, Bernede und Junuzovic kurzen Prozess mit den Versuchen der Wiener, zweite Bälle zu erobern. Rapid kam gar nicht in diese Duelle – Salzburg konnte sie spielerisch umgehen. Dass die Hütteldorfer kaum zweite Bälle gewannen, die drei genannten Salzburger Mittelfeldspieler aber allesamt eine negative Zweikampfbilanz aufwiesen, zeigt, dass man gegen den Serienmeister an einem guten Tag nicht mal in die nötigen Schnittzweikämpfe kommt.
Gegen einen Gegner wie Salzburg ist die Zentralachse Rapids derzeit einfach noch nicht gut genug. Hier spielen zwar starke Kicker, passable Kämpfer und auch kreative und mittlerweile initiative und intuitive Spieler, die den Rest der Liga mit ihren Fähigkeiten dominieren können. Gegen Salzburg fehlt es aber im direkten Qualitätsvergleich an Physis, Bewegung ohne Ball, Passsicherheit – und am Ende des Tages noch immer ein wenig an Mentalität. Rapid konnte sich in dieser Hinsicht zwar unter Kühbauer deutlich stabilisieren, aber Salzburg ist weiterhin das Team mit den paar entscheidenden Prozenten mehr an Mentalität – was etwa vor acht und zehn Jahren noch nicht unweigerlich der Fall war.
Kurzum: Rapid ist noch nicht stark genug, um ernsthaft mit Salzburg mitspielen zu können. Aber das war ursprünglich auch nicht der Anspruch für die Saison 2020/21. Vielmehr handelt es sich um eine Saison, in der Rapid die Achtungserfolge der Vorsaison prolongieren muss. Man ist wohl näher an den Bullen dran als in der Vorsaison, was sehr positiv zu bewerten ist. Der noch wichtigere Step ist aber der, dass sich Rapid noch deutlicher von der restlichen Konkurrenz abheben muss. Um Salzburg eines Tages angreifen zu können, muss man sich zur klaren Nummer Zwei entwickeln.
Auch in diesem Prozess ist Rapid derzeit auf einem guten Pfad. Mit dem Begraben der Meisterträume fängt die Meistergruppe für die Kühbauer-Elf nun quasi von vorne an. Ein leichtes Umdenken ist wieder nötig: Der Fokus ist nach dem 0:3 gegen Salzburg wieder klarer, man muss nicht mehr nach oben schielen, sondern nach unten. Den LASK und den kommenden Gegner Sturm Graz hinter sich zu lassen, wäre nicht nur ein (neuerlicher) tabellarischer Achtungserfolg, sondern auch ein klares Statement, wo die Reise in den nächsten Jahren hingeht. Nämlich zu einem konsolidierten Zweiten, der jedes Jahr die einzige echte Gefahr für Salzburg darstellen kann.
Dieses Umdenken kurz vor Beginn der kräfteraubenden englischen Wochen erfordert Reife. Rapid muss sich von der Titelchance vollständig lösen und die Arbeit weiter so verrichten, wie in den Wochen zuvor. In den nächsten Runden warten mit Sturm Graz und dem LASK die beiden Mannschaften, die Rapid noch einholen wollen. Gerade gegen diese Teams geht es nicht nur um Punkte, sondern auch um ein klares Dominanz-Statement. Rapid hat nun die Chance glasklar zu zeigen, dass es für die „ähnlich starken“ Mannschaften weder jetzt, noch in Zukunft ein Vorbeikommen am Rekordmeister geben kann. Rapid muss diese Mannschaften mit derselben Mentalität und Selbstverständlichkeit bespielen, wie Salzburg Rapid bespielt.
Gelingt dies, so kann man einem Ziel, das lange ausgegeben, aber wegen häufiger Ausrutscher in den letzten Jahren immer wieder bejammert wurde, einen großen Schritt näherkommen. Die nächste Saison wird dann hoffentlich auch zeigen, ob Rapid dieses Ziel auch unter dem Druck (aber natürlich auch der Unterstützung) von den Rängen prolongieren kann. Auch das wird wieder eine neue Situation sein. Kann sich Kühbauers Truppe aber so klar positionieren, dass man für die anderen Teams so unerreichbar wird, wie Salzburg für Rapid derzeit unerreichbar ist, dann kann man das nächste, größere Ziel in Angriff nehmen. Jetzt gerade hat aber trotz kurzer Träumereien noch alles seine erwartbare Ordnung.
(Daniel Mandl)
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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