Der neue Rapid-Trainer heißt Mike Büskens. So unerwartet wie die Absetzung von Zoran Barisic ist auch die Neubesetzung des Trainerstuhls in Grün-Weiß. In der... Malochen statt tänzeln: Rapid will mit alten (und Schalker) Tugenden angreifen

Andreas Müller - SK Rapid Wien_abseits.atDer neue Rapid-Trainer heißt Mike Büskens. So unerwartet wie die Absetzung von Zoran Barisic ist auch die Neubesetzung des Trainerstuhls in Grün-Weiß. In der Öffentlichkeit schaut man sich derzeit noch ratlos an, nachdem das Schalker Urgestein als Trainer kaum jemand wahrnahm. Ein fahler Beigeschmack wird bei der Bestellung jedenfalls geortet.

Erst vorgestern wurde Zoran Barisic verabschiedet. Einvernehmlich und in bestem Vernehmen, wie es heißt. So richtig glauben will das niemand. Es wurde bereits bestätigt, dass Mike Büskens seit Wochen über die Personalplanungen Rapids informiert war. Barisic ging schließlich sinnbildlich für seine Amtszeit als Coach: Ruhig und ohne anzuecken. Alles sieht danach aus, dass ihm ein Abschied „nahegelegt“ und entsprechend entschädigt wurde. Der neue Trainer ist ein alter Freund von Sportchef Andreas Müller.

„Gschmäckle“ – oder das Nutzen von Kontakten?

Nicht nur einmal kam in der Fanbase Rapids das von Müller selbst geprägte Wort „Gschmäckle“ auf. Müller habe mit dem knapp fünf Jahre jüngeren Büskens einen „Haberer“ eingesetzt, was den Vorwürfen der Freunderlwirtschaft Tür und Tor öffnet. Tatsächlich ist dies aber ein schwieriger Spagat. Wo hört das so oft geforderte Nutzen von internationalen Kontakten auf und wo fängt Freunderlwirtschaft an? Eine Frage, deren Antwort wohl Geschmackssache ist bzw. im Auge des Betrachters liegt.

Machtwechsel mit Vorlaufzeit

Allerdings macht in diesem Fall nicht nur ein Ton, sondern die gesamte Arie die Musik. Barisic wurde angesichts der partiellen Rückentwicklung und der Verfehlung aller nationalen Saisonziele und trotz des starken Europa-League-Herbsts verständlicherweise abgesetzt. Der Rest ist aber Theater, die Bestellung Büskens‘ zwanzig Stunden nach dem Zoki-Aus zeigt, dass Müller sich schon länger für einen Machtwechsel entschied. Dass Barisic in Müllers Büro spazierte und kurz vor Beginn der Vorbereitung konstatierte, dass er eine neue Herausforderung suche und daher die Freigabe brauche, ist aber natürlich eine illusorische Annahme.

Nicht viele Alternativen

Wieso aber nun ausgerechnet Büskens? Ein Trainer, der in der Gunst der Fans – relativ betrachtet – im Mittelfeld liegt. Der Kelch der bei Rapid arrivierten österreichischen Lösung – in diesem Fall Kühbauer oder Herzog – ging erstmals seit 14 Jahren an den Hütteldorfern vorbei. „Premium-Lösungen“ wie Breitenreiter, Slomka oder Gisdol waren aus mehreren Gründen nicht realistisch. Ersterer ging zu sehr ans Börserl, Mittlerer Müller gegen den Strich, Letzterer beides. Der vielversprechende, aber erst 38 Jahre alte Oliver Lederer wäre für Rapid vor einer der wichtigsten Saisonen der Klubgeschichte zu riskant gewesen.

Ein Gegenentwurf, kein Notnagel

Riskant ist die Vorgehensweise so oder so, aber das wissen Müller und sein neuer Trainer ohnehin. Der gebürtige Stuttgarter weiß, dass er sich mit der Trainerrochade auf eine riesige grün-weiße Zielscheibe geschnallt hat. Ab sofort gibt es keine Ausreden mehr, wenn’s nicht so läuft, wie es soll. Aber Büskens‘ Verpflichtung zeigt auch, dass bei Rapid die Zeit der Ausreden ohnehin vorbei sein soll. Der 48-Jährige war nie ein Freund langer Aufsätze, sondern kurzer, knackiger Ansagen. Wenn das Nervenkostüm mal verpariasekt wird, dann auch mal lauter und direkter – was vielen beim stoischen Barisic als Trainer des emotionalsten Fußballvereins des Landes häufig fehlte. Angesichts des Zeitpunkts und der Tatsache, dass Büskens ein performativer Gegenentwurf zu Barisic sein wird, ist der Deutsche keineswegs als Notnagel anzusehen. Müller sieht in Büskens definitiv ein deutliches Upgrade und nicht nur einen neuen Coach, weil viele andere nicht zur Verfügung standen.

Kein freiwilliges Harakiri

Auch wenn es noch einige offene Fragen gibt: Von Leichtsinn und Freunderlwirtschaft getrieben setzt sich ein Routinier wie Andreas Müller nicht in eine Schlangengrube, aus der er nicht mehr aus kann. Müller schlug mit Büskens im Schalker Mittelfeld einige Schlachten, gewann den UEFA-Cup und weiß, dass er sich auf seinen alten Spielerkollegen verlassen kann, wenn’s hart auf hart kommt. Müllers oberste Maxime und erste Frage, wenn’s um Spielerkäufe geht, dürfte auch für den Trainer gelten: Wie sieht’s mit der Mentalität aus?

Büskens muss das Mentalitätsproblem lösen…

Rapids Grundproblem in den letzten Jahren war – wie schon mehrfach abgehandelt – ebendiese Mentalität. Die ellenlange Liste der Sinnlosniederlagen in Österreichs Fußballdörfern  waren weniger Resultat der fragwürdigen Spielkultur, sondern eher des mangelnden Willens, des berühmten letzten Fünkchens. Die Lethargie sieht gepaart mit dem langwierigen Ballbesitzfußball noch einmal extraübel aus, aber der Ballbesitzfußball wird eher zum Problem, wenn man mit Teams mitspielen will, die diesen selbst besser beherrschen – siehe Valencia. Die Gründe für den Misserfolg in der Liga liegen eher im mentalen Bereich und da kann der emotionalere Büskens mit Sicherheit (bzw. der Absetzung der totalen Sicherheit für die Spieler) Abhilfe schaffen.

Mehrere Systeme in der Vergangenheit

Taktisch wird der „Buyo“ gerufene Büskens keine Wunderdinge implementieren – aber flexibler wird Rapid dennoch werden. Die Vergangenheit zeigte, dass der Düsseldorfer sein System häufig adaptierte und auf den Gegner anpasste, wenn auch oft nur geringfügig. Bevorzugt schickte Büskens ein 4-4-2 auf den Platz, mal mit Doppelsechs/Doppelacht, dann wieder mit Raute. Die Stürmer nicht zu ähnlich, die Doppelsechs ebenso wenig. Aber auch 4-2-3-1- oder 4-3-3-Versionen kamen vor. Büskens hält sein Team gerne variabel, steckt Spieler nicht oft in fest gebundene Korsetts, steht wie Müller auf Typen.

Malochen!

Man könnte vorsichtig prognostizieren, dass auch die Art wie Büskens spielen lässt, näher an dem ist, was sich Müller vorstellt. Ob Rapid für Büskens Ideen die richtigen Spieler hat, werden die nächsten Monate zeigen. Dass der neue Coach nach Schalker Art anweisen wird, dass seine Kicker noch schwerer malochen müssen, passt wiederum zu den Rapid-Tugenden. So oder so dürfte klar sein, dass es für den einen oder anderen Kicker aus dem letztjährigen Kader schwer wird bzw. vielleicht sogar kein Platz mehr im Team sein wird. Leichtfüßiger Kick dürfte unter Büskens nicht mehr sehr gefragt sein.

Was passiert mit dem „alten“ Trainerteam?

Eine weitere interessante Frage betrifft das Trainerteam von Zoran Barisic. Thomas Hickersberger galt seit jeher als Schattenmann und „Taktikideologe“. Nicht ganz so „mächtig“ wie einst Schweitzer in Ried, aber doch mit Freiheiten ausgestattet. Jancker und Hedl sind ebenfalls schon ewig in Hütteldorf und kennen die Abläufe. Der von Barisic eingesetzte Stefan Oesen, zuvor Videoanalyst, hat das enorm wichtige Resort des Chefscouts inne. Wie es mit den wertvollen „Abteilungsleitern“ weitergehen wird, wird auch deutliche Auswirkungen auf das spielerische Gesicht Rapids haben. Es sind also lange noch nicht alle Fronten abgesteckt und der Start der Saisonvorbereitung wird zur Neujustierungsphase für alle Beteiligten.

Jetzt gilt’s!

Auch wenn bei Rapid die große Spielerrochade bisher ausblieb, kommt es also in den nächsten Wochen zu einem Umbruch. Der Zeitpunkt dafür ist nicht ideal, aber auch nicht schlecht. Schlecht wäre ein Trainerwechsel nach einem frühen Europacup-Aus gewesen, besser wäre er etwas früher gewesen. Müller schaffte es, einen Trainer einzusetzen, der die gesamte Vorbereitung mit seiner Mannschaft machen kann, von dem er weiß, was er erwarten darf und den er kennt. Klar ist aber auch, dass es jetzt gilt. Wenn Rapid im Mai 2017 nicht den Teller in die Luft stemmt, dann wird nicht nur das Projekt Büskens, sondern auch Andreas Müller gescheitert sein.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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