„Jährlich grüßt das Murmeltier“ ist man geneigt als Fußball-Beobachter zu sagen, denn bei der Wiener Austria vollzog sich mal wieder eine Trainerentlassung. Der... Kommentar: Warum die Entlassung von Letsch die richtige Entscheidung ist

 

„Jährlich grüßt das Murmeltier“ ist man geneigt als Fußball-Beobachter zu sagen, denn bei der Wiener Austria vollzog sich mal wieder eine Trainerentlassung. Der Deutsche Thomas Letsch musste nach einer Amtszeit, die etwas mehr als ein Jahr lang andauerte, seinen Stuhl in Wien-Favoriten räumen. Ausschlaggebend dafür war die 1:3-Heimniederlage gegen den Tabellenletzten Altach, wobei vor allem die Art und Weise dieser Niederlage wohl letztlich die Entscheidung besiegelte. Da diese Entwicklung nicht erst seit gestern vonstattenging und durchaus abzusehen war, kommt dieser Schritt auch nicht aus heiterem Himmel. Daher wollen wir Revue passieren lassen, wie es zu dieser Entscheidung kam und einen Ausblick auf die Zukunft wagen.

Fehlende Entwicklung der Mannschaft kostete Letsch den Job

Der mittlerweile achte Trainerwechsel in dieser Bundesliga-Saison betraf diesmal die Wiener Austria, die beim diesjährigen österreichischen Trainerkarussell natürlich nicht fehlen durfte. Als verpönter „Trainerfriedhof“, untermauerte man diesen Ruf mal wieder und so fiel nun auch der eloquente Thomas Letsch diesem zum Opfer. Doch bei all der Häme über den unglaublichen Trainerverschleiß in Wien-Favoriten, so war diese Entwicklung dann doch durchaus vorauszusehen. Und dass diese Entwicklung nicht überraschend kam, lag in erster Linie daran, dass es Thomas Letsch nicht gelang, mit seiner Mannschaft eine positive Entwicklung hinzulegen.

Dabei startete die Ehe zwischen Letsch und der Austria bereits mit einer gewissen Vorbelastung. Nach einer verkorksten Spielzeit unter Fink, vermochte es Letsch nicht, das Ruder im Frühjahr der letzten Saison doch noch umzureißen und die Austria in den Europacup zu führen. Stattdessen gab es zahlreiche schwache Auftritte zu sehen, wie jene im Derby gegen Rapid, wo man mit der 0:4-Niederlage letztlich noch gut bedient war. So gab es zu diesem Zeitpunkt bereits einige kritische Stimmen, die sich gegen eine Weiterbeschäftigung des Deutschen aussprachen. Auch wir argumentierten damals gegen eine Verlängerung  und fügten dabei als Hauptgrund an, dass Thomas Letsch und dessen Philosophie nicht kompatibel mit der Austria seien.

Die Verantwortlichen der Austria entschieden sich letztlich dennoch dafür, Letsch das Vertrauen zu schenken. Das hatte in erster Linie zwei Gründe: Erstens stimmte Letsch zu, sich an die Austria anzupassen und einen Mittelweg zwischen seinen Vorstellungen und jene der Violetten zu finden und zweitens überzeugte Letsch die Verantwortlichen mit seiner Analyse über die Gründe der sportlichen Misere und sie kamen zu der Überzeugung, dass er die richtigen Schlüsse zog und sich eine Chance in der neuen Saison verdient hätte, es besser zu machen. Weiters gab es innerhalb der damaligen Mannschaft viele Konflikte und die Infrastruktur war auf keinem ausreichend professionellen Niveau, was die Aufgabe für Letsch (und zuvor auch für Fink) erschwerte.

In die neue Saison gestartet, bekam Letsch dann großes Mitspracherecht bei der Zusammenstellung des Kaders; er durfte sein Trainerteam zusammenstellen und auch im Verein wurden nach der Installation von Ralf Muhr als Sportdirektor viele Veränderungen angestoßen. Mit der runderneuerten Mannschaft und dem neuen Trainerteam, fühlte man sich nach der ersten absolvierten Vorbereitung bereit, in das nagelneue Heimstadion einzuziehen und in der Liga wieder die ersten drei Plätze anzuvisieren.

Dabei war in der Anfangsphase der Saison oft die Rede davon, Geduld zu bewahren und dass man eine Entwicklung sehen müsse, selbst wenn es nur kleine Schritte seien. Doch mit Fortdauer des Herbstes und den wechselhaften Leistungen, wurden die kritischen Stimmen immer lauter und so kippte langsam die Stimmung. Schwache Leistungen wie gegen den WAC, in Altach oder Mattersburg, brachten das Umfeld der Austria nicht zu Unrecht auf die Palme und von einer Entwicklung der Mannschaft war nur wenig zu sehen.

Speziell das Offensivspiel blieb eine einzige Offenbarung und statistisch nahm man in der Expected-Goal-Wertung sogar nur den vorletzten (!) Rang in der Bundesliga ein. Aber auch die vielen Systemumstellungen verunsicherten die Mannschaft zusätzlich, was nicht nur ausschließlich auf die Verletzungsprobleme zurückzuführen war.

So lief es darauf hinaus, dass das Wiener Derby als Endspiel für Thomas Letsch angesehen wurde, welches der Deutsche mit einem 6:1-Rekordergebnis letztlich für sich entschied. Damit sprang Letsch noch mal im letzten Moment von der Schippe und mit diesem Erfolg konnte er viele Probleme überdecken. Die damaligen Probleme haben wir in unserem Herbstfazit ausführlich beschrieben.

Desolate Leistungen nehmen kein Ende

Bei den Verantwortlichen versuchte man trotz der problembehafteten Entwicklung Ruhe zu bewahren und auf Besserung zu hoffen. Aufgrund der Rückkehr einiger verletzter Spieler und mit einer weiteren vollen Vorbereitung erhoffte man sich, endlich nachhaltig in die richtige Spur zu finden, da unter anderem auch die körperliche Verfassung und die Werte der Spieler im Laufe der Saison besser wurden und man in dieser Hinsicht allmählich den Vorstellungen von Letsch entsprach.

Rückblickend betrachtet wohl die falsche Entscheidung, allerdings war der Wunsch nach Kontinuität größer als die Einsicht, dass von Letsch zu wenige inhaltlichen Argumente kamen, um auf eine positive Entwicklung zu hoffen. Die Vorbereitung konnte man letztlich ohne Probleme und vollzählig absolvieren, wobei Testspiele wie gegen Dinamo Zagreb die Hoffnung auf eine Besserung nährten.

Nach der langen Winterpause wurden pünktlich zum Saisonstart selbst die größten Optimisten wiedermal eines Besseren belehrt. Die Austria schied gegen den Regionalligisten GAK aus dem Cup aus und musste damit den Traum vom Finale im eigenen Stadion frühzeitig aufgeben. Auch gegen den LASK setzte es eine Niederlage, wobei vor allem die Art und Weise ernüchternd war und man zu keinem einzigen Torschuss kam.

Immer mehr stellte sich die Frage: Kann Letsch den Spielern seine Ideen nicht vermitteln oder es die Spieler einfach nicht umsetzen? Letztlich folgte das Spiel gegen Hartberg, wo man erneut nicht gut spielte, aber Moral bewies und in Unterzahl mit einem 4:2-Sieg die Oberhand behielt. Doch die Freude wehrte nur kurz, denn eine Woche später folgte erneut eine katastrophale Leistung gegen Altach, wo man in allen Aspekten hilflos agierte. Damit wurde schlussendlich das Aus von Thomas Letsch besiegelt und der Verein zog die Notbremse.

Was nun?

Letztlich muss man konstatieren, dass Thomas Letsch in erster Linie an den Anforderungen gescheitert ist, einen alternativen Spielstil zu seiner eigentlich bevorzugten Philosophie zu entwickeln und den Spagat zu schaffen, die Vorstellungen des Vereins umzusetzen. Solange es mit seinen Schwerpunkten und Überzeugungen übereinstimmte, wie etwa beim schnellen Umschaltspiel oder im Gegenpressing, konnte er die Mannschaft in diesen Bereichen punktuell verbessern. Allerdings hatte er große Probleme, einen Plan und geeignete Lösungen gegen tiefstehende und destruktive Mannschaften zu entwickeln und diese der Mannschaft zu vermitteln.

Diese Problematik wird offensichtlich, wenn man sich das letzte Interview von Letsch bei Laola1 durchliest, wo er folgendes zu Protokoll gab: „Der Anspruch und Stil, den die Austria hat, ist nicht mehr vergleichbar mit früher. Der schöne Fußball ist nicht automatisch der Fußball, wo es über 29 Stationen geht und dann kommt man zum Torerfolg. Schöner Fußball kann auch anders sein. Mir ist wichtig, dass wir schnell und einfach in die Spitze spielen, dass wir riskant nach vorne spielen. Ich war nie ein Trainer, der rein über den Ballbesitz kam, habe das Spiel gegen den Ball forciert. Aber natürlich müssen wir uns, wenn der Gegner tief steht, damit beschäftigen, welche Lösungen wir im eigenen Ballbesitz haben. Mir schwebt das Motto „Anspruch und Stil“ gepaart mit „Leidenschaft und Erfolg“ vor. Dass wir das noch nicht erreicht haben, ist keine Frage.“

In der Vergangenheit durfte die Austria schon reichlich Bekanntschaft mit Trainern machen, die sich in erster Linie über das Spiel gegen den Ball definierten, Probleme mit dem Ballbesitzspiel hatten und es den Spielern nicht vermitteln konnten. Thomas Letsch reiht sich nun in diese lange Liste ein, wobei seine Amtszeit immer mehr an jene von Gerald Baumgartner erinnert. Die Frage ist nun, ob die Verantwortlichen der Austria aus ihren Fehlern lernen und einen Trainer suchen, der Lösungen gegen tiefstehende Gegner entwickelt und sich auch über das Ballbesitzspiel definiert. Denn klar ist, dass die Veilchen weiterhin in den meisten Spielen wesentlich mehr Ballbesitz als der Gegner haben werden und da braucht es einen klaren Plan, wie man es schafft, solche Kontrahenten zu knacken.

Interimistisch wird nun vorerst der bisherige Co-Trainer Robert Ibertsberger übernehmen. Ibertsberger kennt die Aufgabe als Interimstrainer bereits gut, denn erst in der letzten Saison sprang er für neun Spiele als WAC-Trainer ein und legte dabei eine durchaus respektable Performance hin. Er holte unter anderem Siege gegen die Topteams Sturm, Austria und den LASK und ein Unentschieden gegen Rapid, was in Anbetracht der Schwäche der damaligen Wolfsberger Mannschaft durchaus bemerkenswert war.

Im Normalfall sollte Ibertsberger bis zum Saisonende das Ruder übernehmen. Zum aktuellen Zeitpunkt wird man kaum interessante und verfügbare Trainer vorfinden, die finanziell zu stemmen und von ihrer Philosophie auch noch mit den Anforderungen der Austria kompatibel sind. Daher wäre es klüger, sich Zeit bei der Trainersuche zu lassen und sich ausführliche Gedanken zu machen, welches Trainerprofil man genau sucht und was der neue Cheftrainer mitbringen muss.  Darüber hinaus bestünde die Gefahr, dass man den möglichen neuen Trainer verheizen würde, da es während der Saison schwierig ist, eine Mannschaft zu übernehmen und neue Inhalte zu vermitteln.

Gleichzeitig ist in der Mannschaft ausreichend Qualität vorhanden, dass man auch mit Robert Ibertsberger den dritten Tabellenplatz erringen könnte. In allen drei Mannschaftsteilen verfügt man über starke Einzelspieler und es gilt einzig und alleine, ein passendes Konstrukt zu formen, um sie optimal einzubinden. Da sich die anderen Kontrahenten auch nicht gerade mit Ruhm bekleckern und wie es Max Sax treffend formulierte, abgesehen von Salzburg und LASK es keiner verdient hätte, an der Meisterrunde teilzunehmen, stehen die Chancen auf den dritten Tabellenplatz nach wie vor relativ gut.

Ibertsberger gelang es in Wolfsberg, in kurzer Zeit eine kompakte Mannschaft zu formen, die sich über das Umschaltspiel definierte und in der Meisterrunde gäbe es mehr Möglichkeiten, diesen Stil zu praktizieren, da die Gegner besser sind und meist auch versuchen mitzuspielen. Doch wie diese Bundesliga-Saison mittlerweile eindrucksvoll bewies, sind Prognosen nur äußerst schwer abzugeben. Fest steht allerdings, es bleibt weiterhin höchstspannend – und das nicht nur in Wien-Favoriten.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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