Es ist gerade mal das erste Viertel der Ligasaison 2021/22 – der ersten mit dem „VAR“ – zu Ende und schon hat praktisch jeder... Kommentar: Stampft den VAR ein – um der Liebe zum Sport willen!

Es ist gerade mal das erste Viertel der Ligasaison 2021/22 – der ersten mit dem „VAR“ – zu Ende und schon hat praktisch jeder Beobachter die technische und doch so miserabel automatisierte Neuerung satt…

Das neueste Beispiel, wie der VAR nicht eingesetzt werden sollte, konnte man am vergangenen Sonntag in Salzburg beobachten. Karim Adeyemi übernasert die Chance auf einen Zweikampf im Strafraum, sprintet zwischen den Ball und seinen Gegenspieler Kevin Wimmer. Letzterer bemerkt dies rechtzeitig, zieht deutlich sichtbar zurück, Adeyemi sucht den Kontakt und hebt theatralisch ab. Fünf Minuten später zeigte Schiedsrichter Hameter auf den Punkt.

Nicht nur bei diesem Beispiel tun sich gleich mehrere Fragen auf. Wieso etwa sitzen die Herren in der VAR-Zentrale erst mal selbst mehrere Minuten lang vor den Schirmen und fachsimpeln über ihre Wiederholungen aus allen Winkeln, bevor Hameter selbst in die „Video Zone“ soll, um sich die Aktion – die er einfach nicht gesehen und daher auch nicht geahndet hat – noch einmal anzusehen? Was dachte sich Hameter bei der „Flugkurve“ Adeyemis und kam ihm diese nicht doch ein wenig seltsam vor?

Und wieso dauern derartige Checks eigentlich regelmäßig mehrere Minuten – statt weniger Sekunden? Wieso werden diese Unterbrechungen nicht nachgespielt und verfälschen teilweise in absolut entscheidenden Phasen die Nettospielzeit? Und wann bekommen wir endlich Werbung in den VAR-Check-Pausen, um den Fußball endgültig zu amerikanisieren?

Es ist ja nicht mal das einzige Problem, dass das Spiel durch diese übertrieben langen Checks komplett an Flüssigkeit verliert. Obendrein sind sogar im Nachhinein durch VAR und Video-Zone-Check getroffene Entscheidungen schlichtweg falsch. Sei es, weil einer der ohnehin schlechtesten Schiedsrichter der Liga, selbst in der TV-Wiederholung noch auf die Theatralik eines Stürmers reinfällt oder, weil die eine oder andere „kalibrierte Linie“ anmutet, als wäre sie von einem Commodore 64 gezogen worden.

Ein Benutzer des Austrian Soccer Board nahm auf Twitter Kontakt mit „Collinas Erben“ auf, um noch die Meinung der großen Experten aus Deutschland einzuholen. Diese wiederum verwiesen auf die Unterscheidung zwischen „clear & obvious error“ (die Kategorie, in die etwa eine klare Abseitstellung fallen würde) und „serious missed incident“ (also die, bei der der Schiedsrichter eine eindeutig strittige Szene schlichtweg übersah).

Hier die Originalantwort von Collinas Erben auf die Useranfrage – mit einer klaren Meinung:

Nur spießen sich hier erneut mehrere Dinge. Schließlich haben Hameter und auch sein Assistent das Wimmer-“Foul“ selbst gesehen und entschieden, es nicht zu ahnden. Wäre hier eine ganz klare Fehlentscheidung vorgelegen, hätten sich VAR und Schiedsrichter die Szene danach aber nicht knappe fünf Minuten zu Gemüte führen müssen. Stattdessen wurde der ohnehin als unsicher geltende Hameter durch die moderne Technik zusätzlich verunsichert – und gab dem Spiel damit – überzeugungslos – die entscheidende Wende.

All das steht aber immer noch in krassem Gegensatz zu anderen VAR-Entscheidungen, ebenfalls mit Rapid-Beteiligung. Etwa das nicht geahndete Foul von Kelvin Arase an Mamoudou Karamoko beim 1:1-Remis in Pasching. Hier wiederum meldete der VAR keinen „serious missed incident“, der jedoch klarer nicht sein konnte – und zwar weil Schiedsrichter Eisner feststellte, dass er sich sicher ist, dass es sich um kein Foul handelte.

Oder aber beim 3:0-Sieg Rapids über Wolfsberg. Damals entschied Schiedsrichter Harkam auf ein Foul von Ullmann an Liendl in der Torentstehung zum vermeintlichen 1:0 durch Arase. In der Zwischenzeit hatte aber auch der WAC bereits wieder den Ball. Das vermeintliche 4:0 durch Kara wurde später noch wegen eines gestreckten Beins von Schuster aberkannt. Von Kleinigkeiten und absoluten Streitfällen, bis hin zu Toren, die bis in den Anfang ihrer Entstehungsgeschichte zurückgecheckt werden, ist wahrlich alles dabei.

Das ging bereits so weit, dass man heuer bereits in manchen Partien einen Angriff seiner Mannschaft verfolgte, wohlwissend, dass ein Tor – sollte jetzt gleich eines erzielt werden – nicht zählen würde, weil der VAR dann ein Foul von vor einer Minute im Zuge der Torentstehung beanstanden würde. Entemotionalisierung in Reinkultur – und doch nicht stringent oder „gerecht“. Denn auch was die Entstehung von Toren betrifft, gibt es keine durchgängige Linie und immer wieder kam es vor, dass Tore trotz Ungereimtheiten in der Entstehung nicht gecheckt wurden.

Wo fängt man an, wo hört man auf? Wieso ist ein Treffer nach einem möglichen Foul in der Entstehung betrachtenswert, obwohl selbst die gefoulte Mannschaft zwischendurch wieder den Ball hatte und ein erzielter Treffer nach einem falsch gegebenen Eckball nicht? Der Eindruck wird immer stärker, dass sich die Schiedsrichter von ihrem neuen „technischen Freund“ viel mehr in die Bredouille reiten lassen, als ihn nach einem klaren Ablaufkatalog als Gadget zu nutzen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Am VAR ist – so wie er in Österreich genutzt wird – absolut alles besch…eiden.

Die Anwendungsweise der zusätzlichen Hilfe ist schlichtweg nicht durchgängig, es passieren weiterhin Fehlentscheidungen, die dann aber wesentlich schwieriger zu argumentieren sind, als wenn man sie auf das Tempo des Spiels und die mittlerweile fast schon schmerzlich vermisste „Tatsachenentscheidung“ schieben könnte.

Und last but not least: Fußball ist nicht dasselbe, wenn man sich als Fan nicht sofort sicher sein kann, ob man sich freuen oder ärgern darf, sondern vorher noch abwarten muss, weil ein paar Herren noch ein bisschen fernschauen und sich womöglich noch über den nicht für alle sofort verständlichen Plot Twist im Programm unterhalten müssen. Stampft den Schwachsinn doch bitte wieder ein – keine Fehlentscheidung von anno dazumal, hat Fußball so rasend gemacht, wie die Checks, die dem Fußball so viel Herz nehmen und trotzdem nicht verlässlich sind…

[Kommentar von Daniel Mandl]

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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