Der SK Rapid steht nach der Seuchensaison 2016/17 vor dem Umbruch. Oder doch nicht? Mit der gebotenen Vorsicht, erklärt Fredy Bickel des Öfteren, dass es voraussichtlich keine neuen Spieler geben wird. Falls doch, wo sollte der Schweizer idealerweise ansetzen? Wir gehen die wichtigsten Baustellen im Detail durch.
Für die kommende Saison hat der SK Rapid 28 Kaderspieler mit Vertrag, hinzu kommen drei Rückkehrer von Leihen und einige Junge, die sich – zumindest ein bisschen – aufdrängen. Sollte Rapid nicht in den Europacup kommen, müsste Bickel demnach bis zu zehn (!) Spieler loswerden, möglicherweise sogar noch mehr, wenn er im Rahmen seiner Möglichkeiten für Verstärkungen sorgen möchte. Geld ist dabei weniger das Problem, als die laufenden Verträge der aktuellen Spieler.
Dabei gibt es mehrere Baustellen, die etwa gleich wichtig sind und die hier genauer beleuchtet werden sollen.
Die Innenverteidigung
Rapid hat fünf Innenverteidiger, spielt aber neuerdings wieder mit einer Viererkette. Somit stehen drei von ihnen. Wöber, phasenweise als Backup für die linke Seite eingeplant, etabliert sich mit den besten Zweikampfwerten und gutem, wenn auch weiter ausbaufähigem Aufbauspiel, auf der wichtigen Position links innen. Auch Dibon sollte, sofern fit, gesetzt sein. Allerdings fiel er in den letzten beiden Saisonen insgesamt fünfmal wegen Verletzungen aus.
Die anderen drei – Sonnleitner, Schösswendter und Maximilian Hofmann – haben das Problem, zu schwach im Aufbau zu sein. Hofmann hat als Jüngster theoretisch die besten Karten, die größere Berechtigung als Backup zu bleiben, hätte aber Schösswendter wegen seiner Offensivstärke. Alle drei haben noch zwei Jahre Vertrag. Rapid könnte zwei Innenverteidiger wegrationalisieren – logisch betrachtet Sonnleitner und Schösswendter – und dafür einen neuen, aufbaustarken Rechtsfuß holen. Wie bei so vielen Spielern stellt sich aber die Frage, wer die überschüssigen Innenverteidiger abnehmen könnte.
Wichtig wäre ein spielstarker Innenverteidiger aber allemal, weil Dibon durchaus Probleme beim Herausspielen hat. Wöber könnte nächste Saison einen großen Schritt machen und damit vieles abfedern, aber Gleichmäßigkeit im Aufbauspiel durch die Mitte wäre für Rapid ein gewaltiger Vorteil und würde auch das Mittelfeld massiv entlasten. Der saubere Übergang vom ersten ins zweite Drittel war eines von Rapids größten Problemen in der laufenden Saison.
Die Außenverteidigung
Situativ hat fast jeder Rapid-Fan so seine Probleme mit Rechtsverteidiger Mario Pavelic – aber unterm Strich spielt er keine schlechte Saison. Einzig ein verlässlicher, dynamischer Vordermann würde dem 23-Jährigen einiges erleichtern. Pavelic selbst bereitete in der Liga fünf Tore vor und leitete zwei weitere mit ein. Gegen den WAC sah man, dass er ein Stabilitätsgeber sein kann, wenn vor ihm jemand Gas gibt und die Außenbahn nicht verwaisen lässt. Es handelt sich um ein ähnliches Problem, wie früher das Rechtsgespann (einrückender) Steffen Hofmann und oft alleine gelassener Andreas Dober. An seinem defensiven Zweikampfverhalten muss Pavelic hart weiterarbeiten, aber mit einem dynamischen Vordermann kann er mit seinem soliden Passspiel ein guter Stabilitätsgeber sein.
Das größere Problem ist die linke Abwehrseite und hier besteht dringender Handlungsbedarf. Auer und Schrammel sind die Kandidaten für links, beide haben noch ein Jahr Vertrag. Auer spielt brave Partien, technische Wunderdinge oder offensive Sturmläufe darf man von ihm aber keine erwarten. Er ist einfach ein klassisches Backup, kann auch rechts und auf der (nicht abkippenden) Sechs aushelfen. Schrammel war 2016/17 einfach eindeutig zu ineffizient, nahm viel zu viel Tempo aus Rapids Spiel und auch seine Körpersprache war phasenweise gruselig. Nach neuerlichen Knieverletzungen in den letzten zwei Jahren, hat er seinen Zenit überschritten und man sollte sich überlegen, ob Schrammel als Einserbesetzung noch Sinn macht.
Physis im zentralen Mittelfeld
Stefan Schwab ist unumstößlich, auch Tamás Szántó machte zuletzt auf tieferer Position einen deutlichen Schritt nach vorne. Fehlt noch ein spielstarker und vor allem sehr robuster Mittelfeldspieler, idealerweise eine Art Heikkinen-Sechser-Achter-Hybrid, sodass Schwab etwas offensiver werken kann.
Ivan Mocinic ist das nicht, auch wenn der Kroate ein sensationeller Kicker wäre. Bei ihm bleibt abzuwarten, wie er seine langwierige Verletzung überwinden kann. Steffen Hofmann könnte ruhig noch ein Jahr dranhängen, müsste sich aber ohnehin hinten anstellen. Sobald er seinen Rekord hat, wird sicher auch die Stimmung rund um die Vereinslegende etwas besser. Schaub wird ebenso wie Murg keinen Platz in der Mitte haben, eher auf Halbpositionen ausweichen. Für Malicsek braucht man einen Plan: Entweder man lässt ihn regelmäßig spielen oder man verleiht ihn. Da er noch zwei Jahre Vertrag hat, könnte man ihn ein Jahr zwecks Spielpraxis abgeben. Okungbowa kann aufgrund seines Kreuzbandrisses praktisch nicht mehr eingeplant werden.
Somit könnte Bickel hier zwei Spieler relativ „einfach“ wegkürzen. Wenn man aber den dominanten, beinharten Sechser/Achter haben möchte, müsste man auch die Personalie Mocinic überdenken. Sofern man nicht davon überzeugt ist, dass er diese Rolle ausfüllen kann – was nach seiner langen Verletzung zumindest fragwürdig ist. Nur: Wer soll den Kroaten mit drei Jahren Restvertrag aufnehmen, wenn man wirklich keinen Dauerplan mit ihm hat? Und: Ist Rapid im Gespann Schwab-Szántó-Mocinic bereit für eine Art „Dreifach-Acht“? Die Staffelung müsste schlichtweg perfekt funktionieren und das war in der laufenden Saison in den seltensten Fällen und in kaum einer Konstellation der Fall. Auch hier geht es um einen klaren Plan.
Dynamik und Vertikalität an den Flügeln
Dies sind die Positionen, an denen kadertechnisch sicher am meisten geschraubt werden kann. Schaub sollte auf der rechten Halbposition gesetzt sein, könnte auch links spielen. Schobesbergers Rückkehr nach langer Verletzung stellt die große Unbekannte dar. Manuel Thurnwald ist nächste Saison das Backup für zwei verschiedene Positionen. Alle anderen dürfen für die nächste Saison schlichtweg nicht „safe“ sein.
Traustason passt rein gar nicht – weder zur Mannschaft, noch zu Rapid als Klub. Auch wenn es sich um ein teures Missverständnis handelte, sollte man akzeptieren, dass es eines war. Auch, wenn man finanziell schlecht aussteigen würde. Kuen ist ein Kandidat für eine Leihe und auch den viel zu statischen Murg müsste man eigentlich überdenken. Allerdings stellt auch er eine Variable dar: Er ist erst 22, könnte seinen wirklichen Durchbruch erst vor sich haben. Zwei Jahre Restvertrag geben Rapid einen Puffer.
Murg ist ohnehin ein Sinnbild für die gesamte Kadersituation Rapids. Kein schlechter Spieler, ein potentieller Matchwinner, aber im Kollektiv oft nicht stark genug. Rapid hat kaum schlechte Spieler, bei denen man kategorisch sagen muss: „Das ist einfach nicht genug“. Es ging hauptsächlich um die Mischung, die ein neuer Trainer auch mit dem bestehenden Material durchaus finden könnte. Garantien hat man aber natürlich keine.
Weiterhin keine gewichtige Rolle wird Kelvin Arase spielen, aber auch beim 18-Jährigen muss man umdenken, was den Langzeitplan betrifft. Das wohl größte Talent Rapids hat noch immer keinen langfristigen Vertrag – aber klar, dass sein Berater und er zögerlich sind. Arase darf ja nicht mal bei der zweiten Mannschaft regelmäßig durchspielen. Darum wird’s nächstes Jahr aber gehen: Arase einen Vertrag geben, mit klarem Plan für die nächsten Jahre. Als hochziehbares Backup für die Erste, aber als unumstrittener, dauerhafter Stammspieler beim SK Rapid II.
Vier Neue, um die man am härtesten kämpfen müsste
Wie man sieht, lassen sich die individuell nicht schlechten Spieler gar nicht so einfach wegkürzen. Die vier wichtigsten potentiellen Neuverpflichtungen wären aber – nach meiner Meinung – ein spielstarker Innenverteidiger, ein dynamischer Linksverteidiger, ein dominanter und robuster Sechser/Achter, sowie ein explosiver Flügel, idealerweise für die linke Seite.
Die anderen Positionen sind ebenfalls Baustellen, allerdings derzeit hinten anzustellen.
Der Angriff
Kvilitaia und Joelinton sind gesetzt – alle anderen können gehen. Tomis Vertrag läuft ohnehin aus, Matej Jelic sollte man dringend versuchen anzubringen, aber andere Vereine sind leider auch über seine Leistungen im Bilde. Die Heimkehrer Prosenik und Entrup können kein Thema sein, allerdings stellt man sich das immer leicht vor. Anbringen muss man die beiden trotzdem, „Release On A Free“ wie beim Fußballmanagerspiel gibt‘s im wahren Leben nicht.
Alex Sobczyk kann angesichts der Leistungsdaten als vierter Stürmer in den Kader rutschen und situativ bei den Amateuren spielen – auch um diese in der kommenden Saison zum Aufstieg zu schießen. Würde man Jelic abgeben, wäre demnach noch Platz für einen Stürmer Nummer Drei, der als Kontrast zu Kvilitaia und Joelinton ein schneller, dynamischer und in die Tiefe gehender Wusler sein sollte. Ein junger Erwin Hoffer quasi. Dieser Transfer ist auf der Prioritätenliste aber weiter unten, als es vielen lieb ist. Auch weil Kvilitaia und Joelinton in den letzten Wochen merkliche Fortschritte machten und man auf eine Leistungsexplosion im nächsten Jahr hofft.
Der Torhüter
Hier kann man wohl am besten „kürzen“. Jan Novota wird nicht mehr benötigt, auch Richard Strebinger kann sich einen neuen Verein suchen. Knoflach wird bleiben, Gartler kann man von der Leihe aus Kapfenberg zurückbeordern, der dritte Keeper wird ein Amateur sein. Weil Rapid verwöhnt von Generationen wie Konsel oder Maier ist, sehen viele Fans in diesem Goalie-Lineup ein Problem für die neue Saison. In Wahrheit ist es aber das Geringste. Mit Knoflach hat man einen soliden Torhüter, der zudem eine Integrationsfigur im Verein und echter Rapid-Fan ist. Gartler spielte in Kapfenberg weitgehend gut und einen dritten Keeper wird man zumindest auf längere Sicht hoffentlich nicht brauchen.
Wer soll also nächstes Jahr noch da sein?
Müsste ich mir nun einen Kader aussuchen, der annähernd die geforderten 23 Spieler herankommt, die Rapid haben soll, wenn die Europacup-Qualifikation nicht klappt, käme ich zu diesem Ergebnis (mögliche aufrückende Nachwuchsspieler weitgehend ausgenommen):
Tor: Knoflach, Gartler
Innenverteidigung: Dibon, Wöber, Schösswendter, Neuer IV
Außenverteidigung: Pavelic, Thurnwald, Auer, Neuer AV
Zentrales Mittelfeld: Schwab, Szántó, S.Hofmann, Mocinic, Neuer ZM
Flügel/Halbpositionen: Schaub, Schobesberger, Murg, Neuer LA
Angriff: Kvilitaia, Joelinton, Neuer ST, Sobczyk
Hier wären sogar fünf neue Spieler eingeplant, die aber natürlich variabel durch bestehende Kicker oder Nachwuchsspieler ersetzbar sind.
In meiner Liste nicht mehr im Kader wären: Novota, Strebinger; Schösswendter, Sonnleitner, M.Hofmann; Schrammel; Okungbowa, Malicsek (Leihe), Kuen (Leihe); Traustason; Tomi, Jelic.
Gegebenenfalls kann natürlich einer der Innenverteidiger gehalten werden, zumal das Wegkürzen von drei Innenverteidigern auf einmal natürlich etwas radikal anmutet.
Realistischerweise nicht in diesem Sommer
Dies wäre meine Wunschvorstellung eines Umbruchs, allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit so nicht machbar. Ich hoffe aber verdeutlicht zu haben, in welche Richtung ich uns entwickelt sehen möchte. Name-Dropping für neue Kicker ist dennoch nicht angesagt, denn Rapid muss noch viel arbeiten, bevor man überhaupt Abgänge vermelden kann. Und es braucht viele Abgänge für ein paar wenige Zugänge. Die Richtung und die Job Description für potentielle Neue sollten aber klar sein und dem Geist des Vereins entsprechen. Mit leichtfüßigen, tänzelnden Kickern wird man die Herzen der Fans nächste Saison nicht zurückgewinnen. Jetzt heißt’s wieder beißen! Realistischerweise wird es den tatsächlichen Umbruch aber erst in einem Jahr geben – 2017/18 wird Rapid noch einige „Altlasten“ mit sich schleppen.
[Kommentar von Daniel Mandl]
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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