Kontrolle vs. Druck: Rapid und die Heim/Auswärts-Diskrepanz
Bundesliga 12.November.2019 Daniel Mandl
Die letzten Bundesligarunden zeigten gut auf, was bei Rapid noch fehlt und was gut läuft. Zuletzt gewann die Elf von Didi Kühbauer das traditionell schwierige Auswärtsspiel in Altach glatt mit 3:0, weil man sehr gut auf den Gegner eingestellt war.
Der Sieg im Ländle war der erste nach drei sieglosen Spielen in Serie. Rein gefühlsmäßig wirkte es aber gar nicht so, als hätte Rapid den letzten Sieg am 5.Oktober in Mattersburg eingefahren. Gegen den WAC war Rapid klar besser, holte nur ein Remis, in Salzburg verlor man nach einem guten Kampf mit der letzten Aktion des Spiels. Einzig die 0:1-Niederlage gegen St.Pölten war ein deutlicher, performanter Rückschlag, auf den es deutlich zu reagieren galt.
Ideale Spielhöhe
Mit einem glatten 3:0-Sieg in Altach gelang dies gut. Erneut ließ Kühbauer seine Elf mit einer Dreierkette auflaufen, was gegen die Altacher Doppelspitze mit Berisha und Gebauer sehr gut gelang. Dass dies besser funktionierte als gegen die St.Pöltner Angreifer Pak und Balic, lag einerseits an Altach selbst, das nie Tiefe kreieren konnte und kaum Bälle hinter die Rapid-Abwehr brachte. Andererseits wählte Rapid in der ersten Halbzeit eine nahezu ideale Spielhöhe, vergleichbar mit der beim 3:1-Sieg im Derby.
Starkes Pressing in der ersten Halbzeit
Durch das Hochschieben der Abwehr konnte Rapid über weite Strecken der ersten Halbzeit ein hohes Pressing aufziehen. Die Schlüsselfigur war dabei Kelvin Arase, der ohne Ball die Räume wesentlich besser bespielte als zuletzt Badji, der eher auf Physis und direkten Körperkontakt aus war. Durch das Pendeln Arases auf die Seiten konnte Rapid die Vorarlberger im Verbund anpressen, wodurch zahlreiche Bälle gewonnen werden konnten. Die ersten beiden Treffer resultierten beide aus konsequenten Pressingsituationen, wie sie sein sollten: Die Abwehr steht hoch, die Staffelung und die pointierten Pendelbewegungen auf der Acht passten und mit Hilfe der starken Antizipation durch den bzw. die Stürmer und die hohen Außenverteidiger wurde Altach schnell und intensiv unter Druck gesetzt.
Arase, Murg und Außenverteidiger als Schlüssel
Dies ist einerseits der Verdienst des clever attackierenden Arases, hat aber auch viel mit den hochstehenden Außenverteidigern zu tun, die diesmal für mehrere Flügelüberladungen sorgen konnten – was in der bisherigen Saison im 3-5-2 nicht immer der Fall war. Eine Schlüsselrolle nahm dabei aber auch der umtriebige Murg ein, der diesmal die Halbräume besser bespielte und vor allem gewonnene Bälle stark weiterverarbeiten konnte.
Mit pointierten Pressingaktionen zum Erfolg
Rapid brauchte somit nur sehr wenige Pressingsituationen, um Altach in der ersten Halbzeit auseinanderzunehmen. Ein durchschnittliches Passspiel bei eigenem Ballbesitz reichte aus, weil Rapid sehr kompakt stand, die Abstände geringhielt und genau in den richtigen Situationen intensiv presste. Gerade gegen „kleinere“, aufbauschwache Mannschaften ist dies ein guter Ansatz und erwies sich gegen Altach als das Mittel zum Erfolg.
Vor allem ohne Ball: Auswärts offensiver als zu Hause
Allerdings war eine Woche zuvor zu beobachten, dass Rapid dieses Konzept gegen St.Pölten nicht durchzog. Dies hängt mit der Heim/Auswärts-Diskrepanz zusammen: In Heimspielen will Rapid länger den Ball haben und den Gegner selbst nicht spielen lassen, was in Auswärtspartien anders ist. Den Ball zu haben impliziert immer ein gewisses Maß an Sicherheit und Kontrolle, was aber auch bedeutet, dass sich der Gegner konsequenter formieren und verschieben kann. Auswärts sah man hingegen häufig, dass Rapid beim Gegner Stress auslösen und das Aufbauspiel des jeweiligen Heimteams attackieren will. Sofern Rapid Flügelüberladungen zustandebringt (hier lastet eine große Verantwortung auf den Außenverteidigern!) gelingt es häufig diese Stresssituationen herzustellen – so gesehen in Altach, so kaum gesehen gegen St.Pölten. Im Allgemeinen und im Kontext moderner Gruppen- und Mannschaftstaktik könnte man Rapid also als „auswärts offensiver als zu Hause“ kategorisieren – was wiederum der Grund für die gute Auswärtsbilanz ist.
„Optische Blöße“ in Heimspielen
Zu Hause möchte man sich nicht die „optische Blöße“ geben, dem Gegner den Ball zu überlassen, was aber phasenweise – wie etwa gegen St.Pölten – die bessere Herangehensweise wäre. Gar nicht im Zuge eines gesamtheitlichen Matchplans, sondern eher situativ. Wenn man sich aber lange Ballbesitzphasen aufbaut, läuft man Gefahr immer wieder das Gleiche zu versuchen und daraus andere Ergebnisse zu erwarten – also Einsteins Definition von Wahnsinn.
Auswärts „doppelt so gut“
Die erste Halbzeit des Altach-Spiels zeigte auf, was Rapid derzeit in Heimspielen häufig fehlt. Dies ist sicher auch der unterschiedlichen Herangehensweise des jeweiligen Gegners geschuldet, aber Rapid selbst kann das Spiel situativ häufiger in eine Richtung lenken, wie man sie auswärts oft vorfindet. In Bundesligaauswärtsspielen hat Rapid in der laufenden Saison einen Punktschnitt von 2,28, was natürlich ausgezeichnet ist. Der enttäuschende Heimpunktschnitt von 1,14 ist also auch der Tatsache geschuldet, dass Rapid zu Hause taktisch flexibler sein könnte, um den Gegner ähnlich unter Druck zu setzen wie in Auswärtsspielen.
2.Halbzeit: Weniger Kontrolle wegen kontrollierterem Spiel
Die Performance in der zweiten Halbzeit im Ländle zeigte schließlich auch, dass Rapid in seinen Bemühungen konsequenter und auch stringenter werden muss. Die Hütteldorfer versuchten das Spiel nach Hause zu spielen, setzten wieder mehr auf Kontrolle, fuhren das hohe Pressing zurück und standen insgesamt auch tiefer. Das ist bei einer 3:0-Führung natürlich legitim, ließ die Altacher aber aufkommen. Hätte Rapid das Spiel ähnlich angelegt wie in der ersten Halbzeit hätte man vermutlich insgesamt mehr Kontrolle über das Spiel behalten, obwohl die Herangehensweise riskanter gewesen wäre. So war es am Ende aber glücklich, dass die Null stand. Nach einem 3:0-Sieg ist dies natürlich jammern auf hohem Niveau, aber stärkere Mannschaften hätten diese Passivität vermutlich bestraft.
Taktische Flexibilisierung
Unterm Strich darf behauptet werden, dass eine gewisse taktische Flexibilität in Heimspielen der Mannschaft guttun würde und die erste Halbzeit gegen Altach ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür. Zudem muss Rapid die Leerlaufphasen Stück für Stück beseitigen, um dauerhaft aktiv zu bleiben – wie man es in der zweiten Halbzeit in Altach eben nicht war. Nachdem das zu kontrolllastige St.Pölten-Spiel als Rückschlag zu bezeichnen war, bewies Rapid gegen Altach, dass man sehr wohl auf einem guten Weg ist. Nun gilt es diesen aber noch taktisch zu flexibilisieren und auf technischer Ebene Fehler zu minimieren. Denn dass es grundsätzlich sehr gut aussehen kann, was Kühbauers Jungs auf den Platz bringen, war nicht nur gegen Altach offensichtlich.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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