Markus Kraetschmer im Interview (1): „Wir können uns nicht mit dem Bienenzüchterverein vergleichen“
BundesligaFußball & Business 6.Februar.2014 Pascal Günsberg 0
Magister Markus Kraetschmer (42) ist der starke Mann im Hintergrund des FK Austria Wien. Als Finanzvorstand der violetten AG kümmert er sich um die Zahlen der Veilchen und arbeitet quer vom Thema Transfers über die Lizenzierung bis hin zur Klubphilosophie. Aktuell kann er sich der seit 1999 bei der Austria arbeitende Wiener dank der Champions League über einen Millionenregen freuen.
Ende Jänner, mitten im Finish des stressigen Transferfensters, bat Pascal Günsberg im Rahmen seines Matura-Spezialgebiets (Thema: „Mehr als nur ein Spiel – die wirtschaftlichen Aspekte des Fußballs“) den Austria-Manager zu einem Interview.
Zwei Generationen im Gespräch über ein gemeinsames Interesse. Markus Kraetschmer im ausführlichen Talk über Strategien, Einnahmen und Ausgaben sowie Transfers.
Herr Kraetschmer, wie würden Sie das Geschäftsmodell beziehungsweise die Philosophie der Wiener Austria beschreiben?
Ich denke, um ein Geschäftsmodell erfolgreich durchführen zu können, bedarf es einer sehr klaren Strategie. Diese Strategie haben wir in der Post-Magna-Ära 2007 klar erstellt. Einerseits natürlich auf sportlicher Ebene, wo wir junge Talente über die Jugend, über die Akademie und über die Amateure in die Kampfmannschaft bringen wollen, aber auf der anderen Seite gilt es für uns auch traditionsbewusst die Marke „Austria Wien“ zu erhalten, zu pflegen und nachhaltig weiterzuentwickeln. Wir bieten über die Spiele Unterhaltung für unsere Fans, die Spiele im Stadion sind aber auch Treffpunkte, wo sich jeder wohlfühlen muss, sich keiner ausgegrenzt fühlen darf und wir die Leute ein wenig ihre Sorgen vergessen lassen wollen. Aber das Stadion ist auch ein Treffpunkt für die Verknüpfung zwischen Sport, Kultur, Wirtschaft und Politik.
Wirtschaftlich gesehen, sind und bleiben unsere Haupteinnahmequellen natürlich die Spieltage, die Sponsoren, die vom Trikot bis zur Bandenwerbung reichen, und die Einnahmen durch die TV-Verträge. Aber letztlich wollen wir auch durch gute Ausbildung und Weiterentwicklung von Spielern nachhaltige Gewinne erzielen, die wir dann weiter in dieses System reinvestieren können. Das sind natürlich viele Parallelprozesse. Anfangs hat es geheißen nach dem Ausstieg von Hauptsponsor Magna eine neue Strategie aufzubauen, heute haben wir 108 Partner und Sponsoren, also sozusagen eine „Tausendfüßlerstragie“. Bricht uns dann ein Sponsor weg, kann man diesen „leichter“ ersetzen.
Ein weiterer Eckpfeiler dieser neuen Strategie der Post-Magna-Ära war die Umwandlung in eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft. Wieso wurde damals dieser zukunftsweisende Entschluss gefasst?
In Österreich ist noch immer das Modell des gemeinnützigen Vereins am meisten verbreitet, aber auch hier laufen schon seit Jahren Diskussionen mit den zuständigen Behörden. Ich denke, ein Fußballverein mit diesen Summen an Einnahmen ist kein gemeinnütziger Verein mehr. Wir können uns demnach nicht mit einem Kleingarten- oder Bienenzüchterverein vergleichen und darum haben wir uns nach intensiver Recherche und Diskussion für diese Rechtsform zur Ausgliederung der Profiabteilung mit dem Verein als Haupteigentümer entschieden. Ich bin auch ein absoluter Befürworter der in Deutschland verbreiteten „50+1“-Regel, demnach muss der Verein in jedem Fall Haupteigentümer der Kapitalgesellschaft sein. In Deutschland laufen auch aktuell wieder bei einigen Klubs die Diskussionen zur Ausgliederung der Profiabteilung, zum Beispiel beim HSV. Wir sind schon zeitig diesen Schritt zu einer nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft gegangen, einerseits aufgrund der Marktsituation, andererseits haben wir bezüglich der „Durchgriffsrechte“ auch unsere Lehren aus der Magna-Zeit gezogen. In der AG gibt es einen nicht weisungsgebundenen Vorstand, jedoch mit Aufsichtsgremien, der dann anders operieren kann als beispielsweise ein Geschäftsführer einer GmbH.
Sie würden diesen Schritt zu einer AG also wiederholen?
Absolut. Ich denke, wir haben den richtigen Schritt getätigt. Im Nachhinein ist man immer klüger, aber letztlich denke ich auch, wenn man sich unsere sportliche und wirtschaftliche Entwicklung ansieht, haben wir ohne Frage Recht behalten.
Würden Sie diesen Schritt auch anderen österreichischen Vereinen empfehlen?
Empfehlen kann ich definitiv den Schritt der Ausgliederung des Profibereichs in eine Kapitalgesellschaft, was in Wahrheit ohnehin schon im Gesetz verankert ist, allerdings noch nicht exekutiert wird. In weiterer Folge gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sturm Graz hat zum Beispiel den Weg zweier GmbHs gewählt, Rapid denkt, wie ich höre, eher an „unser“ Modell einer nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft. Ich kann nur aus unserer Warte von größte Zufriedenheit im Klub berichten und dieses Modell weiterempfehlen. Ich denke, für die Austria war dies der beste, beziehungsweise sinnvollste Weg, der uns in Summe vieles erleichterte.
Ein heiß diskutiertes Thema ist schon alleine die Sichtweise eines Fußballklubs – ob als reinen Fußballklub oder als Unternehmen. Wo liegen die Unterschiede in der Führung?
Ich glaube, da sind keine Unterschiede. Ich sage immer, wir sind ein Fußballklub, weil unser Geschäftsfeld natürlich ein anderes und viel emotionaleres als beispielsweise jenes eines Handelsunternehmens ist, aber wir sehen uns grundsätzlich als Verantwortliche für ein Unternehmen. Sie dürfen nicht vergessen, ich bin nicht nur Manager eines gemeinnützigen Fußballvereins, der den Statuten der Bundesliga und des Vereinsgesetzes unterliegt, sondern ich bin auch Vorstand einer nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft, sodass ich den Bestimmungen des Unternehmensgesetzbuches und im Speziellen des Aktiengesetzes unterliege. Das ist eine ganz andere Verantwortung, aber auch ganz andere Rechtssicherheit für alle mit uns kooperierenden Partner. Das heißt: Ich sehe es heutzutage als Notwendigkeit und ebenso große Verantwortung an, einen Profiverein wie ein Unternehmen zu führen, aber immer mit dem Bewusstsein, es nicht eins zu eins vergleichen zu können mit zum Beispiel einem Handels- oder Bankunternehmen, denn gerade die Emotionen sind im Fußball so einzigartig.
International strukturieren sich die Einnahmen der Klubs von Land zu Land unterschiedlich in die Großbereiche Spieltag, Sponsoring und Vermarktung. Wie sind die Einnahmen des FK Austria Wien gestaffelt?
Durch die sehr guten Finanzanalysen der UEFA wird die Vergleichbarkeit immer besser und ich denke, wir können uns aufgrund der Rechtsvorschriften und der Lizenzierung von der Struktur her – nicht vom Volumen und den letztendlichen Einnahmen – mit dem deutschen Markt vergleichen. Wenn Sie es im Quervergleich sehen, dann sind die österreichischen Vereine, aber auch hier mit der Ausnahme von Red Bull Salzburg, in der Budgetgröße noch am Ehesten mit der zweiten deutschen Bundesliga vergleichbar. Wenn Sie sich aber die Erlösstruktur ansehen, hat man gerade in Deutschland ein ganz anderes Verhältnis an Spieltags-, Sponsoring- und TV-Einnahmen von jeweils rund 30 Prozent, natürlich von Klub zu Klub unterschiedlich. Bei der Austria haben wir immer noch eine sehr starke Abhängigkeit von Sponsoreneinnahmen, die sich in einem Normalbudget – ohne Champions League-Gruppenphase – bei 60 bis 70 Prozent bewegen.
Bei den Spieltagseinnahmen muss man klar zwischen national und international unterscheiden, im Hintertreffen sind wir aber noch immer bei den TV-Einnahmen. In Italien nehmen diese oft bis zu 70 Prozent des Budgets ein, bei uns nicht einmal zehn Prozent. Alles in allem ist dies aber sehr klubspezifisch. Beispielsweise die SV Ried oder auch wir treten am Transfermarkt immer wieder als Verkäufer auf und lukrieren hier Geld, während Sturm Graz oder Rapid wiederum mehr aus dem Publikumsticketing einnehmen.
Gehen wir auf die einzelnen Großbereiche näher ein, beginnend mit dem Sponsoring. Warum ist dieses für die Austria so essenziell?
Sie wissen, dass wir natürlich auch bei den Sponsoringverträgen Stillschweigen über die genauen Zahlen vereinbart haben und uns schon alleine aus Respekt vor den Partnern daran halten. Austria Wien hat heute einen Pool von 108 Partnern, zwischen welchen natürlich nochmals unterschieden wird, ob das nun wie der Verbund unser Hauptsponsor oder ein einfacher Basic Partner auf der Ebene eines Businesspakets ist. In unserer Vermarktungsstruktur unterscheiden wir sehr genau zwischen der Profi- und der Nachwuchsabteilung und so haben wir Partner, die sich nur im Profibereich engagieren, weil zum Beispiel für sie der „B2C“-Bereich sehr wichtig ist und auf der anderen Seite Partner, die sich nur in unserem Nachwuchs engagieren, oft auch aufgrund der Lokalität. Das Paradebeispiel hierzu ist die Firma „Wienerberger“, die im zehnten Bezirk angesiedelt ist, und nicht nur den Nachwuchsfußball allgemein, sondern auch das Schulmodell der Wiener Austria unterstützt. Aber natürlich kooperieren wir auch mit Unternehmen, die in beiden Bereichen mitwirken, die bekanntesten Namen sind sicherlich Verbund oder die Generali, allerdings haben wir mit Beiden gesonderte Vereinbarungen für die unterschiedlichen Bereiche. Unsere Strategie ist den Profi- und den Nachwuchsbereich auch im Sponsoring strikt zu trennen und uns zudem auch dem jeweiligen Sponsor in unserer Paketgestaltung anzupassen, oft kann das auch nur eine Sachspende sein. Wir arbeiten nicht mit Schablonen, die wir jedem Sponsor aufzwingen wollen, sondern versuchen schon auf die unterschiedlichen Strategien unserer Partner einzugehen.
Die Anzahl der Partner wächst und wächst. Für Firmen ist der Sport mittlerweile eine nahezu unverzichtbare Möglichkeit seine Marke zu verbreiten.
Dass der Sport eine sehr gute Möglichkeit für Firmen ist größere Bekanntheit zu erlangen, ist definitiv wahr. Hier muss man aber auch unterscheiden, hier gibt es sehr verschiedene Zugänge und das kommt auf das Unternehmen an. Ein Unternehmen kann natürlich sagen, Fußball ist die Sportart Nummer Eins und ich möchte langfristig über diese Werbefläche eine Markenbekanntheit aufbauen. Paradebeispiel hierfür ist „max.mobil.“, Vorgänger von T-Mobile, Ligasponsor und Austria-Partner, wo rasch eine neue Marke bekannt gemacht wurde. Es kann aber auch sein, dass sich das Unternehmen als lokale Marke positionieren will und so insbesondere die Ausbildung junger Menschen fördern möchte. In den letzten Jahren gewann national wie auch international immer mehr die Corporate Social Responsibilty, kurz CSR, an Bedeutung, wo sich viele Unternehmen in der Kombination mit Sport engagieren, auch bei uns. Alles in allem gibt es definitiv ein breites Feld an Möglichkeiten, wie ein Unternehmen sinnvollerweise mit einem Klub wie Austria Wien eingehen kann.
Von Seiten der Bundesliga ist leider nicht so viel Positives zu berichten, denn die Suche nach einem neuen Hauptsponsor scheint sich als sehr schwierig zu gestalten.
Das ist leider richtig. Für Unternehmen ist diese Art von Sponsoring, den Verband oder die Bundesliga zu unterstützen, wieder eine ganz andere Variante. Einerseits spürt man noch immer die Nachwirkungen der Finanzkrise, die ist noch nicht lange vorbei und bei vielen Unternehmen zu großer Vorsicht führt, aber noch entscheidender ist, dass es in Österreich nur noch eine sehr begrenzte Anzahl von auch international tätigen Unternehmen gibt und viele Konzernentscheidungen im Ausland, oftmals in Deutschland, von der Konzernmutter getroffen werden. Ein weiteres Thema ist jenes der Exklusivität, die sich manch ein Sponsor wünscht, was sich folglich aber auch im Preis niederschlägt. All diese Indikatoren machen es letztlich nicht so einfach ein geeignetes Paket zu finden, aber ich bin überzeugt, dass es uns wieder gelingen wird einen Ligasponsor zu finden und unserer Vorreiterrolle gerecht zu werden, denn soweit ich weiß, war Österreich die erste Fußballliga mit einem Namenssponsor.
Im morgigen zweiten Teil des Interviews spricht Markus Kraetschmer über Namens- und TV-Rechte, sowie Spielertransfers und das Projekt „Rising Stars“.
Pascal Günsberg, abseits.at
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